4. August 2023 in Weltkirche
Erzbischof Aguer: Mit Fernández wendet sich Papst Franziskus vom bisherigen Verständnis des Bewahrens der Glaubenslehre ab – Man kann über alles reden, muss sich nur vor „Rückwärtsgewandten“ hüten, die hartnäckig der kirchlichen Tradition folgen
La Plata-Vatikan (kath.net/pl) Eine Grundsatzkritik am umstrittenen Erzbischof Víctor Manuel Fernández (Link), künftiger Präfekt des Glaubensdikasteriums und designierter Kardinal (im Foto rechts), erfolgt ausgerechnet durch seinen unmittelbaren Vorgänger im Amt als Erzbischof von La Plata (Argentinien), Erzbischof em. Héctor Aguer (im Foto links). Der Blog „Rorate Caeli“ veröffentlichte den Text „Argentinier in Rom“ in einer guten Übersetzung ins Englische durch den US-amerikanischen Philosophen und Schriftsteller Peter Kwasniewski. kath.net übersetzt den Text anhand des spanischen Originals und der englischen Version (beide Links siehe unten) als Beitrag zur breiten Diskussion über diese Themen – Übersetzung © kath.net/Petra Lorleberg
„Argentinier in Rom. Der Oberste Pontifex ist Argentinier, und nun wird es auch der Präfekt des wichtigsten Dikasteriums, des Dikasteriums für die Glaubenslehre, sein.“ Von Erzbischof Héctor Aguer
Was für ein Paradoxon! Ein Land wie Argentinien, ohne eigene Währung, mit einer inklusiven Sprache (die durch die grammatikalische Ignoranz der Politiker aufgezwungen wurde), und mit unbewaffneten Streitkräften – das heißt fast ein Nicht-Land, gemäß der Charakterisierung von Ländern durch General De Gaulle – hat das päpstliche Rom kolonisiert. Der Oberste Pontifex ist Argentinier, und nun wird es auch der Präfekt des wichtigsten Dikasteriums, des Dikasteriums für die Glaubenslehre, sein.
Der Brief des Nachfolgers Petri an seinen Auserwählten für die Position zielt implizit darauf ab, die Geschichte des früheren Heiligen Offiziums neu zu gestalten. Fernández, der Adressat, behauptete in Erklärungen, dass „dieser Name oder der der Inquisition – wie er auch genannt wurde – ein wenig angsteinflößend war, weil es sich um einen Ort der Ketzerverfolgung handelte; Papst Franziskus sagt, dass manchmal unmoralische Methoden eingesetzt wurden, als eine Art Geheimdienst und Kontrolle und irgendwann sogar Folter.
Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist, dass diese entfernte Anspielung Jahrhunderte kirchlicher Geschichte außer Acht lässt, ja stoppt vor der Kongregation für die Glaubenslehre unter der Leitung von Kardinal Joseph Ratzinger – dem späteren Benedikt XVI. – während den zwei Jahrzehnten des Pontifikats Johannes Pauls II.. Ratzinger ist der Autor eines monumentalen theologischen Werkes, das derzeit nach und nach vollständig veröffentlicht wird, sowie zahlreicher Bücher über Spiritualität. Dieses Werk vereint theologisches Wissen, philosophische Durchdringung, Askese und Mystik und eine umfangreiche [Kenntnis der] Kultur. Dieser Verweis auf Ratzingers persönliches Werk erfolgt bewusst, da es die Kriterien für seine Leistung als Präfekt enthält. Das Amt umfasst die Prüfung von verbreiteten Vorstellungen und die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, was in der Kirche im Lichte ihrer maßgeblichen Tradition verbreitet wird.
Msgr. Fernández, der bisher Erzbischof von La Plata war, übermittelt weiterhin, was Francisco ihm gesagt hat, was „sehr klar ist. Man muss sich um die Lehre der Kirche kümmern, aber nicht dadurch, dass man sie kontrolliert oder verfolgt, sondern indem man sie wachsen lässt, die Überlegungen vertieft und versucht, in die Tiefe des Themas vorzudringen. Das lässt uns alle wachsen. Wenn es ein Problem gibt oder jemandem vorgeworfen wird, etwas Unangebrachtes gesagt zu haben, dann müssen wir darüber viel reden.“
Der neue Präfekt weist auch darauf hin, dass der Papst darauf bestanden hat, dass er das Amt annimmt, was „sein enormes Feingefühl und den Respekt zeigt, den er dem Gewissen der Menschen entgegenbringt“. Nach diesen Hinweisen erwägen sie nun die „sehr große Neuigkeit“, die sich auch in der nächsten Synode widerspiegeln werde, in der „eine Vielzahl von Themen zur Sprache kommen werden, weil sie mit einer noch nie dagewesenen Öffnung vorbereitet wird. Es ist ein einzigartiger Ort, an dem der Papst sitzt, nicht um das Niveau zu senken, sondern um sich die Vielfalt der Meinungen anzuhören und zu versuchen, einen Konsens zu erzielen.“ Er fährt fort: „Es gibt eine Mission, und die besteht darin, dass ich sicherstellen muss, dass die Dinge, die gesagt werden, mit dem übereinstimmen, was Franziskus uns gelehrt hat. Er gab uns einen Einblick, ein umfassenderes Verständnis, und wir können heute nicht dieselbe Antwort wie vor 40 Jahren geben.“ Ich übersetze: Es gibt absolute Freiheit für alle Erfindungen und Umtriebe. Man muss sich nur vor den „Rückwärtsgewandten“ in Acht nehmen, die hartnäckig der kirchlichen Tradition folgen. Für jene, die gut hinhören, erklärt das Gesagte die Bedeutung der päpstlichen Ideologie, nach der die päpstliche Monarchie diejenigen verfolgt und liquidiert, die nicht mit dem doktrinären Relativismus des lateinamerikanischen Amtsapparates (man sollte „argentinischen“ sagen) mithalten.
Diese Position, die ich auf der Grundlage authentischer, von den Zeitungen gesammelter Aussagen überprüft habe, steht in absolutem Widerspruch zur historischen Tiefe der kirchlichen Sorge um den Glauben seit der Zeit der Apostel. Selbst in Zeiten, in denen die päpstliche Macht von Dummköpfen, von Frauenhelden, von verweltlichten Männern oder Opfern staatlicher Einmischung ausgeübt wurde, achtete sie stets darauf, dass die Wahrheit, die Christus der Kirche anvertraut hatte, nicht besudelt wurde.
Sehen wir uns die im Neuen Testament aufgezeichneten apostolischen Lehren noch einmal an. Ich beschränke mich auf ein einziges Zitat: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne, in aller Geduld und Belehrung! Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer sucht, um sich die Ohren zu kitzeln; und man wird von der Wahrheit das Ohr abwenden, sich dagegen Fabeleien zuwenden (der griechische Text spricht von „Mythen“). Du aber sei in allem nüchtern… “ Das schrieb der Apostel Paulus an seinen Jünger Timotheus (2 Tim 4, 1-5). Auch die Kirchenväter kämpften gegen Irrtümer. In den ersten sechs Jahrhunderten vervielfachten sich die Kataloge der Häresien, die die Kirchenväter verurteilten. Erinnern wir uns zum Beispiel an das Adversus haereses des Heiligen Irenäus von Lyon, das De haeresibus des Heiligen Augustinus und andere Werke ähnlichen Namens verschiedener Autoren.
Die Konzilien schlossen in ihre Entscheidungen auch die Verurteilung von Personen ein, die Irrtümer verbreiteten. Es [Anm.d.Ü.: das Verbreitung von Irrtümern] ist eine ständige Einstellung. Die Wahrheit muss nicht nur vertieft, erhellt und verbreitet werden; sondern sie muss verteidigt werden, wenn sie untergraben wird. Dies musste und muss immer getan werden und dies bedarf der Wachsamkeit. Im Zitat von 2 Tim 4, 5 heißt es auf Griechisch: sy de nēphe en pasin; es ist eine mühsame und verzehrende Beschäftigung.
Ergänzend verweise ich auf einen nichtkatholischen Fall. Der Existenzphilosoph Soeren Kierkegaard, ein Lutheraner auf der ständigen Suche nach dem authentischen Christentum, stellt sich in seinem Tagebuch, das 19 Bände seines Werks umfasst, gegen die moderne Welt und ihre Fehler, die die Abschaffung des Christentums implizieren.
Argentinier in Rom. In einem aktuellen Kommentar zur Situation in unserem Land sagte Franciscus: „Das Problem sind die Argentinier.“ Ja, aber wir haben das päpstliche Rom kolonisiert!
Eine letzte Neuigkeit: Der Papst hat einen jungen argentinischen Priester berufen, damit er ihm als persönlicher Sekretär zur Seite steht.
+ Hector Aguer
Emeritierter Erzbischof von La Plata
Link zum englischsprachigen Text in "Rorate caeli": Archbp. Hector Aguer: The position of Francis and Fernandez is "absolutely contrary to the historical depth of the ecclesial care of the Faith"
Link zum spanischsprachigen Originaltext: Argentinos en Roma. Por Mons. Héctor Águer . El Sumo Pontífice es argentino, y ahora también lo será el Prefecto del más importante Dicasterio, el de la Doctrina de la Fe
Fotos: links Erzbischof em. Aguer (c) Wikipedia/gemeinfrei - rechts Erzbischof Fernández (c) Erzdiözese La Plata
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