Der Katholikentag versteckt die Schönheit des Glaubens

11. März 2024 in Kommentar


Zeitgeist dominiert, wo es widerborstige Kritik daran geben müsste. Darum kann der Katholikentag nur scheitern. Ein Wortgottesdienst zu Fronleichnam ist für den Bischof von Erfurt sein persönlicher Highlight. Der Montagskick v. Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Bald ist Katholikentag in Erfurt. Schon gemerkt? Nein? Ich gestehe, hätte ich nicht beruflich damit zu tun, die Nachricht wäre bei mir kaum angekommen. Mit diesem nahezu absoluten Desinteresse stehe ich nicht allein. Dabei machte der kommende Katholikentag sogar ordentlich Schlagzeilen im Vorfeld. Der Vorsitzende des Trägervereins trat mit Krach zurück, weil seiner Ansicht nach die Themen der Ostkatholiken nicht vorkämen. Der aus dem Westen der Republik stammende Bischof reagierte mit Unverständnis. Ist man ehrlich zu sich selbst, so kommen Themen der Katholiken insgesamt nicht vor. Immer wieder hört man den Vorwurf, Katholikentage und evangelische Kirchentage glichen immer mehr grünen Parteitagen. Dieser Vorwurf ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, schaut man auf die Themen und Teilnehmer der Podien. Ohne sich allzu sehr in Details zu verlieren, lässt sich sagen, wer ein Forum zum Thema Abtreibung macht und keinen katholischen Lebensschützer auf dem Podium hat, dafür aber einer grünen Ministerin eine Plattform gibt, für die völlige Freigabe der vorgeburtlichen Kindstötung zu werben, hat den Schuss nicht gehört. Das steht pars pro toto. In der Hauptstadt eines Bundeslandes einen durch und durch politischen Katholikentag zu machen und zugleich die bei den kommenden Landtagswahlen vermutlich stärkste Partei auszugrenzen, ist an Dummheit kaum zu überbieten, wenn man zugleich völlig unkritisch dezidiert antikatholische Politiker von der anderen Seite des politischen Spektrums reden lässt. Eine bessere Wahlkampfhilfe kann sich die AfD in einem Land mit einem verschwindend geringen Katholikenanteil an der Bevölkerung gar nicht wünschen. Die Katholiken sind gegen die AfD? Na, dann kann man sie ja vermutlich wählen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Prima gemacht. Ausgrenzung von Menschen mit unangenehmen Meinungen ist eben nichts als Cancel Culture. Und diese rächt sich, weil die ausgegrenzten dadurch erst so richtig interessant werden. Dabei wäre es umso notwendiger, die AfD thematisch zu stellen und zu entzaubern.

Traditionell beginnt der Katholikentag am Christi Himmelfahrt. In Erfurt startet er am Hochfest Fronleichnam. Traditionell beginnt der Katholikentag mit einer Heiligen Messe. Nicht so in Erfurt. Dort findet, wie in der Diaspora üblich, wo Fronleichnam kein Feiertag ist, die Heilige Messe erst am Abend statt. So weit, so gut. Etwas ungewöhnlich ist es dennoch, dass der Bischof von Erfurt den Wortgottesdienst am Donnerstagvormittag als sein persönliches Highlight bezeichnet. Zum einen ist es wohl doch eher eine Sakramentsandacht, wenn man die Beschreibung liest. Zum anderen bezeichnet die Kirche die Eucharistiefeier als Quelle und Höhepunkt des katholischen Lebens. Da ist mit dem Bischof oder wohl vermutlich eher mit dem Team, das den Bischof gebrieft hat, der Zeitgeist durchgegangen.

Schaut man in das Programmheft, dann dominieren diesen Katholikentag tatsächlich die politischen Themen. Gender, Klima und Migration stehen im Fokus vieler Programmpunkte. Podien und andere Veranstaltungen sind erkennbar linkslastig besetzt. Natürlich gibt es auch geistliche Themen, doch die werden kaum öffentliche Aufmerksamkeit finden. Ebenfalls gewöhnen muss man sich wohl daran, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Abschlussgottesdienst eine verbotene Dialogpredigt hält. Liturgische Regeln interessieren in den großen Kontexten der Kirche in Deutschland schon lange nicht mehr. Mag man hier oder dort eine durchaus beeindruckende liturgische Choreografie konstatieren müssen. Liturgische Regeln sieht man eher als freundliche Empfehlungen an. Es kommt statt auf geistliche Tiefe bei diesen Events längst mehr auf die zu erzeugenden beeindruckenden Fernsehbilder an.

Steter Punkt der Kritik sind die Kosten der Katholikentage. In Erfurt beteiligt sich die Stadt mit 600.000 Euro an den Gesamtkosten, nachdem zunächst von 1,2 Millionen die Rede war. Trotz Förderung mit öffentlichen Geldern machen Städte als Veranstalter von solchen Großevents immer Gewinne. Die Polemik gegen die öffentliche Förderung speist sich bis dato einzig und allein aus irrationalen religionsfeindlichen Motiven. Ein ernster Einwand gegen die öffentliche Förderung könnte künftig die rapide sinkende Teilnehmerzahl sein. In Erfurt rechnet man mit 20.000 Teilnehmern, was eine optimistische Prognose darstellt. In Stuttgart waren es 2022 26.000 Teilnehmer, in denen allerdings 7000 Mitwirkende enthalten waren. Bei fortschreitender Tendenz kann man Katholikentage bald in Kongresshallen stattfinden lassen. Schon vor zwei Jahren wurde kritisiert, dass wohl der größte Anteil der Teilnehmer entweder Mitwirkende oder bei kirchlichen Einrichtungen Beschäftigte gewesen sein sollen. Die innerkirchliche, wie auch die öffentliche Relevanz von Katholikentagen lässt sogar noch weitaus stärker nach als die gesellschaftliche Relevanz der Kirche insgesamt.

Das quasi völlige Fehlen von Veranstaltungen zu drängenden kirchlichen Themen wie Neu- und Erstverkündigung, Katechese, Apologetik und nicht zuletzt die Frage der kirchlichen Binnenmission angesichts einer rapide sterbenden Glaubenspraxis der Getauften, macht den Katholikentag zu einem Event ohne Bedeutung für den gelebten Glauben in einer zunehmend säkulären Gesellschaft. Während Veranstaltungen wie das MEHR Festival, der Adoratio-Kongress und andere Glaubensfeste sich stetig wachsenden Interesses erfreuen, aber von der säkulären Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen werden, schrumpfen Kirchen- und Katholikentage, werden aber besonders von öffentlich-rechtlichen Medien noch sehr stark berücksichtigt. Beispielsweise werden die großen Gottesdienste dieser Veranstaltungen noch immer von ARD oder ZDF übertragen. Für die Veranstalter wie auch für die Sender stellt das eine zunehmende Herausforderung dar, schon ist Stuttgart waren die leeren Reihen weiter hinten und am Rand nicht zu übersehen.

Schon jetzt steht fest, dass der nächste Katholikentag in Würzburg sein wird. Man wird die Erfahrungen von Erfurt abwarten müssen, um zu sehen, ob die Teilnehmerzahl in Würzburg schon eine Eins am Anfang der fünfstelligen Zahl hat oder man sogar vielleicht schon vierstellig sein wird. Auch ein überraschendes Wachstum ist nicht auszuschließen, da die fränkische Stadt sehr verkehrsgünstig liegt. Der grundsätzlichen Tendenz, die von den 200.000 Teilnehmern 1982 in Düsseldorf in vierzig Jahren auf ein Zehntel geschrumpft ist und weiter schrumpfen wird, wird man mit dem gegenwärtigen Format der Katholikentage keinen Einhalt gebieten. Es bleibt zu fromm für einen linksgrünen Politevent und es ist zu säkular, als dass es attraktiv für Gläubige oder am Glauben interessierte in wirklich größerer Zahl sein kann. Da totgesagte sich eines recht langen Lebens erfreuen, sollte man die Katholikentage nicht vorzeitig für tot erklären. Sie werden sich professionalisieren in dem Sinne, dass sie immer mehr zu einem Kongress für kirchliche Mitarbeiter und Kirchenfunktionäre aller Ebenen werden. Die Katholikentagsblase wird immer enger statt immer weiter und damit eben auch immer weniger interessant für außenstehende, die schon allein des auf der Veranstaltung gesprochenen innerkirchlichen Soziolekts nicht mächtig sind. Klein und abgeschlossen, so lautet die Zukunft der Katholikentage, wenn sich der Trend fortsetzt.

Zwei Dinge sollte man dennoch keinesfalls unterlassen: Sie einerseits publizistisch kritisch zu begleiten und andererseits entschieden von der Teilnahme abzuraten. Katholikentage, das darf man vielleicht als Fazit mindestens des jüngsten Jahrzehnts ziehen, sind Kirche zum Abgewöhnen. Tatsächlich haben nach jetzigem Stand die verschiedenen – zum Teil ökumenischen – Glaubensfestivals ein weitaus höheres Potential. Sie strahlen Glaubensfreude aus, wo Katholikentage mit bedenklicher Miene Moralin verspritzen. Sie wirken einladend, wo Katholikentage mit politischer Schwere abschrecken. Sie machen neugierig auf diesen dreifaltigen Gott, von dem man beim Katholikentag nur noch ganz am Rande hört. Und mit diesem letzten Satz ist eigentlich genau das Kernproblem genannt. Der wichtigste in der Kirche ist Gott. Dazu gehört mit Gott zu reden. Und es gehört dazu über Gott zu reden und über das, was Gott von uns und für uns will. Auch wenn dem Westfalen das Halleluja nur schwer über die Lippen geht, seine Hände unten und seine Füße auf dem Boden bleiben, so kommt man nicht umhin zuzugeben, dass man bei einem fetzigen Lobpreis oft mehr über Gott und sein eigenes Verhältnis zu Gott lernen kann als bei 100 klugschwätzenden Podien.

Der Katholikentag hat auf Grund seiner Wurzeln in einem Kulturkampf eine großartige Vergangenheit, weil es sein Anliegen war, die Größe und Schönheit unseres Glaubens zu zeigen. Es war ein weiteres Anliegen, die Gläubigen darin zu stärken, den Glauben aktiv in den Staat und die Gesellschaft zu tragen. Der Katholikentag hat eine geradezu scheußliche Gegenwart, weil er die Irrtümer des säkularen Mainstreams in die Kirche tragen will und sich mit aller Kraft bemüht, die Größe und Schönheit des katholischen Glaubens hinter einer geradezu scheußlichen zeitgeistigen Ästhetik zu verbergen. Darum scheitert der Katholikentag.


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