23. August 2023 in Interview
Die Gruppe österreichischer Geistlicher namens „Priester22“ zieht Bilanz über die Corona-Zeit, die Auswirkungen von Impfung und Maßnahmen, und skizziert, wie eine kirchliche Aufarbeitung aussehen könnte. kath.net-Interview von Michael Koder
Wien (kath.net/mk) Das Corona-Virus und die damit zusammenhängenden staatlichen und kirchlichen Maßnahmen bis hin zu der (in Deutschland geplanten, in Österreich tatsächlich eingeführten) allgemeinen Impfpflicht sind 2023 in den Medien kaum mehr Thema. Neben der Erleichterung, diese schlimmen Jahre hinter sich zu haben, werden viele Menschen dennoch das Gefühl nicht los, dass ein Übergang zur (alten/neuen?) Normalität nicht so einfach möglich ist, dass die Corona-Zeit tiefe Narben hinterlassen hat, deren Aufarbeitung aber zumindest von offizieller Seite kaum wirkungsvoll betrieben wird, und dass über manch entstandener Spaltung bloß ein Mantel des Schweigens liegt. Offizielle persönliche Schuldeingeständnisse bleiben Mangelware. Ein geplantes „Bundes-Krisensicherheitsgesetz“ deutet darauf hin, dass die österreichische Bundesregierung weitere (Energie-, Klima-?)„Krisen“ erwartet und darauf noch schlagkräftiger als bei Corona (ua mithilfe des Bundesheeres) reagieren will.
Auch im kirchlichen Bereich erfolgte ein schweigender Übergang zur „Normalität“, eine allgemeine, echte Aufarbeitung des Handelns bzw. Schweigens von Kirchenvertretern und der oft besonders rigorosen Umsetzung der Corona-Maßnahmen an der kirchlichen Basis scheint bisher nicht im Gange zu sein. Vor rund einem Jahr meldete sich noch zu Zeiten der Impfpflicht in Österreich eine Gruppe von Priestern und Diakonen unter dem Namen „Priester22“ zu Wort, die sich vor allem gegen die Impfpflicht und die diesbezüglich einseitigen kirchlichen Empfehlungen aussprach und eindringlich mahnend auf die Spaltung der Bevölkerung hinwies. kath.net hat nun bei der weiterbestehenden Gruppe in 7 Fragen um einen Rückblick auf die Corona-Zeit und eine Einschätzung ersucht, wie echte Wiedergutmachung und Heilung passieren könnte.
kath.net: Corona ist ja in der Öffentlichkeit im Vergleich zu den letzten 3 Jahren mittlerweile kaum mehr Thema – wie erleben Sie es in Ihrem Pfarrleben bzw. von den mit Ihnen verbundenen Priestern?
Priester22: Corona wird 2023 kaum mehr thematisiert – warum? Weil es offiziell nicht mehr gepusht wird. Aufarbeitung und ehrliche Debatte sind tabu. Dieser „Ruhe“ können wir aber auch etwas Gutes abgewinnen: Viele Menschen haben in den letzten Jahren äußerste seelische Belastungen durchgemacht, und sind einfach nur froh, dass jetzt eine Art von Ruhe eingekehrt ist, eine Zeit der Regeneration, dass soziale Abläufe sich normalisiert haben.
Die Wunden, welche in der Zeit der staatlichen Maßnahmen aufgerissen wurden (nicht nur zwischen den Menschen untereinander, sondern ja auch gegen das Menschsein an sich), brauchen Heilung und deshalb Zeit. Über all diese Dinge reden zu können, speziell im Zusammenhang mit unserem christlichen Glauben an Christus, der unser Arzt für Leib und Seele ist, wäre ein enormer Fortschritt, ist aber noch immer angstbesetzt und tabuisiert, bei doch einigen aber schon möglich.
kath.net: Welche Auswirkungen der staatlichen Corona-Impfpflicht vom letzten Jahr erleben Sie - einerseits gesundheitlich durch Impfschäden, aber auch seelisch durch Spaltungen?
Priester22: Man wird konfrontiert mit (eigenartigen) Schäden, über die nicht geredet wird. Massiver Schaden neben den körperlichen Impffolgen (bis hin zu einer immer größeren Ziffer von Impftoten) ist eine weitreichende Spaltung in nahezu allen Bereichen. Spaltung zwischen Menschen und seelische Zerrissenheit und Belastung, besonders bei Kindern und Jugendlichen.
Was kaum wo erwähnt wird, obwohl es in hochoffiziellen Statistiken wie z.B. der EMA aufscheint, ist die praktische Null-Sterblichkeit von Kindern an Covid bei gleichzeitiger Sterbeziffer von Kindern nach erfolgter Impfung.
Ebenfalls unter den Teppich gekehrt wird fast überall die Tatsache, wie viele Fehlgeburten im Zusammenhang mit geimpften Müttern schon passiert sind.
kath.net: Ab welchem Zeitpunkt ist die Maßnahmenpolitik Ihrer Ansicht nach falsch gelaufen? Bzw. inwiefern war von Anfang an der zugrundeliegende moralische/weltanschauliche Ansatz falsch/einseitig?
Priester22: Durch viele Kommentare von wohl tatsächlich unabhängigen (und nicht gekauften) Experten wie z.B. Sucharid Bhakdi, Andreas Sönnichsen, Stefan Hockertz, Thomas Binder, Martin Haditsch u.v.a. scheint es immer klarer zu sein, dass spätestens im Juni 2020 genügend Klarheit da war, um eine ganz andere Politik zu fahren. Eine diesbezüglich sehr aufschlussreiche Videoserie von Kai Stuht unter dem Titel „Können 100 Ärzte lügen“ gibt sehr hilfreichen Einblick in viele Perspektiven zur Corona-Thematik.
Im März 2020 gab es einfach schockierende Bilder aus Wuhan und Bergamo, die zu drastischen Maßnahmen greifen ließen, und in uns Bilder und Vorstellungen erzeugt haben, die nicht der Wahrheit entsprachen. Sehr schnell wurde offenbar, dass es sich um getriggerte Agenda handelte, die gewissen Leuten und Firmen viel Geld und Macht in die Hände spülte.
Auch der moralische Ansatz („Impfen ist Nächstenliebe!“ und das Solidaritätsargument) war in mehrfacher Hinsicht zumindest fragwürdig, aber eigentlich sehr schnell als nicht akzeptabel zu durchschauen, um nicht zu sagen, hier handelte es sich in Wirklichkeit um „geistlichen Missbrauch“.
kath.net: Wie hätte die Kirche auf die staatlichen Maßnahmen reagieren müssen? (Stichwort Billigung der Impfpflicht, „Absage“ von Ostern 2020, 1:1 Übernahme der Regelungen, die faktisch oft noch rigoroser umgesetzt/kontrolliert wurden)
Priester22: Die Kirche hat (wohl genauer gesagt die Verantwortlichen in den Ordinariaten mit ihren Covidberatern) versagt. Anstatt eine eigene Prüfung und Bewertung der Corona-Lage vorzunehmen, was als ureigene prophetisch-ignatianische Aufgabe gesehen werden kann, ja als Berufung, sich immer auch der Wahrheitsfrage zu stellen, hat sie sich völlig dem Diktat des Staates gebeugt und in gehorsam-braver-knechtischer Manier „alles mitgetragen“ und z.T. sogar noch rigoroser umgesetzt.
Aufgabe der Kirche wäre es gewesen, die Menschen zu Gebet und Umkehr zu rufen, die Regierenden zu Wahrheit, Vernunft und Toleranz. Wir hätten uns für die Kinder einsetzen müssen, denen man die kindliche Freude ihres Daseins genommen und erklärt hat, sie seien giftig für andere Menschen. Wir hätten für die Alten in den Heimen und Krankenhäusern da sein müssen, die vielleicht durch die Isolation den Lebenswillen aufgegeben haben. Wir hätten für die jungen Menschen da sein müssen, die jemanden brauchen, der Orientierung und Hoffnung zugleich gibt, sich für die Wahrheit einsetzt, ja diese sucht – disziplinübergreifend und ohne Denkverbote –, auch wenn es dem System nicht gefällt usw…
Leben wir wirklich für Christus, der die Aussätzigen berührt hat und uns zu denselben Werken auffordert? Kraft der Eucharistie und all der anderen spirituellen Kraftquellen wie der Sakramente hätte die Kirche den Menschen ganz anders beistehen können, anstatt ihnen diese Mittel und Quellen zu nehmen und sie zeitweise nur mehr online zu versorgen.
Ein Höhepunkt des Versagens und eigentlich eine Art Machtmissbrauch waren die kirchlichen Impfempfehlungen, die im Kleid quasilehramtlicher Äußerungen präsentiert wurden. Die Gewissenskonflikte, die Katholiken zu Recht in Bezug auf diese Impfstoffe haben, wurden ohne tiefgehende Behandlung ignoriert oder mit dem Verweis auf Rom vom Tisch gewischt. (siehe beispielhaft zur Thematik den Artikel von Pfr. J. Laichner vom 17. Jänner 2022, https://kath.net/news/77331)
kath.net: Muss aus Ihrer Sicht eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht stattfinden, wenn ja wie?
Priester22: Wenn das katholische Verständnis des Bußsakramentes richtig ist, dann ist Beichte und Lossprechung nur dann gültig bzw. effektiv, wenn der Pönitent Reue zeigt, die von seiner Schuld Betroffenen um Verzeihung bittet und Buße tut, also Schritte bzw. Akte der Wiedergutmachung setzt. Als Seelsorger ist uns zuallererst das Heil der Seelen aufgetragen, und zwar nicht nur das Heil der Opfer, auch das der Täter, wobei beides nicht selten miteinander verschränkt ist. Niemand ist ganz unschuldig, und niemand für alles verantwortlich. Der Weg zu Gott, zu unserem ewigen Heil, geht nicht an der Selbsterkenntnis vorbei: Das heißt eben auch zu erkennen, wo und dass ich in einer Sache schuldig geworden bin. Verantwortung zu übernehmen ermöglicht Umkehr, ermöglicht Heilung. Das Bekenntnis von Schuld, die Bitte um Verzeihung und der Versuch der Wiedergutmachung (z.B. Einsatz für die Geschädigten) ist auch ein Dienst am Nächsten und kann wiederum dazu führen, dass im Anderen Heilung beginnt.
kath.net: Was müsste die Kirche dazu konkret tun?
Priester22: Analog zur Wiederherstellung verletzter Beziehungen (im privaten Bereich wie Ehe, Familie sowie im öffentlichen wie Politik und Medien) müsste die Kirche – allgemein und speziell in ihren Autoritätspersonen – zu Unrecht getroffene Maßnahmen zugeben, um Verzeihung bitten (u.a. in einem diözesanen und auch österreichweiten Hirtenbrief), schikanierte Personen rehabilitieren bzw. entschädigen (dies müsste auf korrekter juristischer Basis erfolgen, ansonsten die Gefahr zur Selbstjustiz Geschädigter größer wird!) UND eine gründliche Aufarbeitung vornehmen, die in Folgendem bestehen müsste:
• Wo war Christus? Haben wir ihn gesucht? Oder haben wir uns wie Heiden benommen, rein irdisch gehandelt, ohne Glauben an göttliche Hilfe? Worin sind wir also auch an IHM schuldig geworden und ist auch diesbezüglich Buße am Platz?
• Worin haben wir Fehlentscheidungen getroffen?
• Wie konnte es zu solch verengtem (Tunnel)Blick kommen?
• Was ist zu tun, um nie mehr so etwas zuzulassen bzw. in so etwas hineinzugeraten?
• Was lernen wir aus dieser bitteren Erfahrung? Anstatt des am 2. Vatikanischen Konzil formulierten Mottos „Trauer und Angst, Freude und Hoffnung der Menschen zu teilen“ wurde beim Ängsteschüren mitgemacht!
kath.net: Wie kann Vergebung und Heilung zwischen den Menschen mit unterschiedlichen Zugängen zu Corona erfolgen?
Priester22: Es braucht die Rückkehr (Metanoia) bzw. das Wiederetablieren einer Debattenkultur und Diskursfähigkeit, wo verschiedene Ansichten akzeptiert werden – und nicht eine (unerwünschte, politisch nicht korrekte) Meinung prinzipiell ausgeschlossen, verhöhnt und diskriminiert wird.
• Dafür müssen wir zu einer sachgerechten, evidenzbasierten Sicht von Wissenschaft zurückfinden: Wissenschaft = verschiedene Thesen, die diskutiert, verifiziert oder falsifiziert werden müssen und nicht „DIE Wissenschaft, wo 99% Konsens herrscht“.
• Dafür braucht es Zeit und Unabhängigkeit von Geldgebern und Lobbyisten.
• Und es braucht CHRISTLICHE bzw. echt HUMAN(istisch)E Leute, die fähig und willig sind, aufeinander zuzugehen mit allen etwaig nötigen Detailschritten.
• Diese Fähigkeit und Willigkeit kommen nicht aus eigener Kraft allein, sondern durch die Verbundenheit mit Christus und seiner lebens- und sichtverändernden Gnade. Wie es zu dieser Verbundenheit kommt, haben wir in der Karwoche gefeiert und muss gewiss immer tiefer studiert und immer neu erworben werden.
• Sowohl im Dienst von Heilung und Versöhnung als auch für eine generelle Aufarbeitung der unglückseligen Corona-Maßnahmen könnte es mitunter notwendig sein, explizite personelle Konsequenzen bei den verantwortlichen diözesanen Stellen zu setzen, wenn Mitarbeiter nicht bereit sind, Fehlverhalten einzubekennen und andere Strategien einzuschlagen.
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