28. September 2023 in Interview
Kardinal Müller im kath.net-Interview über die Bischofssynode: „Ich hoffe, dass die Wahrheit Christi die Richtung der Synode bestimmt und nicht ein gruppendynamischer Prozess die Teilnehmer in die Richtung einer antichristlichen Anthropologie führt…“
Vatikan (kath.net) „Nur mit größtmöglicher Transparenz kann der Eindruck vermieden werden, dass die Arbeitsmethoden im Dienst einer Agenda stehen, deren Resultat mit fragwürdigen Methode herbei manipuliert wird. Das Gerede von der Freiheit, die durch wasserdichte Abschottung von den Medien, die man aber selbst heimlich füttert, garantiert werden solle, durchschaut doch jeder, auch wenn er sich – wie das Kind im Gleichnis – nicht zu sagen traut, dass der Kaiser nackt ist.“ Das erläutert der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, im KATH.NET-Exklusiv-Interview über die bevorstehende weltkirchliche Bischofssynode. Müller ist Teilnehmer der Bischofssynode (siehe Link).
kath.net: Herr Kardinal Müller: Mit welchen Fragen – und Hoffnungen! – werden Sie zur Synode über die Synodalität hingehen?
Kardinal Müller: Ein Bischof ist aufgrund seiner Weihe Nachfolger der Apostel. Damit ist er beauftragt, im Namen Jesus Christi, des Herrn und Hauptes der Kirche, und „kraft seines leitenden Geistes“ (aus dem Weihegebet für die Bischöfe bei Hippolyt, Traditio Apostolica 3) das priesterliche Volk Gottes als Hirte zu leiten, mit dem Evangelium zu lehren und mit den Sakramenten der Gnade zu heiligen (Lumen gentium 20). „Mit der apostolischen Sukzession haben die Bischöfe das zuverlässige Charisma der Wahrheit (charisma vertitatis certum) empfangen, wie es Gott gefiel. Aber alle anderen, die von dieser Sukzession, die bis auf den Ursprung zurückgeht, nichts wissen wollen und sich beliebig irgendwo versammeln, sind verdächtig, entweder Häretiker zu sein, die Übles im Sinne haben, oder Schismatiker.. Alle diese Leute verlassen die Wahrheit.“ (Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien IV 26, 2).
Ich hoffe, dass die Wahrheit Christi die Richtung der Synode bestimmt und nicht ein gruppendynamischer Prozess die Teilnehmer in die Richtung einer antichristlichen Anthropologie führt, welche die von Gott geschaffene Zweigeschlechtlichkeit des Menschen in Frage stellt. Dieser eklatante Widerspruch zum göttlichen und katholischen Glauben wird gerne verschleiert mit einer angeblichen Pastoral für Personen mit irgendwelche „erotischen Vorlieben“.
Der Maßstab christlichen Denkens ist der Mensch, um dessentwillen der Sohn Gottes Mensch geworden ist und uns durch seinen Tod am Kreuz von Sünde und Tod erlöst hat. Denn den Propagandisten dieser wissenschaftsfeindlichen- und offenbarungswidrigen Ideologien geht es in Wirklichkeit nicht um das menschliche Glück und das ewige Heil der Menschen, die nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen sind, sondern um die Relativierung und damit Zerstörung der natürlichen und sakramentalen Ehe von Mann und Frau. Eine fingierte „Segnung“ von gleichgeschlechtlichen Paaren ist nicht nur eine Blasphemie gegen den Schöpfer von Welt und Mensch, sondern auch eine schwere Sünde am Heil der betroffenen Menschen, denen man die Gottgefälligkeit eines sexuellen Handelns außerhalb der Ehe vorgaukelt, das im geoffenbarten Wort Gottes als schwere Sünde gegen das sechste Gebot bezeichnet wird (Röm 1, 26f; 1 Kor 9,-11).
Christen verschanzen sich nicht hinter glaubensfeindlichen Ideologien und willkürlich-positivistischen Gesetzgebungen, die offensichtlich der an der natürlichen und geoffenbarten Wirklichkeit orientierten Vernunft widersprechen. Die Jünger Christi orientieren sich furchtlos am Wort Gottes, das im Munde des Apostels so lautet: „Hütet euch vor der Unzucht! Jede andere Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?“ (1Kor 6, 18f).
kath.net: Auf welche Teilnehmer freuen Sie sich, ihnen wieder zu begegnen?
Kard. Müller: Auf die vielen Bischöfe, Priester und Laien, denen ich im Leiden und Arbeiten für den katholischen Glauben verbunden bin.
kath.net: Wollen Sie versuchen, Redezeit im Plenum zu erhalten?
Kard. Müller: Leider ist bis jetzt die Arbeitsweise der Synode nicht klar. Richtig wäre es, wenn alle (!) Bischöfe ohne Ausnahme wenigstens einmal 3- 5 Minuten im Plenum zu Worte kommen. Die Arbeit in den Kleingruppen (circuli minores) solle dies ergänzen und konkretisieren und der Vorbereitung auf das Schlussdokument dienen, das in seinen einzelnen Punkten zur Abstimmung vorgelegt wird.
Nur mit größtmöglicher Transparenz kann der Eindruck vermieden werden, dass die Arbeitsmethoden im Dienst einer Agenda stehen, deren Resultat mit fragwürdigen Methode herbei manipuliert wird.
Das Gerede von der Freiheit, die durch wasserdichte Abschottung von den Medien, die man aber selbst heimlich füttert, garantiert werden solle, durchschaut doch jeder, auch wenn er sich – wie das Kind im Gleichnis – nicht zu sagen traut, dass der Kaiser nackt ist.
kath.net: Welchen Sprachzirkel werden Sie sich anschließen?
Kard. Müller: Ich wurde einem italienischen Sprachzirkel zugeteilt, bin aber im Kontakt mit den Teilnehmern in allen offiziellen Synodensprachen.
kath.net: Welche Anliegen werden Sie – auch im Namen konkreter Gläubiger, die mit Ihnen in Kontakt stehen – versuchen einzubringen?
Kard. Müller: Angesichts der Diskussionen im Vorfeld und der falschen Erwartungen auf eine Korrektur der Offenbarung, die unfehlbar präsent ist in der dogmatischen Lehre der Kirche, im Sinne des naturalistischen Menschenbildes, in dem der Mensch eben nur das zufällige Produkt einer blinden Entwicklung ist, statt eines denkenden Geistes, der die Welt im Licht von Gottes Schöpfung und Heilswillen versteht, möchte ich besonders hinweisen auf das II. Vatikanum mit der Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung Dei verbum.
Wir bleiben nur katholisch, wenn wir glauben und bekennen, dass Gott sich ein für allemal in Jesus Christus, seinem Sohn, geoffenbart hat „voll der Gnade und Wahrheit.“ (vgl. Joh 1, 14-18).
„Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte so hat er in Güte verfügt – für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden. Darum hat Christus der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet, den Aposteln geboten, das Evangelium, das er als die Erfüllung der früher ergangenen prophetischen Verheißung selbst gebracht und persönlich öffentlich verkündet hat, allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen. Das ist treu ausgeführt worden, und zwar sowohl durch die Apostel, die durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergaben, was sie aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder was sie unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten, als auch durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration des gleichen Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben. Damit das Evangelium in der Kirche für immer unversehrt und lebendig bewahrt werde, haben die Apostel Bischöfe als ihre Nachfolger zurückgelassen und ihnen ‚ihr eigenes Lehramt überliefert‘. Diese Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift beider Testamente sind gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist.“ (Dei verbum 7).
Der an Gott glaubende Mensch unterscheidet sich fundamental von seinem ideologisch (jakobinisch, kommunistisch, sozialdarwinistisch, nationalsozialistisch, wokistisch) verführten Zeitgenossen dadurch, dass er sich versteht als Hörer des Wortes Gottes. Er bekennt sich zu Jesus, dem einzigen Lehrer der Wahrheit (Mt 23, 10; Joh 14,6) und „Urheber des Lebens“ (Apg 3,15). „ Und in keinem anderen Namen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen. (Apg 4, 12).
Gegen die historischen und modernistischen Gnostiker von heute stellte schon Irenäus von Lyon, dem Papst Franziskus den Ehrentitel „Doctor ecclesiae“ zukommen ließ, im 2. Jahrhundert fest, dass mit Christus die volle Wahrheit und alle Neuheit in die Geschichte eingetreten ist, die von keiner (idealistischen oder materialistischen) Philosophie und menschlichen Wissenschaft und Technik und Technologie (der Agenda 2030) überboten werden kann. „Ich widerspreche allen Häretikern… Lest das Evangelium, das uns von den Aposteln gegeben wurde, doch genauer, und lest die Propheten doch genauer. Ihr findet darin das gesamte Wirken, die ganze Lehre und die ganze Passion unseres Herrn vorausgesagt. Solltet ihr aber auf die Idee kommen zu fragen: ‚Was hat der Herr denn dadurch Neues gebracht, dass er kam?‘ So nehmt zur Kenntnis, dass Christus nur Neues brachte. Gerade das wurde nämlich angesagt, dass Neues kommen würde, um den Menschen zu erneuern und zu beleben.“ (Gegen die Häresien IV, 34, 1).
Der Christ von heute verortet sich nicht (horizontalistisch) auf dem ideologischen und politischen Spektrum von links bis rechts. Er lässt sich auch nicht im Schema des Fortschrittsglaubens als konservativ oder progressiv klassifizieren.
Christ ist derjenige, der mit Verstand und Willen Gott den „Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1, 5) leistet und seiner Offenbarung willig zustimmt.“ (vgl. Dei verbum 5).
Christen im Sinn des katholischen Glaubens können nur jene sich nennen die „der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert und im Besitze des Geistes Christi sind, die ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft.“ (Lumen gentium 14).
Archivfoto: Kardinal Müller bei seiner Kardinalserhebung (c) Bistum Regensburg
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