„Rheinische Post“: „Es geht um Geld und Glaube, Denkmalschutz und ungewöhnliche Allianzen“

22. August 2023 in Kommentar


St. Johann Baptist/Krefeld ist geschlossen. Liegen im „eher konservativen Profil und den „konservativen Liturgieformen“ Gründe für die Schließung der wichtigsten katholischen Kirche Krefelds? Von Petra Lorleberg


Krefeld (kath.net/pl) „Das Erstaunliche ist: Die Gemeinde hat mit diesem Profil überregional einige Anziehungskraft entfaltet. Diese Art der Frömmigkeit zieht Menschen an, die in ihren Ortsgemeinden offenbar keine spirituelle Heimat mehr finden. Hier liegt vielleicht auch ein Grund, warum St. Johann Baptist nicht gehalten werden sollte…“ So kommentiert Redaktionsleiter Jens Voss in seinem Beitrag „„Rheinische Post“: „Es geht um Geld und Glaube, Denkmalschutz und ungewöhnliche Allianzen“ in der Sonntagsbeilage der „Rheinischen Post“ die Vorgänge um die Schließung und geplante Umwidmung der größten Kirche von Krefeld (Bistum Aachen). Der Beitrag ist online nicht verfügbar.

Durchaus mit Sympathie schildert Redaktionsleiter Voss die Frömmigkeit und die „erstaunliche karitative Arbeit“ in St. Johann Baptist. Das Glaubensleben sei „eher konservativ“ und „an Volksfrömmigkeit orientiert“, es gebe „eine ausgeprägte Marienfrömmigkeit“. Und Pfr. Joachim Schwarzmüller pflege „mit Überzeugung konservative Liturgieformen“, er stehe „gerne mit dem Rücken zur Gemeinde und dem Gesicht zum Altar; und er feiert regelmäßig lateinische Messen.“

Ebenso beeindruckt zeigt sich Redaktionsleiter Voss von der „erstaunlichen karitativen Arbeit“: in der „Johannes-Stube“ erhalten im Geist von Mutter Teresa täglich 30-50 Bedürftige ein Frühstück, sonntags sogar bis zu 140 Personen ein Mittagessen, alles aus privaten Spenden finanziert. Die Bedürftigen – Obdachlose, Drogenabhängige oder schlicht sehr arme Menschen – finden zugleich immer wieder den Anschluss ans gottesdienstliche Leben, nehmen an Messen teil und werden besonders von Segenshandlungen gerührt und berührt, wenn etwa Pfarrer Schwarzmüller durch die Reihen geht und jeden einzelnen in den Kirchenbänken segnet.“ Voss schildert weiter: Diese diakonische und seelsorgerliche Arbeit findet in einem Stadtteil mit erheblichen sozialen Problemen statt. Ein sozialer Schatz.“

Der Aachener Bischof Helmut Dieser habe sich trotz anderslautender Entscheidungen auf Bistumsebene bisher weder für die Entwidmung der Kirche noch für ihre Übereignung an den Förderverein entschieden, immerhin habe er sich bei einem Besuch für den Erhalt der Kirche ausgesprochen. Voss kommentier abschließend: Bei der Übertragung der Kirche auf den Förderverein würde das Bistum „die Aufsicht über das Gemeindeleben nicht verlieren, alles bliebe gut katholisch und geleitet vom Bischof“. Warum der Bischof schweige und „auf Nachfragen wieder und wieder auf Gespräche vor Ort verweist, versteht in Krefeld niemand“, erläutert Voss deutlichst.

Hintergrund: Die Kirche war auf Grundlage eines Gutachtens von renommierten Experten am 1. Juli 2023 aus „Sicherheitsgründen“ geschlossen worden, die erforderlichen 2,5 Millionen Euro für eine Sanierung möchte das Bistum Aachen nicht in das Gebäude investieren. Der Kirchenvorstand der Gesamtkirchengemeinde hat zu diesem Datum sogar alle Schlösser zur Kirche austauschen lassen.

Allerdings existiert ein Gegengutachten, ebenfalls von renommierten Experten, das von Sanierungskosten nur von 200.000 Euro ausgeht, um die Kirche für die nächsten 10 bis 15 Jahre zu sichern – und es existiert ein Förderverein, der anbietet, die Kirche als Eigentümer zu übernehmen und in Eigenregie zu sanieren, ein Mäzen will die Sanierungskosten übernehmen. Unterstützung kommt von überraschend vielen Seiten: der Krefelder Katholikenrat unterstützt das Sanierungsprojekt, ebenso rheinische Denkmalschützer. Und als Sahnehäubchen setzen sich mit der Türkischen Union sogar Muslime für den Erhalt dieser Kirche ein. Übrigens hatte man erst im Jahr 2005 in die Kirche noch mal kräftig investiert und eine neue Sakramentskapelle eingerichtet, diese war von Bischof Heinrich Mussinghoff geweiht worden. Jetzt ist die Kirche geschlossen, ein Bauzaun verhindert den Zutritt. Die Gemeinde gibt nicht auf, man feiert die Hl. Messe im Zelt und geht zur stillen eucharistischen Anbetung ins Pfarrhaus.

Zur Bedeutung von St. Johann Baptist findet man auf der Seite von „Baukultur Nordrhein-Westfalen“ (einem Projekt des Bundeslandes, das neben anderen Stichworten sich auch dem Thema „Zukunft Kirchenräume“ in Zusammenarbeit mit der katholischen bzw. evangelischen Kirche widmet) u.a. folgende Informationen: „Sie stellt die größte Kirche Krefelds mit dem zweithöchsten Turm des Bistums Aachen dar. Sie ist denkmalgeschützt. Ihre Entwidmung ist beantragt.“ Das Kirchengebäude (1894 von Josef Kleesattel erbaut) „dominiert mit seiner Platzlage, seiner Höhe und dem 90 Meter hohen Portalturm die nähere Umgebung sowie den Stadtteil und ist auch in der Gesamtstadt präsent“. Als zuständiger Träger schildert auch der Kirchenvorstand den „großen Druck“, unter dem man bei der Entscheidung über die Zukunft der Kirche stehe. „Wir könnten die Kirche für neue Zwecke öffnen: Kindergartenplätze, günstiger Wohnraum für Familien, für Senioren aus dem Bezirk oder für Studenten der Hochschule, denkbar wäre auch eine Nutzung als Veranstaltungsstätte.“ Weitere Informationen sowie die Quellen für die Zitate finden sich hier: siehe Link , unter diesem Link wird auch „ganz offiziell“ auf den Widerspruch aus der katholischen Kirchengemeinde verwiesen, nachlesbar unter diesem Link auf der privaten Website der Kirchengemeinde. Auf der Seite der Gesamtkirchengemeinde Maria Frieden Krefeld findet sich nach wie vor eine Beschreibung der Kirche und der pfarrlichen Aktivitäten, die den Eindruck von gesunden und lebendigen Kirchengemeinde in einer ansprechenden Kirche hinterlassen, siehe Link.

Fakt ist natürlich ebenso, dass die Zahl der Kirchenmitglieder überall zurückgeht und es sich Kirchenschließungen und Kirchenumwidmungen unter dem Eindruck dieser Entwicklung nicht vermeiden lassen werden.

Dennoch stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Kirchengebäude abgewickelt werden. In diesem Fall wird man den aufkeimenden Verdacht nicht ganz los, dass hier für manchen im Bistum Aachen eine willkommene Gelegenheit vorliegt, eine konservativer geprägte, aktive und ausstrahlungsreiche Gemeinde (einschließlich ihrer unersetzlichen Sozialarbeit) zu zerschlagen. Wie sehr wünsche ich mir, dass dieser Verdacht unbegründet ist! Es macht mich allerdings sehr nachdenklich, dass ich diesen Verdacht im Kommentar des Redaktionsleiters Jens Voss ebenfalls thematisiert sehe.


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