Physiker Anton Zeilinger kritisiert Wissenschaftsfeindlichkeit

11. August 2023 in Aktuelles


Nobelpreisträger im "Rupertusblatt": "Fakten sollte man nicht in Frage stellen" - Skepsis gegenüber KI - Zwischen Glaube an Gott und Naturwissenschaft kein Widerspruch


Salzburg (kath.net/KAP) "Es gibt zuerst einmal Fakten - und diese Fakten sollte man nicht in Frage stellen": Mit diesen Worten hat sich der österreichische Quantenphysiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger klar gegen die im Zuge der Corona-Pandemie angewachsene Wissenschaftsfeindlichkeit ausgesprochen. "Die meisten Menschen in meinem Alter wären ohne Wissenschaft überhaupt nicht mehr am Leben", sagte er in einem Interview des Salzburger "Rupertusblattes". Die moderne Forschung habe viele, viele Leben gerettet und auch heute nicht unumstrittene Errungenschaften wie Autoverkehr und Transport hätten das Leben "wirklich erleichtert". Die Gesellschaft sollte wahrnehmen, "wie viel die Wissenschaft zu unserem heutigen Leben beigetragen hat", appellierte Zeilinger.

Der Physiker, der zuletzt die Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen und die Abschlussrede der Hochschulwochen hielt, plädierte auch für Rationalität im Umgang mit der Klimakrise. Zum beobachtbaren "Alarmismus" angesichts von Katastrophen wie Waldbränden oder Überschwemmungen könne er nur auf die Worte des neuen Chefs des Weltklimarates, Jim Skea, verweisen: "Wir müssen mit klarem Kopf Maßnahmen setzen, aber für eine Weltuntergangsstimmung ist eigentlich kein Platz."

Sorge bereitet Zeilinger, wie er sagte, eine Entwicklung, die heute die jüngere Generation erfasst habe: "Die Schnelligkeit der Antworten, die ihnen heute der Computer gibt, zwingt sie nicht, darüber wirklich nachzudenken. Das halte ich für ein riesiges Problem der Zukunft und unserer Gesellschaft." Für wichtiger als neue Computer für den Schulunterricht hielte der Wissenschaftler ein humanistisches Gymnasium in jeder größeren Stadt, wo man Griechisch und Latein nicht abwählen kann.

Auch über Künstliche Intelligenz (KI) äußerte sich Zeilinger skeptisch: Die KI sollte man nicht Intelligenz nennen, "denn sie ist eigentlich sehr dumm - sozusagen das Maximale, was man aus einem dummen System herausholen kann". Denn die KI suche ja nur Assoziationen und Querbezüge - "und ich glaube, dass Intelligenz weitaus mehr ist".

Einmal mehr bestritt Zeilinger einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen dem Glauben an Gott - zu dem sich Zeilinger bekennt - und der Faktenorientierung der Naturwissenschaften. Seiner Beobachtung nach komme es vor allem dann zu Konflikten, wenn eine der beiden Seiten die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschreitet. "Wenn einige Naturwissenschaftler behaupten, die Annahme der Existenz Gottes würde dem widersprechen, was sie naturwissenschaftlich finden, dann ist das eine sehr vereinfachte Sicht von Gott", gab Zeilinger zu bedenken. Umgekehrt sei es von manchen Christen eine Grenzüberschreitung, etwa dem Kreationismus anzuhängen und damit Erkenntnisse der Evolutionstheorie zu leugnen. Wenn die Zuständigkeitsgrenzen eingehalten werden, "gibt es eigentlich keine Möglichkeiten für einen Konflikt", so der renommierte Forscher.

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