22. Jänner 2024 in Kommentar
Man hüte sich vor Bischöfen, die parteipolitische Propaganda machen. Das geht daneben, denn die Lehre der Kirche bietet Grundlagen für die Politik, sie ist nicht Partei und darf es nie sein. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Es ist im Grunde kein Problem, wenn Bischöfe politisch werden. Ganz im Gegenteil! Zuweilen ist es unbedingt nötig. Die Freiheit des Menschen ist in dieser Welt wahrlich keine Selbstverständlichkeit und es steht den Hirten der Kirche gut an, auf die Ökologie des Menschen zu verweisen. Es ist eben gerade die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die ihm seine unverlierbare Würde verleiht und die die Basis seiner Freiheitsrechte ist. Es ist gut, wenn Bischöfe die Abwehrrechte des freien Menschen gegen den übermächtigen Staat verteidigen und für die Freiheit predigen. Es gilt auf Basis der Morallehre der Kirche, einer guten christlichen Anthropologie und auch auf Basis der katholischen Soziallehre in die tagespolitische Auseinandersetzung aktiv einzugreifen. Soweit die Theorie. Leider stellt sich die Praxis oft genug ganz anders dar.
Wehe ein Kirchenvertreter – also auch ein Bischof – wird parteipolitisch. Das geht daneben. Immer! „Katholischer Mann hüte dich vor der Sozialdemokratie!“ Mit diesen Worten warnte ein (mit Imprimatur versehenes) Gebetbuch für den katholischen Mann noch in den späten zwanziger Jahren. Nicht, dass man einen katholischen Mann nicht vor „den Sozen“ warnen sollte. Doch das konnte die Fernsehkunstfigur Alfred Tetzlaff sehr viel besser als jeder Bischof. Nein, nicht das Faktum an sich erschüttert, bestürzend ist die Begründung: Sie – die Sozialdemokratie – so der Text in jenem Gebetbuch, wolle den Umsturz und wolle den Kaiser (gemeint ist der protestantische preußische König, der ab 1871 den Kaisertitel führte) seiner legitimen Rechte berauben. Jener Kaiser war zu der Zeit schon einige Jahre im holländischen Exil, er hatte sich seiner Verantwortung durch Flucht entzogen und die Sozialdemokraten waren längst an der Macht.
„Katholischer Mann (und wegen Frauenwahlrecht wohl auch katholische Frau) hüte Dich vor der AfD, denn sie strebt den Umsturz an und plant der Sozialdemokratie ihren legitimen Herrschaftsanspruch zu rauben.“ Angesichts eines gemeinsamen Wortes der Nord-Ostdeutschen Bischöfe, das sich exakt so paraphrasieren lässt, ist es wirklich schwer, keine Glosse zu schreiben. Dies umso mehr als es eine westdeutsche Tradition des bischöflichen Hirtenbriefes in der Bonner Republik vor Wahlen gab. Alle jene Hirtenbriefe aus den 60er und 70er Jahren ließen sich in einem einzigen Satz paraphrasieren: „Wählt gefälligst die CDU!“ Da schwingt das alte „Hüte dich vor der Sozialdemokratie“ noch deutlich mit, auch wenn man inzwischen keinen protestantischen Kaiser mehr protegierte. Bei Übernahme der Bundesregierung durch das Kabinett Brandt herrschte 1969 im Klerus ernsthafte Angst, was denn nun mit der Kirche werden soll. Die Sozialdemokratie zeigte sich staatsmännisch und ließ die Kirche leben. Trotzdem war man 1983 froh über die angekündigte (und nie vollzogene) geistig moralische Wende. Die parteipolitischen Hirtenbriefe gab man auf. Die Formulierungen vor Wahlen wurden schwammiger. Mit viel Fantasie konnte man hier und da noch eine gewisse Affinität zur CDU erahnen. Da die Christdemokratie besonders nach dem Millenniumswechsel immer weniger christlich wurde, nahm die Entfremdung zwischen den Katholiken und der CDU immer weiter zu. Fand noch in den 90er-Jahren ein sehr entschiedener Diskurs mit kirchlicher Beteiligung um die strafrechtliche Regelung der Abtreibung statt, so ist sinnvolles bischöfliches politisches Engagement seitdem stark erlahmt.
Aktuell äußern sich einige Bischöfe einmal politisch und geben sich aufgrund der Art der Äußerung der Lächerlichkeit preis. Als gebe es nicht hinreichend viele Punkte, in denen sich unter den eingangs genannten Perspektiven eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD anböte, schwimmen die sechs unterzeichnenden Bischöfe nur auf dem zeitgeistigen Wellenkamm der politischen Wokeness. „Krude Ausweisungsphantasien für Migranten und ihre Unterstützer, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, der alleinige Fokus auf Leistungsfähigkeit, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen sind mit diesen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbar.“ So schreiben die Bischöfe wörtlich. Kein einziger dieser Punkte wird über die Behauptung hinaus mit Aussagen aus Parteiprogrammen untermauert. Kein einziger dieser Punkte wird durch Rekurs auf die Lehre der Kirche in irgendeiner Weise als ablehnungswürdig markiert. Das Dogma des „menschengemachten Klimawandels“ hat der Katholik offensichtlich zu glauben und zu bekennen, und zwar gefälligst. So lässt sich das Schreiben lesen. In Wirklichkeit handelt es sich um einen umstrittenen Komplex wissenschaftlichen Theorien. Auch wenn derzeit die Mehrheit der Forscher diesen Ansatz vertritt, bleibt es dabei, dass Majorität kein Kriterium für Wahrheit ist. Ferner sind fürderhin Satire und politisches Kabarett (=pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen) für Katholiken strengstens verboten. Gehorsamer Katholik, der ich bin, habe ich natürlich sofort alle Videos von Lisa Eckhardt gelöscht. Ist ja für Katholiken jetzt verboten.
In diesem Jahr stehen in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen an. Ferner stehen die Europawahl und einige Kommunalwahlen bevor. Also sahen sich also die Bischöfe von Hamburg, Magdeburg, Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt und Görlitz bemüßigt, vor der AfD zu warnen. Ihr „Eintreten für die Demokratie“ weicht stark von der Tradition der kirchlichen Demokratiekritik ab. Wie oben zu lesen wurde noch vor hundert Jahren, was kirchengeschichtlich ein Klacks ist, vor allem gewarnt, was nicht Kaiser oder König ist. Eher postulierte man das unverbrüchliche Recht eines protestantischen Monarchen auf seine Herrschaft als der Demokratie nur eine Handbreit Raum zu geben. Und jetzt will man durch so ein peinliches Schreiben die Demokratie stärken? Das ist lächerlich!
In der gegenwärtigen Situation in unserem Land, in der besonders aus dem politisch linken Lager ein erfundenes Recht auf Abtreibung forciert wird, erleben wir ein bedrückendes bischöfliches Schweigen. Was wird in katholischen Krankenhäusern passieren, wenn Abtreibung in gynäkologischen Abteilungen zur Pflichtleistung wird? Gleiches gilt im übrigen für die verschiedenen Formen der Sterbehilfe, nachdem das höchste deutsche Gericht ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ erfunden und in die deutsche Rechtslandschaft eingepflanzt hat. Das bischöfliche Schweigen dazu war dröhnend! Stattdessen framen kirchensteuerfinanzierte Medien engagierte Lebensschützer an den politisch rechten Rand der Gesellschaft, vor dem die Bischöfe übrigens gerade warnen. Wer solche Freunde hat, braucht in der Tat keine Feinde mehr. Karikaturen von Hirten sind es, die sich zu Witzfiguren der Verteidigung eines linksgrünen Mainstreams machen lassen wollen. Eines ist nämlich zu bedenken: alle vergangenen Interventionen gegen die AfD, besonders in den östlichen Bundesländern, die sich in etwa mit dem Schreiben der Bischöfe vergleichen lassen, haben sich als absurde Interventionen erwiesen. Die Absicht der AfD zu schaden hatte nichts anderes zur Folge als erneute Umfragezuwächse. Auch das Schreiben der Nord-Ostdeutschen Bischöfe wird niemandem nutzen außer der AfD, die sich in Thüringen und in Sachsen langsam auf den Weg macht, an der absoluten Mehrheit zu kratzen. In der angeblichen Absicht die Demokratie zu schützen, werden auf diesem Wege demokratiefeindliche Kräfte von rechts und links gestärkt!
Wäre die politische Lage in unserem Land nicht so ernst, könnte man diese Vertreter einer extremen Minderheitenreligion im Nordosten unseres Landes bedenkenlos der Lächerlichkeit preisgeben, die sie sich selber gewählt haben. Die Größe ihre Zielgruppe streiflichtartig beleuchtet: in Magdeburg beispielsweise sind 3% der Bevölkerung katholisch. Davon gehen 3% am Sonntag in die Kirche. Daraus ergibt sich eine interessierte Größe der Zielgruppe von 0,0001 Prozent der Bevölkerung. In absoluten Zahlen sind das 260 Personen. Noch Fragen? Gerade die Medien, die die Kirche sonst mit der vollen Breitseite ihrer publizistischen Macht bekämpfen, benutzen hier die episkopale Augendienerei zu ihren Zwecken: Einem politischen Kampf gegen alles, was nicht linksgrün ist. Brave Hirten! Bei dem Gedanken, welchen Anteil am Erfolg der AfD bei den kommenden Wahlen ausgerechnet eine derart absurde Aktion katholischer Bischöfe haben könnte, kann einem nur schlecht werden. How dare you!
Die Menschen in unserem Land sorgen sich um ihre Zukunft, sehen ihre Lebensleistung bedroht, sie haben Angst, den mühsam erarbeiteten Wohlstand zu verlieren. Sie sehen sich den Gefahren einer unkontrollierten Migration gegenüber. Sie erleben, wie die Kriminalität zunimmt und wie die Polizei dem hilf- und wehrlos - von der Politik im Stich gelassen - gegenübersteht. Die Menschen müssen erleben, wie die Infrastruktur des Landes unaufhaltsam verfällt, weder Züge noch Briefe kommen pünktlich an. Während weltweit die Wirtschaft im Aufwärtstrend ist, geht es in Deutschland abwärts. Das alles sind nicht Folgen irgendeines Zufalls oder äußerer Einflüsse, es sind die Folgen der konkreten Politik der vergangenen 20 Jahre mit einer deutlichen Zuspitzung seit Regierungsübernahme der Ampel. Zudem wird gerade die Familie unterminiert, die Kerngrößen der Gesellschaft stehen zur Disposition. Jugendliche sollen gegen die Willen der Eltern ihr Geschlecht wechseln können. Die Situation im Land bewegt sich zwischen bedrohlich und absurd. Die Menschen verlieren ihre Hoffnung, ihre Orientierung und ihren Halt. In dieser Situation haben Kirchenvertreter keine anderen Probleme, als eben genau diese verzweifelten Menschen als rechtsradikale zu framen und zu beschimpfen, statt sich ihrer Probleme und ihrer Sorgen anzunehmen. Als Katholik kann man sich dafür nur schämen und besonders die ungläubigen Menschen im Osten des Landes um Verzeihung bitten. Das ist nicht die Botschaft des Evangeliums, das die Bischöfe zu verkünden hätten. Das ist einfach nur peinlicher Populismus.
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