Bischofssynode? – „Eine neue Offenbarung erhalten Papst und Bischöfe nicht“

13. September 2023 in Interview


„Ich bete, dass das Ganze zum Segen und nicht zum Schaden der Kirche gereicht.“ InfoVaticana-Interview mit Gerhard Kardinal Müller


Vatikan (kath.net) Wenn bei der bevorstehenden Bischofssynode „Laien daran mit Stimmrecht teilnehmen, dann ist es eben keine Bischofsynode mehr oder eine kirchliche Konferenz, die nicht die apostolische Lehrautorität des Bischofskollegiums besitzt.“ Das erläutert der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Kardinal Müller im Interview mit Javier Arias für das in Spanien ansässige Portal InfoVaticana (siehe Link). Auch könne es „nur einem Ignoranten einfallen“, „von einem III. Vatikanum zu reden. „Denn eine römische Bischofssynode ist von vornherein kein Ökumenisches Konzil, zu dem es auch der Papst nicht nachträglich erklären könnte, ohne sich über das göttliche Recht der Bischöfe hinwegzusetzen.“

kath.net dokumentiert das Interview in voller Länge. Die Antworten von Kardinal Müller erfolgen im deutschsprachigen Originaltext.

InfoVaticana: Im kommenden Oktober beginnt die letzte Phase der Synode über die Syndodalität. Wie gehen Sie damit um?

Kardinal Müller: Ich bete, dass das Ganze zum Segen und nicht zum Schaden der Kirche gereicht. Außerdem setze ich mich für eine theologische Klarheit ein, damit aus einer kirchlichen Versammlung um Christus nicht ein politischer Tanz um das goldene Kalb des agnostischen Zeitgeistes wird.

InfoVaticana: Papst Franziskus hat Sie in die Liste der Teilnehmer aufgenommen, die bei der Synode eine Stimme haben werden. Wie haben Sie die Nachricht erhalten?

Kard. Müller: Ich hatte gehört, dass ich vorgeschlagen wurde und dann wurde ich tatsächlich berufen. Ich will mein Bestes tun zum Wohle der Kirche, für die ich mein ganzes bisheriges Leben, Denken und Arbeiten eingesetzt habe.

InfoVaticana: Haben Sie die Botschaft geplant, die Sie während der Versammlung übermitteln möchten?

Kard. Müller: Vor allem möchte ich – auch angesichts vieler Enttäuschungen der Jugendlichen in Lissabon – sagen: Eine Kirche, die nicht an Jesus den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes glaubt, ist nicht mehr die Kirche Jesu Christi. Jeder Teilnehmer sollte zuerst das 1. Kapitel von Lumen gentium studieren, wo es um das Mysterium  der Kirche geht im Heilsplan des Dreifaltigen Gottes. Die Kirche ist nicht der Spielplatz von Ideologen eines „Humanismus ohne Gott“ oder von verhinderten Parteitagsstrategen.

Der universale Heilswille Gottes, der sich in Christus dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen geschichtlich und eschatologisch verwirklicht, ist das Zukunftsprogramm für Seine Kirche und nicht der Great Reset der atheistisch-globalistischen „Elite“ milliardenschwerer Banker, die ihre gnadenlose Selbstbereicherung hinter der Maske der Philanthropie verstecken.

InfoVaticana: Was halten Sie von der Maßnahme, dass Journalisten das Geschehen nicht live verfolgen dürfen?

Kard. Müller: Ich kenne nicht die tiefere Absicht hinter dieser Maßnahme. Aber 450 Teilnehmer werden gewiss nicht dicht halten. Nicht wenige werden die Journalisten in ihrem Sinne instrumentalisieren oder umgekehrt. Das ist die große Stunde der Manipulation, des Framing, der Propaganda für eine Agenda, die der Kirche eher schadet als nützt.

InfoVaticana: Es gibt einige Stimmen, die die Anwesenheit von Laien in dieser Synodenversammlung kritisiert haben. Was denken Sie?

Kard. Müller: Die Bischöfe nehmen Teil Kraft ihres Amtes, indem sie die kollegiale Verantwortung für die ganze Kirche zusammen mit dem Papst ausüben.

Wenn Laien daran mit Stimmrecht teilnehmen, dann ist es eben keine Bischofsynode mehr oder eine kirchliche Konferenz, die nicht die apostolische Lehrautorität des Bischofskollegiums besitzt.

Von einem III. Vatikanum zu reden, kann nur einem Ignoranten einfallen. Denn eine römische Bischofssynode ist von vornherein kein Ökumenisches Konzil, zu dem es auch der Papst nicht nachträglich erklären könnte, ohne sich über das göttliche Recht der Bischöfe hinwegzusetzen.

Auch ist die Erwartung an ein 3. Vatikanum, dass es eine neue Kirche gründen könnte in Überbietung oder Vollendung des vermeintlich steckengebliebenen II. Vatikanums ebenso absurd wie die Meinung, die Väter des letzten ökumenischen Konzils hätten die Lehre der Kirche in ihrer Substanz ändern können oder wollen, um den Rückstand zum agnostischen Naturalismus der Aufklärung und zum puren Atheismus der Religionskritik vom Comte, Marx, Feuerbach, Nietzsche und Freud aufzuholen.

Jedesmal, wenn populistische Wirkungen den Ausschlag geben für solche spontanen Entschlüsse, wird das sakramentale Wesen der Kirche und ihre Mission verdunkelt, auch wenn man das hinterher zu rechtfertigen versucht mit dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und den Wesensunterschied zum sakramentalen Weihepriestertum einzuebnen versucht (Lumen gentium 10).

InfoVaticana: Immer mehr Bischöfe und Gläubige äußern ihre Sorge darüber, was während dieser Synode passieren könnte. Gibt es etwas zu befürchten?

Kard. Müller: Ja, sich selbst als Progressisten empfehlende falsche Propheten (Woke-Ideologen) haben angekündigt, aus der katholischen Kirche eine Hilfsorganisation für die Agenda 2030 zu machen. In eine Welt ohne Gott passt nach ihrer Meinung nur eine Kirche ohne Christus.

Viele Jugendliche sind von Lissabon enttäuscht zurückgekommen, weil nicht mehr das Heil Gottes in Christus im Mittelpunkt stand, sondern eine innerweltliche Heilslehre. Offenbar gibt es sogar Bischöfe, die nicht mehr an Gott als Ursprung und Ziel des Menschen und Retter der Welt glauben, sondern welche pannaturalistisch oder pantheistisch die angebliche Mutter Erde für den Anfang des Seins und die Klimaneutralität für das Ziel des Planeten Erde halten.

InfoVaticana: Glauben Sie, dass Veränderungen in Glaubens- und Glaubensfragen genehmigt werden können, wie einige Gruppen und Bewegungen innerhalb der Kirche behaupten?

Kard. Müller: Kein Mensch auf Erden kann das Wort Gottes ändern, ihm etwas hinzufügen oder wegnehmen. Papst und Bischöfe sind als Nachfolger der Apostel gehalten, die Menschen das zu lehren, was ihnen der irdische und auferstandene Christus , der einzige Lehrer, aufgetragen hat. Und nur in dieser Hinsicht gilt die Verheißung, dass der Herr und das Haupt seines Leibes immer bei seinen Jüngern bleibt (Mt 28, 19f)

Man verwechselt – was angesichts der mangelnden theologischen Grundbildung sogar bei Bischöfen nicht verwundert –, den Inhalt des Glaubens und seine unüberbietbare Fülle in Christus mit der fortschreitenden theologischen Reflexion und dem Wachstum des Glaubensbewusstseins der Kirche im Laufe der kirchlichen Tradition (DEI verbum 8-10).

Die Unfehlbarkeit des Lehramtes reicht nur soweit bis zur Bewahrung und treuen Auslegung des ein für allemal der Kirche anvertrauten Glaubensgeheimnisses (depositum fidei oder der sana doctrina, d.h. der Lehre der Apostel).

Eine neue Offenbarung erhalten Papst und Bischöfe nicht (Lumen gentium 25, DEI verbum 10).

InfoVaticana: Was würde passieren, wenn die Synodenversammlung beispielsweise die Segnung homosexueller Paare, die Änderung der Sexualmoral, die Abschaffung der Priesterzölibat. oder die Zulassung des weiblichen Diakonats befürworten würde? Würden Sie es akzeptieren?

Kard. Müller: Aus dieser Liste muss man den Priesterzölibat herausnehmen, da die Verbindung des Weihesakramentes mit dem Charisma  des freiwilligen Verzichtes auf die Ehe dogmatisch nicht notwendig ist, wenn auch diese alte Tradition der lateinischen Kirche nicht willkürlich mit einem Federstrich aufgehoben werden kann, wie die Väter des II. Vatikanums ausdrücklich betonten (Presbyterorum Ordines 16).

Und den lauten Agitatoren geht es selten um die Heilssorge der Gemeinden ohne Priester, sondern eher um eine Attacke auf diesen evangelischen Rat, den sie in einer sexuell aufgeklärten Zeit für anachronistisch oder sogar unmenschlich halten.

Eine Segnung unmoralischen Veralten von Personen gleichen oder eines anderen Geschlechtes ist als unmittelbarer Widerspruch zum Wort und Willen Gottes eine schwer sündhafte Blasphemie.

Das Sakrament der Weihe in den Stufen des Episkopates, des Presbyterates und Diakonates kann Kraft göttlichen Rechtes nur ein getaufter Mann empfangen, dessen Berufung von der Kirche auf ihre Echtheit geprüft wurde. Solche Forderungen mit einem Votum der Mehrheit wären apriori obsolet. Sie könnten auch nicht vom Gesamtkollegium der Bischöfe mit dem Papst oder vom Papst allein in kirchliches Recht umgesetzt werden, weil sie der Offenbarung und dem eindeutigen Bekenntnis der Kirche widersprechen.

Die formale Autorität des Papstes kann nicht von der inhaltlichen Bindung an die Hl. Schrift, die Apostolische Tradition und die dogmatischen Entscheidungen des Lehramtes vor ihm gelöst werden. Denn sonst würde er sich, wie Luther das Papsttum missverstanden hat, an die Stelle Gottes setzten, der allein Urheber seiner geoffenbarten Wahrheit ist, statt nur treu in der Autorität Christi den geoffenbarten Glauben unverkürzt und unverfälscht zu bezeugen und der Kirche authentisch vorzulegen.

In einer solch extremen Situation, vor der uns Gott bewahren möge, hätte jeder kirchliche Amtsträger seine Autorität verloren und kein Katholik ist einem häretischen oder schismatischen Bischof zum religiösen Gehorsam mehr verpflichtet (Lumen gentium 25; vgl. Antwort der deutschen Bischöfe auf Bismarcks Fehlinterpretation des I. Vatikanums, 1875).

InfoVaticana: Meinen Sie, dass die Kirche genug tut, um die Wahrheiten, die heute diskutiert werden, klar zu verteidigen?

Kard. Müller: Leider nein. Ihre heilige Aufgabe ist es, mit Freimut innerhalb und außerhalb der Kirche die Wahrheit des Evangeliums zu verkünden. Sogar Paulus ist einmal dem zweideutigen Verhalten des Petrus offen entgegengetreten (Gal 2), ohne freilich dessen von Christus eingesetzten Primat in Frage zu stellen.

Man darf sich auch innerkirchlich nicht einschüchtern oder für ein von oben gewünschtes Wohlverhalten mit der Aussicht auf eine Karriere ködern lassen. Bischöfe und Priester sind unmittelbar von Christus eingesetzt, was die jeweiligen Oberen in der Hierarchie berücksichtigen müssen.

Sie stehen aber in der Gemeinschaft miteinander, was in Glaubensfragen den religiösen und in der Leitung der Kirche de kanonischen Gehorsam miteinschließt. Dies entbindet aber keinen in seiner Gewissensverantwortung unmittelbar zu Christus, dem Hirten und Lehrer, in dessen Autorität sie die Gläubigen heiligen, lehren und leiten.

Es muss auch strikt unterschieden werden zwischen dem Verhältnis des Papstes zu seinen Nuntien und den Angestellten des Vatikans und dem kollegialen Verhältnis des Papstes zu den Bischöfen, die nicht seine Untergebenen sind, sondern sein Brüder im gleichen apostolischen Amt.

InfoVaticana: Welche Rolle sollte der Papst in diesen Momenten spielen?

Kard. Müller: In Kirchengeschichte ist es immer schief gegangen, wenn die Päpste sich wie Politiker gefühlt oder benommen haben. In der Politik geht es um die Macht von Menschen über Menschen, in der Kirche Christi um den Dienst am ewigen Heil der Menschen, zu dem der Herr Menschen zu seinen Apostel berufen hat. Der Papst sitzt auf der Cathedra Petri. Und wie Simon Petrus im Neuen Testament mit allen Höhen und Tiefen dargestellt wird, das soll jedem einzelnen Papst Stärkung und Warnung sein.

Im Abendmahlssaal sagt Jesus vor seiner Passion zu Petrus: „Wenn du dich bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32), nämlich im Glauben an „Christus, den Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Nur so ist er der Fels, auf den Jesus seine Kirche baut, die die Pforten der Hölle nicht überwinden können.

Archivfoto Kardinal Müller (c) Bistum Sandomierz


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