Zahl von OSZE dokumentierten Hassverbrechen in Europa deutlich gestiegen

17. November 2023 in Weltkirche


Beobachtungsstelle OIDAC: 75 Prozent mehr Brandstiftungen in Kirchen - Für Europa verzeichnet der ODHIR-Report für 2022 an die 2.700 antisemitisch motivierte Vorfälle. 792 der gemeldeten Hassverbrechen richteten gegen Christen


Warschau/Wien (kath.net/KAP) Mehr als 8.000 Hassverbrechen gegen Minderheiten sowie Gläubige verschiedener Religionen hat das Menschenrechtsbüro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das vergangene Jahr dokumentiert. Laut dem am Donnerstag in Warschau veröffentlichten neuen "Hate Crime Data"-Bericht für 2022 ist die Zahl antisemitisch, fremdenfeindlich oder anti-christlich motivierter Hassverbrechen in Staaten in Europa, Nordamerika und Zentralasien zuletzt gestiegen. 46 der insgesamt 57 OSZE-Länder haben Daten für den jährlich veröffentlichte Report gemeldet. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen melden für den Bericht Informationen an ODIHR.

Für den Beobachtungszeitraum 2022 verzeichnet der Bericht 8.106 gegen Menschen und Einrichtungen gerichtete Vorfälle. Im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 1.000 auf 3.575 Fälle gestiegen ist die Zahl antisemitisch motivierter Hassverbrechen, die gemeldet wurden (2021: 2.531). 852 Hassverbrechen (2021: 775) richteten sich gegen Christen bzw. christliche Gotteshäuser, Symbole und Einrichtungen. Unter "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" ordnet der Report 2.510 (2021: 2.021) dokumentierte Vorfälle ein. In 377 Meldungen ging es um die sexuelle Orientierung von Menschen (2021: 71). Gegen Muslime verzeichnet der Report 339 (2021: 289) Hassverbrechen. Weitere dokumentierte Vorfälle richteten sich gegen Menschen mit Behinderungen, die Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti bzw. Angehörige anderer Religionsgemeinschaften.

Rund 4.500 Fälle aus dem Bericht sind deskriptiver Art, der Rest stammt aus Polizeistatistiken aus einem Teil der teilnehmenden OSZE-Staaten. Für Europa - also abzüglich der Meldungen aus den USA und Kanada - verzeichnet der ODHIR-Report für 2022 an die 2.700 antisemitisch motivierte Vorfälle. 792 der gemeldeten Hassverbrechen richteten gegen Christen.

"Hassverbrechen sind besonders schädlich, weil sie sich gegen die Opfer richten, nur weil sie so sind, wie sie sind", erklärte ODIHR-Direktor Matteo Mecacci zur Veröffentlichung der Daten. Behörden müssten sich stärker darum bemühen, Hassverbrechen zu verfolgen. "Auf diese Weise erkennen sie auch öffentlich die Auswirkungen solcher Verbrechen auf die Opfer an und stärken deren Vertrauen in das Strafrechtssystem", so Mecacci. Der neue "Hate Crime Data"-Report sollte am Donnerstag und Freitag auch bei einer Tagung am ODHIR-Sitz in Warschau vorgestellt werden.

Viele Brandstiftungen in Kirchen

Gesammelt wurden die Daten für den OSZE-Bericht von zivilgesellschaftlichen Gruppen, dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und verschiedenen OSZE-Missionen. Wesentlich beteiligt ist auch das in Wien angesiedelte "Observatory On Intolerance And Discrimination Against Christians In Europa" (OIDAC), das jährlich seine gesammelten Daten für den Report bereitstellt.

Der ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte OIDAC-Europe-Jahresbericht verzeichnet für Europa einen Anstieg von 44 Prozent bei christlichen Hassverbrechen: Den Angaben zufolge wurden 2022 exakt 748 Hassverbrechen mit anti-christlichem Hintergrund dokumentiert. Im Jahr davor waren es 519. Die Fälle reichen von Vandalismus bis hin zu tätlichen Angriffen gegen Christen.
Um 75 Prozent zugenommen hat laut OIDAC die Zahl der dokumentierten Brandstiftungen in Kirchen - von 60 im Jahr 2021 auf 105 im Jahr 2022. Besonders betroffen ist demnach Deutschland, gefolgt von Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich. Seit im Internet ein Slogan mit den Worten "Die einzige Kirche, die erleuchtet, ist jene, die brennt" viral gegangen ist, sei die Zahl der Brandstiftungen in Kirchen signifikant gestiegen, machte OIDAC-Europe-Geschäftsführerin Anja Hoffmann aufmerksam. "Solche Aufrufe zu Gewalt gegen Christen dürfen nicht einfach so hingenommen werden", betonte Hoffmann.

Außerdem bekannten sich laut "OIDAC Europe" häufiger radikalisierte Mitglieder von politischen, ideologischen oder religiösen Gruppen zu den Verbrechen. Immer häufiger fänden sich Social-Media-Postings, in denen sich radikale Gruppen stolz zu den Verbrechen bekennen, so Hoffmann.

Neben Gewaltverbrechen und Vandalismus wird laut der Beobachtungsstelle etwa auch das Recht auf Religionsfreiheit gegenüber Christen immer wieder eingeschränkt. Die Diskriminierungen reichten vom Verlust von Arbeitsstellen und Suspendierungen bis hin zu gerichtlichen Verfahren gegen Christen, die ihre religiösen Überzeugungen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck brachten.

Polak: "Äußerst besorgniserregend"

Besorgt äußerte sich am Donnerstag auch die OSZE-Beauftragte und Wiener Theologieprofessorin Regina Polak. Die für 2022 dokumentierten steigenden Zahlen an Hassverbrechen gegen Christen seien "äußerst besorgniserregend", so Polak laut Pressemitteilung von OIDAC. "Es ist daher von höchster Notwendigkeit, sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf Regierungsebene ein Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen und politische Maßnahmen zu ergreifen, um es entschieden zu bekämpfen."

Polak ist seit einigen Jahren OSZE-Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, mit Fokus auf Christen und Angehörige anderer Religionen. Zusammen mit dem Rabbiner Andrew Baker, der als OSZE-Sonderbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus amtiert, warnte sie zuletzt auch vor einem Anstieg antisemitischer Vorfälle als Reaktion auf den Hamas-Terror und die militärischen Gegenschläge Israels.

(ODIHR-Website mit "Hate Crime Data" für 2022: https://hatecrime.osce.org/infocus/2022-hate-crime-data-now-available; Website Beobachtungsstelle OIDAC: www.intoleranceagainstchristians.eu; Direktlink zum OIDAC-Jahresbericht https://www.intoleranceagainstchristians.eu/fileadmin/user_upload/publications/files/Annual_Report_2023_-_ONLINE_Version.pdf)

Copyright 2023 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
(www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten


© 2023 www.kath.net