3. November 2023 in Kommentar
Wie groß auch die Finsternis sei — wir sind dem Licht nahe. Was macht es aus, ob Gott zu uns aus Dornen redet oder aus duftenden Blumen?“ - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmid
Regensburg (kath.net)
Wenn die Tage kurz werden, kälter und nebliger geht es mit der Laune der Menschen bergab. Spätestens am Allerseelentag stürzen Menschen innerlich in Schwermut und Trauer, die den ganzen November anhalten können, getriggert noch durch den Verzicht auf Sonne und Freude am Aufenthalt im Freien. Erst der Advent erheitert durch vielen Kerzenschein und Glühwein die Gemüter. Bis an Weihnachten den meisten endgültig wieder das Licht aufgeht.
Wie schwer fällt es uns Christen, die nie versiegende Lichtquelle anzuzapfen und unsern Blick mit Dankbarkeit auf Gott zu richten — ganz grundsätzlich, und besonders, wenn der Verlust von unseren Lieben uns nach unten drückt. Wie sollte es auch anders sein, wenn die Frau nach dem Tod ihres Mannes ums blanke Überleben kämpfen muss oder Eltern ihre Kinder verloren haben?
Es gehört schon einiges dazu, um dankbar dafür sein zu können, dass von uns fort gegangene Menschen bereits teilhaben dürfen am ewigen Hochzeitsmahl, umgeben von unfassbarer Schönheit, festlichem Leuchten und strahlendem Licht. Dass wir das Leben aus dem Blick auf die Ewigkeit betrachten müssen, ist so leicht dahergesagt. Und doch ist genau das der Anspruch. Die dunklen Monate laden uns ein, das Heute wieder mehr von der Ewigkeit her zu denken und zu leben.
Alles beginnt mit einer Entscheidung. Wie wäre es, wenn wir die Zeit bis Weihnachten nutzen, um das ewige Hochzeitsmahl und die Gemeinschaft der Heiligen im Kleinen schon mitzufeiern, indem wir uns üben im liebevollen Miteinander; wenn wir den Nächsten und dessen Bedürfnisse und nicht eigene Vorlieben im Blick haben, was oft (bewusst oder unbewusst) zu manipulativen und fordernden Verhaltensweisen führt. Nutzen wir die dunklen Monate, um bei gemütlichem Kerzenschein wieder Gesellschaftsspiele mit der Familie zu spielen, Geschichten zu lesen, sich auszutauschen, zu beten, zu lachen, uns zu versöhnen. Lassen wir Gott wieder bewusster das Herz der Familie sein, damit ein neues Licht aufgehen und in die Welt weitergetragen werden kann.
Ein Konvertit und Gemeindereferent, der inmitten von tiefster Dunkelheit das Licht gesucht und gefunden hat, ermutigte seine Mitmenschen, den Blick auf unsere Vollendung zu richten, „auf das Licht des Glaubens, auf das Licht der Ewigkeit“.
Der Mann hieß Steffen Erfort. Er hat die innere Freude in Voraussicht des Paradieses sowohl nach dem Verlust eines Kindes als auch in seiner Krebserkrankung gelebt und viel über das (göttliche) Licht nachgedacht. Die Gedanken, die Steffen am 5. November 2011 niederschrieb und die hier mit Genehmigung seiner Frau geteilt werden dürfen, erinnern an Franz von Sales, der sagte: „Wie groß auch die Finsternis sei — wir sind dem Licht nahe. Was macht es aus, ob Gott zu uns aus Dornen redet oder aus duftenden Blumen?“.
Steffen schrieb, die Naturwissenschaft wisse einiges zu sagen über das Licht. „Und doch bleibt es auch hier geheimnisvoll.“ Es gebe „Modelle, die es als Welle oder Teilchen erklären“. Man könne Licht messen und damit experimentieren. Das faszinierendste aber sein seine Geschwindigkeit. Während sich im All alles relativ zueinander bewege, bleibe die Lichtgeschwindigkeit konstant, so Steffen. Sie stelle, „obwohl von enormer Energie und Bewegung geprägt, doch einen konstanten Punkt dar, sogar so etwas wie einen Ruhepunkt, einen Bezugspunkt“, heißt es in seinem Text. Auch Jesus sei solch ein Bezugspunkt. Er sei nicht nur der Urheber des Lichtes und habe Licht ins Chaos und Ordnung in „Urflut“ und „Wasser“ gebracht, sondern sei selbst das Licht.
Mutter Teresa erklärte immer wieder, wie wichtig es sei, den Blick auf den eucharistischen Herrn zu richten, weil er das Licht sei. In den Slums seien sie und ihre Mitschwestern „das Licht der Güte Gottes für die Armen“ gewesen — von Gott entfachte leuchtenden Seelen gewissermaßen.
Das Licht, das uns diesseits erleuchtet und den Weg des Lebens ausleuchtet, ist dabei nur ein Abglanz dessen, der uns in der Ewigkeit erwartet. Aber, wie sagt der Kolosserbrief: „Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind“ — „und zu dem wir unterwegs sind“, ergänzte Steffen Erfort.
Dieses Licht könne in alle trüben November- und Wintertage hineinleuchten und uns daran erinnern, „dass das Licht des Tages, das künstliche Licht und sogar das Sonnenlicht nur ein schwacher Abglanz ist von dem Licht Gottes, das einmal alles andere überstrahlen wird und das jetzt schon unser Leben hell machen will“.
Und was braucht diese Welt mehr als dieses göttliche Licht, das allein die Herzen erleuchten und das Böse aus der Welt schaffen kann? Das kann kein noch so gruseliges, zuckerreiches Halloweenfest. Grusel und Hässlichkeit erheben die Seele nicht zum Herrn. Bei Gott gibt es nur Schönheit und Licht.
Steffen überlegte: „Vielleicht braucht unsere Welt, die sich dermaßen im Diesseits verliert, nichts anderes so dringend wie einen neuen Blick in diese lichtvolle Ewigkeit, in der sich alle Probleme lösen können.“ Christus sei das Licht der Welt und „wir dürfen als kleine Flämmchen mitleuchten und die Welt ein bisschen heller machen, wenn wir uns als sein Werkzeug — oder als sein Lämpchen — zur Verfügung stellen“.
Aus diesen Gedanken heraus formulierte er ein Gebet, das auch uns Wegweiser und Begleiter nicht nur in dunklen Zeiten sein kann:
„Herr Jesus, du bist das Licht der Welt. Die Welt ist dunkel und wendet sich ab von deinem Licht. Wir aber brauchen dein Licht; das Licht des Glaubens, das Licht der Wahrheit, das Licht der Liebe, das Licht der Hoffnung. Strahle du dein Licht durch alles Dunkel immer wieder neu in unsere Welt. Und vollende unsere Welt, wenn die Zeit gekommen ist ganz in deinem Licht. Mach unsere Herzen hell, damit wir für dich leuchten können und deinem kommenden Licht entgegen gehen. Amen.“
Was Steffen nicht wusste, als er all diese Gedanken zu Papier brachte: Er selbst sollte fünf Tage später zu diesem Licht in besonderer Weise unterwegs sein. Er erlag seiner Erkrankung und starb am 10. November 2011. Seine Frau sagte, sein Todestag sei ein besonders schöner, vor Licht strahlender Tag gewesen. Sie hatte das Requiem als Auferstehungsfeier geplant, nicht ahnend, dass der Himmel diese Feier auf lichtvolle Weise begleiten sollte. Was für eine Bestätigung und wunderschöne Antwort Gottes auf seine Reflexionen — ein liebevoller Wink aus dem Himmel und eine Ermutigung für uns alle.
© 2023 www.kath.net