26. September 2023 in Chronik
Christoph Markschies in der "Welt": Kirche sollte keine NGO werden, die mit politischen Zielen verbunden ist.
Linz (kath.net/pb) „Die Kirche muss vermeiden, zu einer NGO zu werden, die primär mit politischen Zielen verbunden wird. Sie muss vielmehr ihren spezifischen theologischen und kirchlichen Beitrag zur Lösung der Klima-Krise leisten.“ Das sagt der Theologe Christoph Markschies im Interview mit der deutschen Zeitung „Welt“.
Er warnt davor, politische und kirchliche Fragen miteinander zu vermengen. Aus der Bibel könne man keinen Auftrag zum Klima-Aktivismus ableiten. „Aus der Bibel direkt eine Handlungsanweisung abzuleiten, wäre ein Missverständnis der Orientierungsfunktion von biblischen Texten“, präzisiert der Theologe.
„Die Bibel kann uns darüber orientieren, wie wir mit der Schöpfung umgehen sollten. Sie kann uns zeigen, dass Schöpfung ein Geschenk ist, man dankbar für sie sein sollte und achtsam mit ihr umgehen muss. Die Bibel kann auch darüber orientieren, dass Schöpfung grausam werden kann, wenn wir verantwortungslos mit ihr umgehen. Das ist aber kein schnurgerader Auftrag zum Klima-Aktivismus.“
Auf die Fragen, wozu die Gesellschaft die Kirche überhaupt noch brauche, meint Markschies: „Sie braucht die Kirche jedenfalls nicht, um über den Klimawandel aufzuklären.“ Dies sei Aufgabe der Wissenschaft. Die Kirche habe eine viel grundlegendere Funktion. „Die meisten Menschen fragen sich, wie sie nach den Maßstäben leben können, die sie für richtig halten, und wie sie damit umgehen sollen, dass sie das nicht immer können. Die Kirche ist ein Angebot, realistisch mit seinem Scheitern umzugehen.“
Jeder gute Gottesdienst beginne mit der Thematisierung von Sünde und Schuld und deren Vergebung. „Die Kirche ermöglicht mir, neu zu beginnen, sie rüstet mich mit Dingen aus, die es mir erlauben, mit Fehlern umzugehen, sie stärkt und tröstet mich. Im Idealfall gehe ich fröhlicher und mutiger aus der Kirche heraus.“
Auf die Frage, wie politisch Kirche sein dürfe, meinte Markschies, es gelte zu unterscheiden, „mit welcher Autorität man gerade spricht – ob mit der Autorität eines Zeitgenossen, der über seine eigenen Entscheidungen redet, oder mit jener eines Theologen, der die biblische Schrift auslegt“. Kirche sei „immer politisch. Jede Aussage hat ihre politische Dimension. Aber entscheidend ist, dass man differenziert und erkennbar macht, mit welcher Autorität man welche Aussage trifft.“
Problematisch seien „unpräzise Abgrenzungen“, unterstreicht der Theologe. „So wie die Wissenschaft gelegentlich politische Optionen mit wissenschaftlicher Autorität vorträgt, trägt auch die Kirche politische Sachverhalte mit kirchlicher Autorität vor. Diese Tendenz zur Diffusion ist ein Problem, das durch die Individualisierung der Gesellschaft verstärkt wird.“
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