8. Jänner 2024 in Kommentar
Das Fazit von Franz-Josef Overbeck, die Volkskirche sei zu Ende, ist richtig. Besser wäre es, daraus die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Es ist ein rundum gutes Gefühl, einem Bischof, dem man seit Jahren ständig widersprechen muss, doch endlich mal aus vollem Herzen zustimmen zu können. Der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, vertrat im Interview mit der FAZ die Ansicht, wir seien keine Volkskirche mehr. Die münstersche antipaderborner Polemik, die er diesem Satz nachschiebt ist natürlich nichts als blanke Boshaftigkeit. Overbeck behauptet, Kardinal Hengsbach habe mit einem Konzept alle „im Ruhrgebiet rund alle 1000 Meter eine Kirche, ein Pfarrhaus, ein Kindergarten oder ein Pfarrheim“ zu platzieren. Das nannte Overbeck „die Wiederholung des Paderborner Katholizismus der Vorkriegszeit“. Es ist nichts als eine sonderbar anmutende Vorstellung von einem ländlich geprägten Bistum wie Paderborn, wo man in manchen Gegenden nicht einmal alle 10 km überhaupt eine Ansiedlung findet.
Volkskirche sind wir schon sehr lange nicht mehr. Dieser Einsicht hat sich der deutsche Episkopat lange verschlossen und alle die das behaupteten wurden schon mal als elitär bezeichnet oder beschimpft je nachdem wie böse man dann war. Eine Volkskirche, in der die Bindung an die Kirche rein sozial motiviert war, war noch nie eine gute Sache. Tatsächlich ist die derzeitige Funktionärskirche, unter der wir derzeit leiden, nichts als ein leibliches Kind der alten Volkskirche. Diese Art Verbandsstrukturen sind gerade in der Volkskirche gewachsen. Von den alten, starken Jugendverbänden, die mit Power und vielen Fahnen Christkönig gefeiert haben, ist gerade noch ein kirchensteuerfinanzierter Apparat übrig, der eine bestimmte Reformagenda vorantreibt. Für den Glauben, für Katechese oder gar Mission haben die Vertreter diese Strukturen nichts mehr übrig.
Erstaunlicherweise bejubelt Overbeck ausgerechnet diesen Teil der als einzig verbliebener Aspekt der Volkskirche mit viel Geld aufrechterhalten wird, der Kirche aber nur schadet. Mit dem Synodalen Weg, so Overbeck, den die Bischöfe und das „ZdK“ auf den Weg gebracht hätten, hätte die Kirche in Deutschland ein Format, das es so in der Weltkirche sonst nicht gebe. Abgesehen davon, dass Overbeck die Funktionäre im „ZdK“ fälschlicherweise als „Vertretung der Laien“ bezeichnet, stimmt seine Aussage in der FAZ. Leider übt sich der Essener Oberhirte hier wieder im Verschweigen. Weltweit einzigartig, das bedeutet nämlich in diesem Falle auch eine weltweit einzigartige Blamage und eine weltweite Kritik an dem Risiko der Spaltung dem die deutschen Bischöfe mit ihrem Handeln und Dulden die Kirche aussetzen.
Die Volkskirche ist am Ende. Um das zu erkennen, muss man nur am kommenden Sonntag in eine fast beliebige deutsche Pfarrei schauen. (Die berühmte Ausnahme, von deren Existenz ich überzeugt bin, bestätigt die Regel.) Leere Kirchen und leere Herzen, in denen Jesus nicht mehr wohnen darf. Das ist der Normalfall. Ja, man darf fragen, muss eine Kirche in diesem Zustand als Träger und Betreiber von Kindergärten in fast jedem Dorf oder Ortsteil auftreten. Nein, muss sie nicht. Vielleicht sollte sie es sogar gar nicht. Gleiches gilt für alle Arten von Sozial- und Gesundheitseinrichtungen. Die Kirche hat sich hier über die Jahrhunderte große Verdienste erworben. Diese Einrichtungen jetzt outzusourcen, wie das neudeutsch so schön heißt, könnte eine weise Entscheidung sein, um Ressourcen für Evangelisierung frei zu bekommen. Da gibt es sicher viele Möglichkeiten.
Letztendlich kommt man nicht daran vorbei zwei weitere Relikte der Volkskirche endlich abzuräumen. Da sind zum einen die Staatsleistungen, die der Mehrheit der Nichtchristen im Land längst und zu Recht ein Dorn im Auge sind. Hier schließt sich sogar langsam ein Zeitfenster, in dem eine für die Kirche akzeptable Lösung ausgehandelt werden kann. Das andere Relikt aus verlorenen Zeiten ist die Kirchensteuer. In einer Volkskirche eine gute, richtige und angemessene Weise der Kirchenfinanzierung. In einer Minderheitenkirche, die derzeit fest im Griff von Kirchenfunktionären mit zweifelhaften Absichten ist, ist diese Weise der Finanzierung nichts als Gift. Franz-Josef Overbeck täte gut daran, dieses volkskirchliche Relikt noch lange vor angeblich überflüssigen Kirchen abzuräumen. Die Kirchen kann man den Gemeinden übergeben, die sie gebaut und bezahlt haben, können sie sie unterhalten, sollen sie bleiben, wenn nicht, müssen sie weichen.
Es ist hoch an der Zeit, die Finanzierung der Kirche zu überdenken. Keine Frage, der Staat soll den Kirchen finanzieren können, was er mit demokratischer Legitimation nützlich findet. Die Kirchen sollen frei sein zu überlegen, ob sie das wollen. Denn eines ist sicher, in Zeiten, in denen ein Recht auf Abtreibung oder ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben herbeifantasiert werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis kirchliche Einrichtungen, die sich zu eng an den Staat gebunden haben, zu solchen Untaten verpflichtet werden. Nicht nur die Kirche ändert sich. Die Gesellschaft und der Staat ändern sich auch. Es ist hoch an der Zeit, dass die Kirche aus dem Glauben ihre Position in der modernen, säkularen Welt neu bestimmt.
Das Interview von Franz-Josef Overbeck scheint in die richtige Richtung zu starten, landet aber leider als Aufforderung den Pelz zu waschen aber nicht nass zu machen. Schade! Es wäre an der Zeit, mutige Reformen zu fordern, statt ein Anbiedern an den Zeitgeist als Reform zu framen. Fazit: Absicht vielleicht gut. Leider zu kurz gesprungen. Die Kirche der Zukunft wird vielleicht kleiner sein, man kann es nicht wissen, aber eines ist klar, sie wird eine Kirche sein, in der die Gläubigen sich täglich neu für Jesus entscheiden müssen. Die Welt in der wir leben, braucht keine Volkskirchenchristen, sie braucht mutige Bekenner und Missionare. Sämtlicher Ballast, der dem entgegen steht, kann weg. Weinen wir dem keine Träne nach.
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