Eine Geschichte in der Geschichte. Abwarten, wissend um das Unkraut, hoffend und wartend in Geduld

29. September 2023 in Aktuelles


In dieser Krise des Glaubens hätte es der Lehrer und Hirten bedurft, die in solider Kenntnis der authentischen Lehre der Kirche den Gläubigen den rechten Weg hätten weisen können. Von Kardinal Walter Brandmüller


Rom (kath.net/wb/as) Nun, also, gehört der Frankfurter „Synodale Weg“ der Geschichte an. Davon, ob er aber – oder wie auch immer – Geschichte machen wird, wird Entscheidendes für die Zukunft der Kirche in Deutschland abhängen. Noch ist eine historische Würdigung dieses Unternehmens nicht möglich. Einzelne Aspekte sind jedoch sichtbar.

Warten wir darum zunächst auf die Bischöfe, denen von vornherein durch das Statut des Synodalen Weges eine Stellung eingeräumt wurde, die mit ihrem Amt und ihrer Sendung nicht vereinbar war. Dass sie dennoch an dem Unternehmen teilnahmen, anstatt unter diesen Umständen ihre Mitwirkung von vornherein zu versagen, ist nicht leicht zu verstehen.

Nach bisherigen Erkenntnissen sind von den 27 Oberhirten etwa sieben als dem authentischen katholischen Glauben treu zu bezeichnen. Nahezu ebenso viele, nämlich sechs, haben sich eindeutig als irrgläubig, also als Häretiker erwiesen, da sie mehrfach und öffentlich z. B. die Priesterweihe für Frauen, die Spendung der Eucharistie an Personen, die im Ehebruch leben, für erlaubt erklärt und gefördert haben etc.

Wegen der Öffentlichkeit derartiger Stellungnahmen und wegen der Entschiedenheit, mit der an solchen Thesen ungeachtet korrigierender päpstlicher Erklärungen festgehalten wurde, haben solche Bischöfe sich die Exkommunikation latae sententiae zugezogen und damit ipso facto automatisch Amtsverlust erlitten. Die Frage bleibt nur, warum der Heilige Stuhl daraus nicht die Konsequenzen gezogen hat. Mag sein, dass man ihnen so den etwaigen Rückweg nicht erschweren wollte.

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Nun fragen nicht wenige, wie es zu einer solchen für die Kirche – hier ist nur von Mittel- und Westeuropa die Rede – existenzbedrohenden Situation kommen konnte. Beim Versuch einer Antwort mag ein Blick auf das Geburtsjahr der heute im Amt befindlichen deutschsprachigen Bischöfe genügen. Der älteste von ihnen, 1948 geboren, war gerade zwanzig Jahre alt, als auf dem Essener Katholikentag des „Revolutionsjahres“ 1968 jener wütende Proteststurm gegen Papst Paul VI. tobte, dessen Enzyklika Humanae vitae u. a. die sittliche Unerlaubtheit künstlicher Empfängnisverhinderung festgestellt hatte. Von den deutschen Moraltheologen waren es damals nur zwei, die die Enzyklika verteidigten. Die meisten deutschen Bischöfe waren zu eben dieser Zeit noch Studenten, in der – wenigstens in den deutschsprachigen Ländern – von einer ebenso wissenschaftlich hochstehenden wie lehramtstreuen Theologie vielfach nicht mehr die Rede sein konnte. Wer damals dennoch von der Dreieinigkeit Gottes, von Gottheit, Auferstehung Jesu Christi, von der Jungfräulichkeit Mariens etc. zu sprechen wagte, war in der Zunft verfemt und wurde bestenfalls mitleidig belächelt.

Es ist dem großartigen, umfassenden Werk von Georg May, 300 Jahre gläubige und ungläubige Theologie, 32021, zu entnehmen, in welchem Umfang Glaubenstreue wie wissenschaftliche Qualität zusammengebrochen waren.

Noch auf dem II. Vatikanischen Konzil hatten deutsche Theologen – darunter der junge Joseph Ratzinger – eine bedeutende Rolle gespielt. Bald aber war die nach Weltkriegsende entfaltete Blüte der deutschen Theologie verwelkt.

Was aber ergibt sich daraus? Viele, wenn nicht die Überzahl der heute im Amt befindlichen Bischöfe, sind mit einer unvollständigen, wenn nicht sogar irrgläubigen Ausbildung in Amt und Würden gekommen und zu Lehrern des Glaubens berufen worden, in einer Zeit, da längst die Grundlagen des Christentums in Frage gestellt wurden. Wie sollte da ein Bischof, dem das im klassischen Theologiestudium vermittelte solide Wissen um Dogma und Moral fehlte – wie sollte er sich im Durcheinander von Theorien, Ansätzen und Meinungen nicht unsicher geworden sein?

Schließlich mochte er befürchten, zu den „Ewig-Gestrigen“ gezählt zu werden, wenn er nicht dem Drängen derer nachgab, die meinten, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren. Wer mochte auch – angesichts der Aggressivität einer Pressuregroup von Kirchenfunktionären, die im doppelten Sinn Laien – also weder theologisch gebildet noch geweiht – waren, deren Druck widerstehen?

In dieser Krise des Glaubens hätte es der Lehrer und Hirten bedurft, die in solider Kenntnis der authentischen Lehre der Kirche den Gläubigen den rechten Weg hätten weisen können. Da es eben daran fehlte, nahmen Glaubensverlust und Kirchenaustrittszahlen dramatische Ausmaße an.

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In dieser mehr als besorgniserregenden Lage der Kirche im deutschen Sprachraum mögen nun die „Ritter des Absoluten“ ein hartes Eingreifen des Heiligen Stuhles fordern etc. Aber: was wären die Folgen?

Einen besseren Weg weist der Herr mit seinem Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13, 24ff.), mit dem Jesus seinen Jüngern eine weise Lehre erteilt: Wie sollte ein Bauer mit dem Unkraut auf seinem Acker umgehen, das, während er schlief, ein Feind auf den Acker gesät hatte?

Die Antwort Jesu ist zeitlos gültig: Er zügelt den Eifer der Knechte, die das Unkraut ausreißen und verbrennen wollten. „Lasst beides wachsen bis zur Ernte, damit ihr nicht mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißt.“ Dann mögen sie das Unkraut sammeln und verbrennen, den Weizen aber in die Scheune bringen.

Auch heute führt selbst klares, konsequentes Handeln nicht selbstverständlich zum Ziel. Es gilt, den Kairos, den rechten Augenblick, abzuwarten, wissend um das Unkraut, hoffend und wartend in Geduld. Geduld aber ist nicht ein resignierend den Dingen ihren Lauf lassen, sondern in der Hoffnung auf das Eingreifen des Himmels unter der Last des Augenblicks treu die Last und Hitze des Tages zu ertragen. „Maranatha! Amen, komm Herr Jesus!“.

 


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