Ein unterkomplexes Schreiben blamiert die Bischöfe

26. Februar 2024 in Kommentar


Es wird immer schwerer für Katholiken, sich zum Beispiel für das Leben einzusetzen, wenn die politischen Äußerungen der Bischöfe sich weiterhin so entwickeln. Der Montagskick von Peter Winnemöller


München (kath.net)

Eine permanent um sich selbst kreisende Kirche ist nicht nur denkbar uninteressant, sie ist in noch weitaus höherem Maße irrelevant. Deutschland ist ein Land, in dem mehr als die Hälfte der Menschen keiner christlichen Kirche oder Gemeinschaft mehr angehören. Die katholische Kirche verliert inzwischen schon mal locker eine halbe Million Menschen im Jahr. Der regelmäßige sonntägliche Kirchbesuch, der zumindest in der katholischen Kirche auf Grund des ersten Kirchengebots ein Marker für die Ernsthaftigkeit des Glaubens gesehen werden darf, liegt bei ungefähr fünf Prozent. Jeder kennt das Spiel, am Zählsonntag stellt man die Kommunionkinder vor oder lässt den Chor singen. Die Zahlen dürfen also durchaus als geschönt angesehen werden. Nehmen wir trotzdem die geschönten fünf Prozent und rechnen sie von ungefähr dem Viertel der Bevölkerung, die der katholischen Kirche zumindest nominell angehören, dann kommen wir auf 1,25 Prozent der gesamten Bevölkerung, die mit einer gewissen Ernsthaftigkeit ihren Glauben bekennen und praktizieren. Rechnet man demografische Fakten hinzu, für die es zwar keine validen Zahlen gibt, die aber jeder Sonntag für Sonntag selber sehen kann, dann lässt sich anhand des Alters der Kirchbesucher auch der Trend schnell erkennen, wohin die Zahlen gehen.

Nehmen wir hier einmal an, die betroffenen 1,25 Prozent der Bevölkerung zeigen ein Wahlverhalten, das dem der Gesamtbevölkerung gleicht, wovon übrigens nicht auszugehen ist. Katholiken wählen immer noch in einem weitaus höheren Anteil die Parteien mit dem „C“ im Namen als der Rest der Bevölkerung. Nehmen wir trotzdem den Durchschnitt: In diesem Land wählt zurzeit jeder fünfte die AfD. Dann machten in dieser Modellrechnung die bekennenden, praktizierenden Katholiken, die AfD wählten, gerade 0,25 Prozent der Bevölkerung aus. Für diese zahlenmäßig kaum zu erfassende Gruppe haben die deutschen Bischöfe ein dreieinhalb Seiten umfassendes Papier erarbeitet, das von hohlen Phrasen und leeren Floskeln nur so überquillt. Ausdrücklich jedoch unterstützen die Bischöfe die Demonstrationen „gegen rechts“, bei denen linksextreme und antisemitische Parolen, Transparente und Reden geschwungen werden. Explizit werden Kundgebungen unterstützt, bei denen die Veranstalter eine Partei wie die CSU ausdrücklich als mitgemeint nennen.

Es ist kaum zu bestreiten, dass die Parteispitze der AfD in weiten Teilen völkisch-national denkt und redet. Eine Unterscheidung zwischen ursprünglich Deutschen und eingebürgerten Deutschen ist mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren. Der Begriff „Remigration“ ist ein migrationssoziologischer Begriff, der einen hinlänglich bekannten Vorgang der Rückkehr von Migranten in ihre oder meist die Herkunftsländer ihrer Vorfahren sozialkritisch beschreibt, denn migrationssoziologisch ist Remigration in den meisten Fällen problematisch. Die rückkehrenden Migranten sind, etwas vereinfacht beschrieben, in ihrem Herkunftsland die Deutschen und in Deutschland werden sie mit ihrer vormaligen Herkunftsnationalität angesehen und angesprochen. Es ist bezeichnend, dass die deutschen Bischöfe diesen Begriff in jener toxischen Gestalt verwenden, in der ihn sowohl Identitäre als auch völkische Nationalisten benutzen. Das ist sehr bedauerlich und zeigt ein wenig differenziertes Denken.

Bedauerlich ist ebenfalls die unkritische Unterstützung einer Regierung, die das Volk auffordert, eine außerparlamentarische Opposition gegen die parlamentarische Opposition zu bilden. So etwas kennt man eigentlich nur aus totalitären Staaten. Völlig unkritisch bleibt der deutsche Episkopat gegenüber der Tendenz, jedes nichtlinke Gedankengut, so zum Beispiel Initiativen zum Schutz des menschlichen Lebens, als staatsfeindlich anzusehen und zu verfolgen. Auch die schöpfungstheologisch korrekte Aussage, dass es genau zwei Geschlechter gibt, gilt im besten Deutschland aller Zeiten als „rechts“. Die Einrichtung von informellen Meldestellen, die staatlich finanziert von politisch linken NGOs betrieben werden sollen, sollte weder unterstützt, noch unkritisch hingenommen werden. Man kann darauf warten, dass der erste Priester auf Grund regierungskritischer Aussagen im Rahmen einer Predigt denunziert wird. Die deutschen Bischöfe scheinen damit keine Probleme zu haben. Keine Probleme haben sie ebenfalls damit, Katholiken mit eben jenen auf die Straße zu schicken, die uns im September wieder anbrüllen werden: „Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“. Dieser unsägliche Satz darf so verstanden werden, dass die Antifa auch Bischöfe dabei mit meint.

Wer als Katholik im Lebensschutz die Bischöfe als Freunde sieht, braucht keine Feinde mehr. Es verwundert wenig, wenn der erste Bischof aufgrund der Teilnahme einzelner „rrrrrächter“ Extremisten am Marsch für das Leben, bei diesem nicht mehr mitgehen will. Ehrlich gesagt, bin ich immer wieder froh, wie klar und deutlich sich die Lebensrechtsverbände von extremistischen Positionen distanzieren. Der Schutz des Lebens ist radikal, weil er an die Wurzel des Menschen geht, aber er ist nicht extremistisch, weil er immer jeden und den ganzen Menschen im Blick hat. Wer sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzt, wer sich für den Schutz des kranken und behinderten Lebens einsetzt, wer sich für den Schutz Sterbender vor sogenannter Euthanasie einsetzt, dem sich auch Menschen, die in Not und Seenot geraten sicher nicht gleichgültig. Von wirklichen Lebensschützern war nie etwas anderes zu hören. Nun gut, es mögen einige mitgehen, die den Schutz des Lebens nicht vollumfänglich teilen. Das aber ist deren Problem und nicht das Problem der Veranstalter des Marsches, deren Haltung entgegen einer linksradikalen Propaganda über jeden Zweifel erhaben ist.

Kontaktschuld hingegen scheint ein starkes Motiv zu sein. Vielleicht dürfen wir den einen oder anderen Hirten der Kirche in diesem Jahr trotzdem in Berlin begrüßen. Bei den Gegendemonstranten auf der anderen Seite des Brandenburger Tores sowohl auf der Bühne als auch am Straßenrand, inmitten derer, die dem deutschen Episkopat auf Grund ihrer unzweifelhaft korrekten Haltung „gegen rechts“ ab jetzt deutlich näherstehen dürften als die Lebensschützer, wird sich jeder Bischof sicher herzlich willkommen geheißen fühlen dürfen. Zum Üben hier noch eine weitere der bis September von teilnahmewilligen Bischöfen zu lernenden Parolen: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“

Die obige Überspitzung mag zeigen, wie man eine Mücke zu einem Elefanten aufbläst. Die Mücke ist dabei keinesfalls der ohne Zweifel zunehmende Extremismus in unserer Gesellschaft. Sowohl links als auch rechts der politischen Mitte nehmen radikale politische Vorstellungen gesellschaftlich immer weiter zu und im Politischen immer breiteren Raum ein. Rechte und Linke kommen sich dabei in vielerlei Hinsicht weitaus näher als man denkt. Man unterschätze beispielsweise nie den linken Antisemitismus. Die Grenzen zwischen Populismus und Extremismus verschwimmen zudem immer mehr. Das Parteiprogramm der AfD mag „CDU der 90er“ sein. Doch wer denkt denn ernsthaft mit den Antworten der 90er die Fragen der 2020er beantworten zu können? Zwischen den Extremisten von links und von rechts wird das in der Bevölkerung mehrheitliche Bürgertum völlig zerrieben, da es sich in keiner politischen Partei wirklich wiederzufinden vermag und sich entweder von der Politik abwendet oder am Ende sein Heil in den Extremen sucht.

Das trifft übrigens auch Katholiken und das ist der Hauptgrund, warum mich das Schreiben der Bischöfe so ratlos hinterlässt. Kein einziges der wirklichen gesellschaftlichen Probleme wird benannt und eine politische Lösung dafür angemahnt. Mit keiner Zeile werden diejenigen Katholiken und auch alle anderen Staatsbürger wirklich ernst genommen, deren zum Teil existentielle Sorgen unter der gegenwärtigen vollkommen wirklichkeitsfremden Regierungsideologie von Tag zu Tag größer werden.

Also ja, man kann nicht zugleich Pfarrgemeinderat und AfD-Mitglied sein. Sobald das nachvollziehbar wirklich die größte Sorge der deutschen Bischöfe ist, haben wir es geschafft. Bis es soweit ist, haben wir noch einige Probleme zu bewältigen, die die Katholiken ebenso wie alle anderen Bürger im Land betreffen. Angefangen vom Wirtschaftlichen Abschwung, eine überbordende Bürokratie, existenzbedrohende Gesetze wie das umstrittene Heizungsgesetz bis hin zu massiven Freiheitseinschränkungen.

Das Postulat der Menschenrechte und der Menschenwürde am Ende des Schreibens wirkt geradezu lau. In einem Staat, der zunehmend Freiheitsrechte eingrenzt, beschränkt und unter Vorbehalt stellt, eben diese Vorgänge und Gesetzesinitiativen nicht laut und deutlich anzuprangern ist eine sträfliche Unterlassung. Man sieht die Absicht und ist verstimmt. Die deutschen Bischöfe lassen sich nur zu gern vor den Karren der Regierung spannen. Gegen alle nichtlinken Meinungen, gegen alle bürgerlichen und liberalen Menschen vorzugehen, ist gerade so schön opportun. Von der katholischen Soziallehre ist das in keinem Falle gedeckt. Als Katholik und Staatsbürger, als Demokrat, der sein Land und seine Freiheit liebt, kann man sich von diesem peinlichen Schreiben nur distanzieren. Es ist mindestens unterkomplex.


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