Fiducia Supplicans und die Homosexualität – oder der Sturm im Wasserglas?

22. Dezember 2023 in Kommentar


Die einen jubeln, die anderen klagen – aber ist vielleicht alles ganz anders? - Ein Kommentar von Christof Zellenberg


Wien (kath.net/cz)
Gott ist in Jesus Mensch geworden. Das feiern wir zu Weihnachten. Jesus hat seine Kirche gegründet, um die Menschen mit Gott zu versöhnen und ihnen einen Weg zurück in die Gemeinschaft mit Gott, aufzuzeigen. Jesus hat gepredigt und gelehrt und uns den Willen des Vaters dargelegt. Die Bischöfe und an ihrer Spitze der Stellvertreter Christi – 'Dir gebe ich die Schlüssel zum Himmelreich' – unser Papst, bewahren diese Lehre und legen sie den Menschen immer wieder neu vor. Sie halten die Flamme am Leben, sie hüten und bringen das Licht, das Christus selber ist.

In ihrem jüngsten Schreiben, approbiert durch den Papst, versucht nun die Glaubenskongregation wieder einmal ein Licht, auf einen Teilaspekt der Lehre Christi zu werfen. Die Kirche sollte mit derartigen Auslegungen Klarheit schaffen, führt jedoch dieses Mal leider zu noch tieferer Verwirrung. Klarheit und Frieden kommt von Gott, die Verwirrung, das Durcheinanderwürfeln und die Unsicherheit kommt meist vom Teufel. Womit also haben wir es hier zu tun?

Wer das Schreiben aufmerksam studiert, kommt nicht umhin zu erkennen, daß die Kirche es sich nicht leicht macht – vielleicht weil die Materie nicht leicht ist; vielleicht weil man etwas sagen will, was man nicht sagen kann; vielleicht weil man etwas sagen will, was man sagen kann aber was dennoch zu leicht falsch verstanden werden kann und wird?

Jeder Mensch darf segnen – wir haben die Salbung zum allgemeinen Priestertum empfangen – und jeder Mensch darf und soll den Segen empfangen. Ein Segen ist kein Sakrament, also keine unmittelbare Anwesenheit Gottes, sondern ein Sakramentalium, also ein Zeichen, das auf Gott hindeutet. Am Ende jeder Messe empfängt jeder Gläubige den Segen. Es gibt den Apostolischen Segen, der oft nach einer Hochzeit und dafür besonders angefordert, gespendet wird und es gibt den großen päpstlichen Segen Urbi et Orbi, der mit einem vollkommenen Ablaß verbunden ist, unter den üblichen Bedingungen, deren ungemütlichste wohl die entschiedene Abkehr von jeder Sünde ist.

Also kann man den Segen jederzeit empfangen auch wenn man sich nicht im Stand der Gnade erkennt. Jeder Mensch ist ein Sünder. Wer kann schon für sich in Anspruch nehmen, daß er ohne Sünde wäre oder auch nur die entschlossene Abkehr von jeder Sünde tatsächlich lebte?

Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken – Jesus selber sagt, er ist zu den Kranken gekommen, um sie aufzurichten. Der Segen, der erbeten wird, weist auf Christus hin und verbindet uns mit Ihm. Insofern ist er Heilmittel und führt zur Heilung, allerdings nur, wenn wir es zulassen und unseren Teil dazu tun.

Fiducia Supplicans spricht von unterschiedlichen Arten des Segens – dem liturgischen Segen und dem Segen, der quasi der Volksfrömmigkeit entspringt. Also ein höherer und ein niedrigerer Segen, quasi ein Rolls Royce-Segen und ein Volkswagen-Segen. Und zu den irregulären Beziehungen: Warum spricht man hier so allgemein und dann erwähnt man nur eine einzige Irregularität, nämlich die Homosexualität, es gibt doch viele andere, die Kinderehe, die Polygamie, die zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen, die unverheirateten Paare, etc.? 

Es ist verwirrend, denn so weiß man nicht, ob und welche anderen irregulären Beziehungen noch gemeint sein könnten. Jedenfalls können auch Menschen, die in einer derartigen Beziehung leben, um einen Segen bitten. Ein Segen zur Stärkung und zur Heilung, denn die Kirche hält auch hier klar an ihrer Lehre fest und die kennt nur eine reguläre Beziehung, jene in aufrechter Ehe, von einem Mann und einer Frau, auf Dauer und auf Kinder ausgerichtet.

Das Dokument spricht den 'Irregulären' - eigentlich ein sehr diskriminierender Begriff -  die Möglichkeit ab, einen liturgischen Segen zu empfangen, da sie nicht dem Idealbild der Kirche und damit Christi entsprechen. Das Dokument stuft sie zurück und erlaubt nur, daß sie den Segen zweiter Klasse - also den Volkswagen-Segen - empfangen und das Dokument sieht vor, daß dieser Segen nicht im Rahmen einer hochzeitsähnlichen Feier gespendet werden darf. Und es schreibt sogar vor, welche äußeren Details dabei nicht vorkommen dürfen. Zum Beispiel dürfen keine Kleider getragen werden, die auf eine Hochzeit hindeuten könnten. Das alles klingt für mich schon recht skurril und eigentlich sogar diskriminierend, unterstellte man tatsächlich die öffentlich kolportierte Intention des Dokuments. 

Hätte man all das nicht vermeiden können, hätte man einfach gesagt: Jeder Mensch kann und soll individuell den Segen empfangen – bitte kein Versuch, diesen Segen in höher und niedriger zu klassifizieren. Jeder muß das Ideal der Heiligkeit, je nach seinem Stand, kennen und von der Kirche vermittelt bekommen. Jeder muß klar erklärt bekommen, was Sünde ist und das muß uns, mit dem gebildeten Gewissen und bei klarem Verstand, auch zugänglich sein. Jeder muß dann für sich selber entscheiden, ob der Segen ihm zum Heil werden kann oder eben nicht.

Hier schreibt das Dokument, daß der Segen uns helfen soll, den Willen Gottes zu tun – der vorher definiert wurde, laut der unveränderten Lehre der Kirche. Insofern soll der Segen als Heilmittel dienen und helfen, um den sündhaften Zustand der Irregularität zu beenden und so den Plan Gottes auch an mir und meinem Leben zu verwirklichen und heilig zu werden. Diesen Segen, richtig vorbereitet und mit offenem Herzen, sollte tatsächlich jeder Mensch empfangen, nur fürchte ich, das Dokument so verstanden, führt uns in eine diametral andere Richtung, als jene, die auf allen Medienkanälen und vielen Jubelkehlen derzeit zu uns dringt.

Ob dem Vatikan all das so bewußt war? Papst Franziskus hat einmal gemeint, er wäre selber kein großer Theologe und seine großen Vorgänger hätten bereits alles Wichtige klar dargelegt. Insofern hat hier vielleicht der Heilige Geist die Hand geführt und öffnet hoffentlich uns allen die Augen dafür, was Er uns tatsächlich sagen will – der alte Ruf kommt ins Gedächtnis: Bekehre uns, vergib die Sünde, schenke Herr uns neu Dein Erbarmen! (und unsere Bekehrung, möchte man hinzufügen!)

 

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