5. Jänner 2024 in Kommentar
Kardinal Müller antwortet auf KATH.NET-Presseanfrage: „An der definitiven Erklärung des II. Vatikanums gibt es nichts herumzudeuteln: ‚Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist…‘“
Rom (kath.net) Der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, antwortet exklusiv auf die kath.net-Presseanfrage:
kath.net: Herr Kardinal Müller, hat sich mit der neuesten Erklärung (Link) von Kardinal Fernández inhaltlich etwas geändert?
Kardinal Müller: Zu meinem Kommentar zu Fiducia supplicans (Link) habe ich inhaltlich nichts hinzuzufügen. Die weltweite negative Reaktion aus großen Teilen des Weltepiskopates und seitens führender Laien zu der vom Dikasterium für die Glaubenslehre herausgegebenen „Handlungsempfehlung“ zur privaten Segnung von Menschen in sündhaften Partnerbeziehungen“ sollte den Verantwortlichen in Rom zu denken geben. Doch nur zwei Punkte zur weiteren Klärung:
1. Problematisch bleibt für mich die Unterscheidung von liturgisch-offiziellen Segnungen und den privat-pastoralen Segnungen nicht-ehelicher Sexualpartnerschaften. Der vorgeschlagene 15-Sekunden-Segen mit dem Kreuzzeichen und der Anrufung des Namens des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ist dort als ein privates Gebet um den Beistand Gottes bezeichnet, der immer unsere Abkehr von der Sünde und unser ewiges Heil will. Dieses Gebet kann jeder Laie über andere sprechen. Der Priester jedoch muss aufpassen, dass sein Segen im Namen der Kirche nicht instrumentalisiert wird von säkular-ideologischen und kirchlich-häretischen Pressuregroups, denen es nur um die Unterminierung der Wahrheit des geoffenbarten Glaubens geht (in der Lehre und Praxis der Kirche, die man nicht gegeneinander ausspielen darf).
2. Der am meisten problematische Punkt scheint mir nicht die (selbstverständliche) pastorale Bemühung um das Heil und die Gottoffenheit von Personen in irregulären sexuellen Partnerschaften zu sein oder solche, die – durch die LGBT-Ideologie korrumpiert – die christliche Ehe-Theologie als überholt und leibfeindlich diffamieren, sondern in der Behauptung, „einer wirklichen Weiterentwicklung über das hinaus, was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über die Segnungen gesagt wurde“ (Erklärung Nr.4).
Dem Lehramt von Papst und Bischöfen kann keineswegs von einem römischen Dikasterium – auch mit Berufung auf den je persönlichen Willen (voluntaristisch) des aktuellen regierende Papstes – eine Autorität zugesprochen werden, die ein für allemal in Christus ergangene und in der „Lehre der Apostel“ (Apg 2, 42) für alle Zeit normativ vorgelegte Offenbarung zu ergänzen, zu reduzieren, zu korrigieren oder mit dem Alltagsverstand oder den aktuellen Ideologien kompatibel zu machen. Die beiden Papst-Dogmen des I. Vatikanums (Infallibilität, Jurisdiktionsprimat) geben eine solche Interpretation, die die Hermeneutik des katholischen Glaubens sprengen würde, nicht her, ja sie widersprechen ihr geradewegs. An der definitiven Erklärung des II. Vatikanums gibt es nichts herumzudeuteln: „Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geists voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.“ (Dei verbum 10). Die gnostische Meinung, dass eine kleine Führungselite den besonderen Zugang zum Heiligen Geist habe oder dass mythologisch der Heilige Geist durch das „gesunde Volk der intellektuell unverdorbenen einfachen Leute“ ( der „Volksgeist“ der Romantiker) spreche, hat nichts mit dem katholischen Glauben zu tun. Es gibt nur den einen Schatz des Wortes Gottes, das in der Heiligen Schrift enthalten und im Kontext der Apostolischen Tradition von der ganzen Kirche unter der Leitung des heiligen Lehramtes vollständig bewahrt und treu ausgelegt wird (vgl. Dei verbum 1-10; Lumen gentium 25).
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