18. Oktober 2023 in Kommentar
"Bischof Bätzing hat die mehrfache Mahnung von Papst Franziskus abgelehnt, bei allen kirchlichen Entscheidungen und insbesondere auf dem Synodalen Weg den Primat des Evangeliums zu beachten." Gastkommentar von Hubert Hecker
Limburg (kath.net) Bischof Bätzing hat die mehrfache Mahnung von Papst Franziskus abgelehnt, bei allen kirchlichen Entscheidungen und insbesondere auf dem Synodalen Weg den Primat des Evangeliums zu beachten. Nach Meinung des Bischofs soll die Kirche in Deutschland primär durch modernisierende Strukturreformen saniert und somit Evangelium und Evangelisierung hintangestellt werden. Eine der Struktur-Parolen lautet: Lai*innen an die Macht und an den Ambo!
In diesem Sinne ist im Bistum Limburg für Oktober wieder eine „Frauen*power-Predigtwoche“ geplant. Jeder soll bei der Predigt für alle mitmachen können, „egal ob weiblich, männlich oder divers“. Theologische Kompetenz, Bibel-, Glaubens- und Kirchentreue sind nicht gefragt.
Beliebigkeitspredigten… weil es einfach Spaß macht
Drei Frauen aus der Pfarrei Diezer Land wollen am ersten Oktobersonntag eine Trialog-Predigt halten. Warum die Ansprache zu dritt? „Weil es einfach mehr Spaß macht“ so die lapidare Auskunft einer der selbstermächtigten Spaß-Predigerinnen laut NNP vom 15. 7. 2023. Von der ernsthaften Verkündigung des Wortes Gottes durch Auslegung der hl. Schrift ist bei den drei Frauen keine Rede. Allenfalls wollen sie sich in der Predigtvorbereitung mit dem „jeweiligen Schrifttext oder einem Thema auseinandersetzen.“
Nach geltendem Kirchenrecht dürfen in der Eucharistiefeier nur Priester und Diakone predigen. Sie sind im Gehorsam gegenüber dem Bischof verpflichtet, in der Homilie das Evangelium glaubenstreu auszulegen. Für die Limburger Laienprediger dagegen gibt es von Seiten des Bistums keinerlei Verpflichtungen zu einer evangeliengemäßen Ansprache. Sie können beliebig aus ihren eigenen subjektiven „Lebens- und Glaubenserfahrungen“ reden.
Solche gott- und bibelvergessenen Beliebigkeitspredigten konnte man schon bei der letztjährigen Predigtwoche hören. Entweder wurde die Evangeliumsauslegung ganz vernachlässigt, der Bibeltext kirchenpolitisch instrumentalisiert oder der geistliche Sinn der Bibelperikope verfälscht. Letzteres geschah in zwei laienhaften Dialogpredigten in einer Pfarrei des Westerwaldes.
Bibelverfälschender Artikel in der Kirchenzeitung
Auch im SONNTAG, der Kirchenzeitung des Bistums Limburg, von Laien redigiert, finden sich immer wieder bibel- und glaubensverfälschende Artikel. In der Ausgabe vom 11.12.2022 war ein befremdlicher Kommentar zu dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen aus dem Evangelium nach Matthäus zu lesen. Bekanntlich nehmen die fünf klugen Jungfrauen für die gelegentlich vorkommende Wartezeit bis zum Eintreffen des Bräutigams Ölreserven für ihre Lampen mit, die fünf törichten Frauen verzichten leichtsinnig darauf. Daher müssen sie sich nachts im Ort Öl nachkaufen, verpassen dadurch aber die Ankunft des Bräutigams. Sie stehen bei ihrer Rückkehr vor der verschlossenen Tür des Festsaales. Auf ihre Einlassbitte werden sie vom Bräutigam abgewiesen mit den Worten: ‚Ich kenne euch nicht‘.
Die traditionelle Auslegungstheologie sieht in dem ausreichenden Vorrat von Lampenöl bei den klugen Jungfrauen die stetige Ansammlung von geistlichem Rüstzeug und auch guten Werken in lebenszeitlicher Perspektive. Die törichten Jungfrauen dagegen glaubten wohl, sich ohne diese Mühen der geistlichen Vorbereitung auf das Kommen des Herrn durchs (christliche) Leben lavieren zu können. Diese klassische Auslegung der Perikope bestätigte auch Papst Franziskus in seiner Mittwochskatechese vom 8. November 2020.
Die Mahnung der biblischen Gleichnisgeschichte lautet, dass beide Lebenshaltungen, die ernsthafte Sorge und Mitwirkung am Heil wie auch die laue und leichtsinnige Lebensführung, am Schluss mit entsprechenden Konsequenzen rechnen müssen.
Der Kirchenzeitungsredakteur macht keine Anstrengungen, den geistlichen Sinn des Gleichnisses zu verstehen. Er stößt sich an dem vermeintlich unbarmherzigen Ausschluss der törichten Jungfrauen: Dass ihnen Licht und Lampenöl ausgegangen waren, so meint er, lag doch vor allem an der elend langen Warterei auf den Bräutigam! „Immerhin gaben sie sich Mühe und versuchten in der Nacht noch Öl zu bekommen.“ Im Übrigen seien doch alle Jungfrauen pünktlich zum Treffpunkt erschienen. Wer zu spät kam, war allein der Bräutigam!
Für den Artikelschreiber steht die Frage im Raum: Werden mit der harten Ausschluss-Geschichte der Bibel nicht noch mehr Katholiken von der Kirche verprellt? Wäre gerade in der heutigen Glaubenskrisenzeit nicht ein neuer fair-söhnlicher Schlussteil mit einer inklusiven Botschaft dringend notwendig?
Die Kirchenzeitung findet in einer modernen griechischen Publikation den gesuchten ‚Verbesserungsvorschlag‘ für einen anderen Gleichnisausgang. Darin erzählt der romanhaft ausgestaltete Phantasie-Jesus die Schlusspassage nach heutigem Gusto zeitgeistgemäß inklusiv: „Der Bräutigam lässt die Tore öffnen und die Jungfrauen eintreten mit den Worten: Alle sollen essen und trinken und fröhlich sein. Lasst die gedankenlosen Jungfrauen hereinkommen und sich die Füße waschen, denn sie sind weit gelaufen.“
Mit der Manipulation der Schlusspassage hat die Kirchenzeitung die biblische Lehrgeschichte aus dem Evangelium in ihrer substantiellen Botschaft verändert, die Bibelfälscher haben die Originalaussage praktisch ins Gegenteil verkehrt. Die kirchliche Zeitung lehrt mit ihrer neu erfundenen Gleichnisgeschichte „ein anderes Evangelium“, als es die apostolische Tradition überliefert (vgl. Gal 1,9), jedenfalls nicht das Evangelium Jesu Christi. Papst Franziskus bezeichnete ein solches Vorgehen in seiner letztjährigen Weihnachtsansprache an die Kardinäle als „Häresie“.
Was ist der theologische Kontext für eine solche grundstürzende Bibelverfälschung?
Schon seit Jahrzehnten ist die Theologie der Allerlösung oder Allversöhnung Gottes tief in die Lehre der Kirche eingedrungen. Auf der Basis der Lehre des einflussreichen Theologen Karl Rahner argumentieren heutige Kirchenleute etwa so: Gott sei die absolute Liebe, der bedingungslos Liebende. Gott wolle das Heil aller Menschen und deshalb ziehe er alle Menschen an sich und zu sich in den Himmel. Es entspreche seinem liebenden Wesen, niemanden vom Himmel auszuschließen oder abzuweisen. Deshalb müsse die Hölle, falls es sie gebe, leer sein. Für den allerlösenden Gott gibt es kein Gericht, keine Drohung mit Ausschluss und Strafe, aber auch keine besondere Belohnung für gute Werke. „Wer immer strebend sich bemüht, den werden wir erlösen“ singt der Chor der Engel in Goethes Faust II. Alle Menschen kommen in den Himmel, lautet die neue Heilslehre, sofern sie ihrem eigenen Gewissen folgen.
Die Allversöhnungstheologie erklärt Gott zum Inbegriff von Toleranz zu menschlichen Schwächen und Sünden sowie Akzeptanz von allen menschlichen Lebensweisen: alles verstehen, alles verzeihen, alles akzeptieren, was in der Menschenwelt so vorkommt.
Nach diesem hermeneutischen Prinzip der göttlichen Alltoleranz müsste im Blick auf das Evangelium etwa die Hälfte der biblischen Geschichten und Passagen als widersinnig und störend erklärt und deshalb umgedeutet, umgeschrieben oder einfach weggelassen werden:
- wo Jesus und die apostolische Tradition Gebote und Weisungen geben,
- wo sie Anforderungen und Aufgaben stellen, vom Ausschluss des Reiches Gottes sprechen, bei der Forderung von Umkehr aus sündigem Leben, zur Nachfolge Christi (auch im Kreuztragen), der Ausrichtung auf den „schmalen Weg“ des Heils und
- wo von guten Werken und Lohn im Himmel gesprochen wird.
Noch ärgerlicher sind für die Allerlösungstheologen die Worte Jesu zu Gericht sowie Droh- und Strafreden. An etwa zwei Dutzend Stellen redet Jesus wie die Gerichtspropheten des Alten Testaments von Ausschlusskonsequenzen am Lebensende. Er spricht zahlreiche Wehe-Rufe aus, droht wie bei dem Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen mit verschlossenen Türen, von dem Zustand des Heulens und der Finsternis, vom Mühlstein am Hals und mehrfach vom Höllenfeuer. Nach Exegetenmeinung gehören diese Stellen von angeblich „nachösterlicher Gemeindebildung aus pastoraler Angstmache“ in die Tonne.
Mahnung zu Umkehr und Hinwendung zur Gottes- und Nächstenliebe
Klaus Berger gibt in seinem Buch „Die Bibelfälscher“ wichtige hermeneutische Hinweise zu diesen Bibelstellen:
Alle jesuanischen Drohworte sind keine Straf- oder Exekutionsberichte, sondern haben mahnenden und warnenden Charakter. Sie wollen auf den Ernst der Nachfolge Christi hinweisen und stehen in einem missionarisch-werbenden Zusammenhang mit dem Kommen des Reiches Gottes: Noch haben die Zuhörer und Sünder Zeit für Umkehr und Hinwendung zu Gott und dem Guten. Aber im Falle einer dauernden Verweigerung gibt es den Zeitpunkt, wo ihnen nicht mehr zu helfen ist – wie wenn jemand trotz Mahnungen nicht zum Arzt geht. Jesus gebraucht die „sprachliche Form der paradoxen Intervention, nämlich die warnende Verkündigung eines Gerichtsurteils, damit ein zu beklagendes Fehlverhalten nicht eintritt, nicht vollzogen wird“.
Bleibt es aber dabei nicht doch bei Drohbotschaften und Angstmacherei, wenden die Gegner dieser Positionen ein. Ja, wenn Menschen sich selbst ins Aus bringen, muss man davor in der Tat Angst haben. Wenn gutes Zureden und Ermahnungen ausgeschlagen werden, wenn man mit der Umkehr wartet, bis es zu spät ist, dann kann nur Drohung und Angstmachen aus Liebe helfen, um Schlimmstes zu verhindern, mahnt Klaus Berger. Eine menschliche Katastrophe droht dann einzutreten, wenn ein Mensch sich im Willen zur Wahrheit und der Bereitschaft zur Liebe – und damit von Gott - immer weiter entfernt. Die Gottferne führt zum Ausschluss aus dem Reich Gottes oder Himmel oder Hochzeitsmahl, wie im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen. Der Ausschlusszustand, der in der Bibel unter anderem mit den Metaphern Finsternis und Feuer umschrieben wird, könnte auch mit eisiger Gottferne bezeichnet werden: ein Mensch ‚gefriert‘ in seiner Egoismushaltung.
PS: Auf den kritischen Hinweis zu dem bibelverfälschenden Artikel in der Limburger Kirchenzeitung reagierte Bischof Bätzing rechtfertigend: Die „geistliche Umdeutung“ der Gleichnisgeschichte durch eine romanhafte Szene könnte doch auch – wie andere „literarische Verfremdungen“ – dazu hinführen, biblische Geschichten und ihren „springenden Punkt“ besser zu erfassen. Ja, könnte! Aber in diesem Fall nutzte der Kirchenzeitungsautor die literarische Verfremdung, um den Sinn und die Lehre aus dem biblischen Gleichnis ins Gegenteil zu verkehren. Wenn Bischof Bätzing den Hinweisgeber und die Aufdeckung einer Bibelfälschung als „eng gestrickt“ beschimpft, rechtfertigt er sie.
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