5. Februar 2024 in Kommentar
Eine Debatte über katholische Akademien, ausgelöst von Communio online, könnte den Akademien aber auch der Gesellschaft nützen, ließe man sich darauf ein. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Augsburg (kath.net/rn)
Bei allen, die diesen Kick langweilig finden, entschuldigt sich der katholisch-bildungsbürgerliche Verfasser schon jetzt. Möglicherweise sind viele Leser dieser Kolumne noch nie in einer katholischen Akademie gewesen. Bei anderen mag es länger her sein, vielleicht war jemand jüngst in einer solchen Einrichtung. Man findet sich in gutem bis mittelgutem Tagungsumfeld und nächtigt in gehobenem Dreisterne- Niveau. Beim Frühstück mag man sich hier und dort angesichts des reichhaltigen Körnerangebots fragen, was man hier frühstückt, wenn man kein Wellensittich oder Kanarienvogel ist, aber verhungert ist dort niemand. Auch die Küche gibt sich postmodern gehoben mit regionalen Produkten. Und selbstverständlich wird in Schrift und Wort gegendert, so dass die deutsche Sprache nur noch rudimentär identifizierbar ist. Wenn es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einen Ausdruck des Bildungsbürgertums gab, dann waren das neben den Akademien der großen politischen Stiftungen die katholischen und evangelischen Akademien. Die katholischen Akademien sind gerade in den Fokus einer feuilletonistischen Debatte gerückt. Der Schriftstellen Ulrich Greiner hat in seiner Kolumne im Webmagazin Communio online kritisiert, dass den Akademien das spezifisch Katholische fehlt. Als Beispiel nennt er zwei Akademien, nämlich Hamburg und Frankfurt. Greiner ist kein katholischer Insider aus dem Apparat. Der Journalist und Literaturkritiker war Feuilletonchef der Wochenzeitung "Die Zeit" und später dort verantwortlicher Redakteur des Ressorts Literatur. In seiner Kolumne spitzt er durchaus ordentlich zu, was einer Kolumne gut zu Gesicht steht.
Getroffene Hunde bellen, weiß ein Sprichwort. Getroffene Intellektuelle schreiben eine Replik. Mehrere Akademiedirektoren haben sich über die Kolumne beschwert. Für das von der Fa. APG betriebene Portal katholisch.de stieg der Direktor des Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus in den Ring. Statt intellektuell zu kontern, beschränkte sich Siegfried Grillmeyer auf Stutenbissigkeit und kanzelte die Kritik des Schriftstellers als nicht satisfaktionsfähig ab. Das ist zwar in höchstem Maße bedauerlich, jedoch leider ist es die inzwischen übliche Variante der kirchenoffiziellen Intelligenzija mit widerstrebenden Ansichten umzugehen. Dabei wäre die Kritik von Greiner durchaus einen zweiten Blick wert.
Der Dogmatiker Jan Heiner Tück stieg bei Communio für Greiner in den Ring und stellt zu Recht die Frage: „Warum aber dann die Weigerung, Greiners Einspruch zum Anlass einer selbstkritischen Überprüfung zu machen?“ Immerhin brüsten sich gerade die katholischen Akademien damit, das betont auch Tück, „die Stimme von ‚Fremdpropheten‘ zu hören und die Provokation von Andersorten – ‚Heterotopien‘ – im Sinne des Weltauftrags der Kirche zu würdigen.“ Doch wehe es geht an die Substanz, dann kennt man keine kritischen Verwandten mehr.
Greiner analysierte in seiner Kritik die Programme von zwei Akademien. Sogar den Auslöser für seine Auseinandersetzung gab er an. Es handelte sich um eine Grußkarte zu Weihnachten, die man sicher um drei intellektuelle Ecken herum als irgendwie christlich ansehen konnte, sich aber um die Weihnachtsbotschaft - Gott ist Mensch geworden, um uns zu erlösen – herumdrückte. Ob man denn der Weihnachtsbilder überdrüssige geworden sei, legt Greiner den Finger in die Wunde. An einer solchen Weihnachtskarte zeigt sich das Basisproblem. In der Tat ist das Angebot katholischer Akademien unsagbar vielfältig. Wo sonst findet im Kant- Jahr so viel Auseinandersetzung mit dem Philosophen aus Königsberg statt? In der katholischen Akademie in Schwerte macht im aktuellen Halbjahresprogramm die Beschäftigung mit Kant sieben Seiten aus. Kunst und Kultur bringen es auf 13 Seiten. Kirche und Gesellschaft auf vier Seiten. Muss man mehr dazu sagen?
Wir haben einen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die uns bescheinigt, dass weit über die Hälfte der Menschen in Deutschland für religiöse Themen nicht mehr ansprechbar seien. Exakt vor dieser Frage büxen die Akademien aus. Wo sind Angebote zur Apologetik? Wo sind Angebote zur Frage nach der christlichen Erlösungsbotschaft unserer Tage. Wo sind Angebote zur Mission und Neuevangelisierung? Die Antwort auf diese Fragen kommt aus einer unerwarteten Ecke. Doch dazu später.
Akademien, das muss man an dieser Stelle einfügen, sind weder geistliche Zentren noch Exerzitienhäuser, Akademien sind Orte, die Debatten prägen. Dabei geht es nicht um innerkirchliche Nabelschau oder die kirchliche Eigenrotation, wie sie sich im Synodalen Weg manifestiert, anzutreiben. Tatsächlich sind die katholischen Akademien Weltdienst der Laien in ihrer besten Form. Dort sollen das Wissen und Fertigkeiten intellektuell durchdrungen werden, wie der Christ in der Welt die Welt aus dem Glauben heraus prägen kann. Dazu gehört natürlich die Philosophie, dazu gehört eine gesunde allgemeinverständliche Basistheologie, wie sie der Katechismus vermittelt und dazu gehört eine fundamentale rationale Durchdringung einer gesunden Spiritualität. Dass letzteres auch ganz praktisch getan werden muss, versteht sich von selbst und keine katholische Akademie ohne Kapelle. Aber!
Wer die Landschaft der katholischen Akademien und ihrer Kapellen kennt, weiß sehr wohl, wie man sich – ganz äquivalent zu jener oben genannten Grußkarte zu Weihnachten – darin überbietet, architektonisch und künstlerisch zu glänzen. Manche dieser Kapellen sind künstlerisch meisterliche Scheußlichkeiten über die man ohne Ende diskutieren kann. Aber wer soll denn in sowas beten? Im Übrigen ist auch die in Akademien gefeierte Liturgie häufig für jeden frommen Katholiken einfach nur zum Weglaufen. Nichts dagegen, äußerlich gestaltend das eine oder andere Experiment im geschlossenen Kreis zu wagen. Doch wenn das Experiment zum Kern des liturgischen Handelns wird, flieht das Katholische. Und man kann – sehr intellektuell – darüber diskutieren, ob eine solche Liturgie dem Heil dienlich ist, aber wehe man unternimmt vor Ort den Versuch das zu tun.
Katholischen Akademien das Potential abzusprechen, das sie haben könnten, wäre denkbar ungerecht. Es wäre auch denkbar ungerecht das gesamte Programm der Vielzahl der Akademien in Bausch und Bogen zu verdammen. Katholische Akademien zeigen sich zumindest teilweise und grundsätzlich offen, wenn man bestimmte Programme nachfragt oder – gesetzt den Fall, man hat einen Kostenträger – selber anbieten möchte. Nebenbei bemerkt, wir haben auch in einer Bildungshaus-Kapelle schon eine wunderbare und würdige altrituelle Messe gefeiert. Es geht!
Den Punkt hat dennoch Ulrich Greiner und dieser Punkt wird exakt dann zu einem Satz- oder vielleicht sogar Matchball, wenn die Akademiedirektoren jetzt nicht die vereinte Diva geben, sondern sich auf die eröffnete Debatte einlassen. Da ist nämlich in der Tat eine Menge inhaltliche Luft nach oben. Und die Antwort auf den Umstand, dass mehr als die Hälfte der Menschen sich nicht mehr religiös ansprechen lassen, kann nicht der Rückzug in noch höhere und noch abgedichtetere intellektuelle Elfenbeintürme sein.
Die Antwort muss Mission lauten und eine mögliche Antwort kam aus einer Ecke, die ebenfalls neben dem Gebet und der geistlichen Durchdringung immer die intellektuelle Auseinandersetzung sucht: aus dem Gebetshaus in Augsburg. Statt sich immer weiter von einer Welt zurückzuziehen, plant man dort eine Bewegung zu werden und zu wachsen. Die absurde Intervention ist die logische Antwort Gottes auf die Frage des Menschen. Eine fromme Legende berichtet von Petrus, der aus Rom fliehen will. An der Stadtgrenze begegnet ihm Jesus und Petrus fragt ihn: „Quo vadis, domine?“ Jesus antwortet: „Nach Rom, um mich erneut kreuzigen zu lassen.“ Die Kirche ist wie Petrus in der Legende, sie flieht die Turbulenzen der Welt in dieser Zeit. Jesus hingegen sagt dazu nein, im Gegenteil man muss direkt hineingehen. Ja, Petrus wurde gekreuzigt. Doch Rom wurde zum Zentrum der Christenheit.
Auch die katholischen Akademien sollten sich nicht in eine Beschäftigung mit sich selbst oder mit ihren geliebten Orchideen-Themen zurückziehen. Wo ist die Übersetzung von Thomas von Aquino in unsere Zeit, wo bleibt Bonaventura, Augustinus, Ambrosius, Gregor und die vielen anderen Großen der Theologie und des Denkens. Diese haben der intellektuellen Auseinandersetzung mit dieser Zeit weitaus mehr zu geben als ein neuer Impuls zur Eigenrotation. Es ist so spannend, dass ein Speaker wie Johannes Hartl, der tausende vor seine Videos lockt, gleichermaßen keine Berührungsängste gegenüber Bibel, Vätern und zeitgenössischen Denkern hat. Und – horribile dictu – das ist auch noch ökumenisch und mehr noch es durchbricht sogar die christliche Filterbubble. Das, exakt das, mit einem klaren katholischen Profil wäre die Aufgabe der katholischen Akademien: Filtebubbles zu durchbrechen und gesellschaftliche Debatten aus katholischer Perspektive auszulösen und zu prägen.
Jetzt warten wir mal auf den Tag, an dem eine Akademie Herrn Greiner einlädt. Ich hoffe ganz egoistisch darauf, dass es Schwerte sein wird, dann das ist für mich um die Ecke.
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