Maria 1.0: "Sünde ist immer noch keine Liebe!"

19. Dezember 2023 in Weltkirche


Stellungnahme zum Dokument Fiducia Supplicans des Dikasteriums für die Glaubenslehre


Vatikan (kath.net/Maria 1.0) Am 18.12.2023 hat das Dikasterium für die Glaubenslehre unter ihrem Präfekten Victor Emanuel Fernández eine Stellungnahme zu Segnungen herausgegeben. In den dazu schon erschienenen Presseartikeln und Kommentaren sowie anderen Veröffentlichungen wird dies schon als Erlaubnis der Segnung von homosexuellen und geschiedenen Paaren gefeiert oder bedauert. Es ist ein theologisch sehr ambivalentes und mehrdeutiges sowie unpräzises Dokument, das dazu noch von einem fast schon an Naivität grenzenden Optimismus bezüglich der Anwendung und der Begleitumstände sowie der Umsetzung der selbst zu formulierenden Rubriken strotzt. Das Dokument beantwortet viele Fragen nicht, die sich ein Priester zu stellen hat, der eine solche Segnung möglicherweise zu vollziehen hat. Theologisch geht das Dokument darüber hinaus und nimmt für sich in Anspruch, das klassische Verständnis von Segnungen zu erweitern und zu bereichern. Es nimmt deshalb die Form der Erklärung an (Nr.1). Das Dokument betont, dass Segnungen immer und überall eine Möglichkeit bieten, Gott durch Christus im Heiligen Geist anzurufen und ihm zu danken.

Segnungen sind für viele Dinge möglich und waren es auch schon immer, denn alles, was gut ist als Schöpfung Gottes, kann gesegnet werden, um dadurch Gesundheit, Wohlergehen oder andere Gnaden zu erbitten. „Aus diesem Grund richten sich Segnungen an Menschen, Gegenstände für Gottesdienst und Andacht, sakrale Bilder, Orte des täglichen Lebens, der Arbeit und des Leidens, die Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit sowie an alle geschaffenen Wirklichkeiten, die auf den Schöpfer verweisen und ihn mit ihrer Schönheit loben und preisen.“ (Nr.8) Darum sind Segnungen für alles Gute, alles, was Gott geschaffen hat, immer möglich und dürfen grundsätzlich nicht verboten werden, was für Sünden und sündige Einstellungen unmöglich ist, da sie gegen Gott stehen. Man muss sich an die Gesetze Gottes halten wollen, so wie die Kirche sie lehrt, auch wenn der Mensch immer wieder der Umkehr bedarf: „Wer um den Segen bittet, zeigt, dass er der heilbringenden Gegenwart Gottes in seiner Geschichte bedarf, und wer die Kirche um den Segen bittet, erkennt die Kirche als ein Sakrament jenes Heils, das Gott darbietet.“ (Nr.20)

Segnungen können aber nur dann gespendet werden, wenn der Empfänger der Materie dazu disponiert ist, das heißt das, was zu segnen ist an ihm, dafür bereit ist, den Segen aufzunehmen, was homosexuelle Beziehungen und Akte grundsätzlich nicht sind, da sie inhärent sündig sind und einen schweren Verstoß gegen das Naturrecht darstellen: „…wenn bestimmte menschliche Beziehungen durch einen besonderen liturgischen Ritus gesegnet werden, das, was gesegnet wird, den in die Schöpfung eingeschriebenen und von Christus, dem Herrn, vollständig geoffenbarten Plänen Gottes entsprechen muss. Da die Kirche seit jeher nur solche sexuellen Beziehungen als sittlich erlaubt ansieht, die innerhalb der Ehe gelebt werden, ist sie nicht befugt, ihren liturgischen Segen zu erteilen, wenn dieser in irgendeiner Weise einer Verbindung, die sich als Ehe oder außereheliche sexuelle Praxis ausgibt, eine Form der sittlichen Legitimität verleihen könnte.“ (Nr.11) Es ist also nach wie vor unmöglich, eine homosexuelle oder pseudoromantische Beziehung oder eine Beziehung im Ehebruch zu segnen. Segnungen richten sich an Menschen oder Gegenstände oder Akte von geschaffenen Dingen, die dadurch auf Gott verwiesen werden. Die hier vom Glaubensdikasterium vorgeschlagenen Segnungen sind invokativer Art, das heißt, dass sie zeitlichen Segen, Schutz, Gedeihen und aktuelle Gnaden erwecken sollen. Dadurch sind sie auch abhängig sowohl von der frommen Gesinnung des Spenders als auch des Empfängers und das zu Segnende muss fähig sein gesegnet zu werden, also begnadet zu werden, gedeihen zu können, was inhärent schlechte Akte nicht können, da jede sündige Handlung einen Verlust an Gottes heiligmachender Gnade bedeutet. Auch der Empfangende muss fromm disponiert sein, das heißt ein frommes moralisch gutes Bemühen ist die Bedingung für eine Wirkung des Segens, was bei dem in sich schlechten Objekt des Segens, der schlechten Handlung, unmöglich ist. All dies wird vom Glaubensdikasterium in diesem Schreiben unterstützt und klar der Unterschied zum Sakrament der Ehe und den damit verbundenen Segnungen betont.

Die Art des Segens, die das Glaubensdikasterium nun zugelassen hat, stellt ein Novum in der Kirchengeschichte dar. Mit der Begründung, dass es in der pastoralen Praxis angeblich nötig sei, außerliturgisch und außerhalb rubrikaler Regeln zu segnen, führt es die Möglichkeit der Segnung von irregulären Situationen ein. Es gibt dafür aber noch keine offiziellen Vorgaben, die den liturgischen Regeln der Kirche entsprechen würden. Es muss die Form klar bestimmt werden, das heißt die Segensformel, die ausdrücken muss, was der Segen bewirken soll, sowie die Materie, die meistens in Kreuzzeichen oder Handauflegung besteht und auch noch unbestimmt ist. Auch die Disposition des Empfängers, der in dieser Situation für das präzise erklärte Objekt an ihm den Segen erbittet, ist noch nicht vorgegeben. All dies erscheint im römischen Dokument völlig unbestimmt und schwammig formuliert, was dem Missbrauch Tür und Tor öffnet und als Legitimation für das Segnen der Sünde oder sündigen Handlung missdeutet werden kann. Es gibt nur die immer wieder geäußerte Forderung, keine Verwirrung oder keinen Skandal zu verursachen. Diese liturgische Formlosigkeit stellt eine Art der Entrechtlichung und Liberalisierung der Segnungen dar, der dazu führen kann, dass die oben genannten Bedingungen für Segnungen nicht beachtet werden und damit der Segen letztendlich wirkungslos wird. Das Glaubensdikasterium ordnet diese Segnungen deshalb in der Kategorie der Volksfrömmigkeit ein. Die Frage der Wirkungen solcher Segnungen wird darum auch nur noch im volksfrommen Sinn erklärt, es werden positive Emotionen genannt oder die Anregung religiöser Erfahrungen, aber es wird kaum noch gesprochen von den vermittelten habituellen und zeitlichen Gnaden oder Ablässen, die Sakramentalien und Segnungen vermitteln können. Dies ist eine spürbare Distanzierung von klaren dogmatischen und rubrikalen Festlegungen, die viele Liturgiebücher prägen. Die Segnungen werden dadurch zu reinen Frömmigkeitsübungen.

In Nr. 31 stellt das Dokument die Motivation und die Wirkung der Segnung vor und betont, dass es um die Anrufung Gottes und das Anvertrauen Gottes in einer irregulären Situation geht, damit ein besseres Verständnis für den liebevollen Plan Gottes im Empfänger aufkommt. Es soll vor allem das gesegnet werden, was wahr und gut an der Beziehung ist und auf Gott und seinen Plan hinweist. Dies ist zunächst nicht zu beanstanden. „Die Kirche muss sich im Übrigen davor hüten, ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit ‚ vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit‘ zu stützen, vor allem, wenn das ‚Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, die Anderen analysiert und bewertet, und anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht.“ (Nr.25) Dies ist in einem sehr kritischen Licht zu sehen, da dogmatische und rubrikale Bedingungen dazu da sind sicherzustellen, dass im Namen der Kirche die Gnade vermittelt werden kann. Die Regeln haben den Sinn, den Zugang zu erleichtern. Frömmigkeitsübungen sind immer zu empfehlen für jeden Katholiken, allerdings sind Segnungen durch die Kirche mit der ihr vorbehaltenen Vollmacht ein viel besserer Zugang zu Gott. Darum ist klar zu betonen, dass diese gute Motivation und der Vorsatz, als guter Christ zu leben, zu segnen ist, und in keiner Weise irgendein sündiger Zustand. Wenn ein Paar gesegnet werden will, soll also das Gute gesegnet werden, insbesondere die Bitte um die Gnade der Bekehrung ist hierbei unerlässlich.

Dieses Dokument lässt die Frage aufkommen, ob es nicht Teil der Appeasementpolitik Roms gegenüber liberalen Diözesen und Verbänden, wie dem synodalen Ausschuss, darstellt, ohne tragende Säulen der katholischen Moraltheologie anzukratzen. Segnungen werden eingeführt, die völlig unbestimmt und frei sind und damit für alles und in Zukunft in jeder moralischen Situation verwendet werden können. Die Gefahr des Missbrauchs dieses Dokuments, um die sündige Beziehung homosexueller und geschiedener Paare in irregulären Situationen segnen zu können, ist in jedem Fall gegeben. Auch die unbestimmte, außerliturgische Form, die dies annehmen soll, birgt in sich Gefahren, indem die Feiern in der Form von Trauungen gestaltet werden, wie es in einigen belgischen Diözesen schon Praxis ist. Das Dokument und sein Optimismus können im richtigen Kontext möglicherweise als Einführung eines weiteren Schatzes der Volksfrömmigkeit gewertet werden, der Menschen helfen soll, aus sündigen, verzweifelten Situationen herauszukommen und durch Beichte und Buße mit Gott wieder vereint zu werden. Die Unbestimmtheit und textliche, gestalterische und situative Offenheit machen diese Leseart immerhin möglich. Leider gibt es kaum einen Grund, dass die Öffentlichkeit und das Volk Gottes diesen überladenen, verschachtelten und definitiv irreführenden Text in der Kontinuität der Lehrtradition liest. Bei vielen entsteht der Eindruck, dass die Kirche homosexuelle Beziehungen und andere irreguläre Situationen nicht mehr für unmoralisch halte und nun segne. Das wäre die schlechtmöglichste Leseart. Hier wären deutliche Antworten auf die Dubia nötig gewesen, um nicht für noch mehr Verwirrung zu sorgen, als ohnehin herrscht. Es ist vorauszusehen, dass es weitere Ausführungsbestimmungen bräuchte, um den moralisch richtigen und pastoral förderlichen Weg des vorliegenden Dokumentes zu beschreiten und den Missbrauch, der Menschen in ihrer Sünde von Gott getrennt verweilen lässt, zu vermeiden. Leider kündigt der Text selbst schon an, dass Antworten auf weitere Fragen über die konkrete Umsetzung nicht zu erwarten sind. Hoffen wir das Beste und bleiben wir im Gebet verbunden.

Für Maria 1.0

Clara Steinbrecher

Maria 1.0 ist eine Initiative von Katholiken, besonders von jungen Frauen, die den einen universellen Glauben der Kirche in verschiedenen Spiritualitäten leben. Die Initiative versteht sich als Sprachrohr all jener Katholiken, die die Schönheit und Wahrheit des katholischen Glaubens, wie ihn das Lehramt der Kirche formuliert, bekennen und möchte diesen Glauben medial bekannt machen.


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