6. September 2004 in Aktuelles
Kardinal Theodore McCarrick (New York) über Verantwortung der katholischen Wähler und Kandidaten bei bevorstehenden Wahlen in den USA
New York (kath.net/Zenit.org)
Nach Kardinal Theodore McCarrick, dem Erzbischof von New York, lautet die Leitlinie für die Wahlentscheidung von Katholiken: Gewissensfreiheit aber erst nach gründlicher Information über die Lehre der Kirche. Die US-Wahlberechtigten, von denen ungefähr ein Viertel katholisch sind, werden im November einen neuen Präsidenten wählen. Ohne einen Kandidaten zu favorisieren, hat ein Sondergremium der amerikanischen Bischofskonferenz, dem Kardinal McCarrick vorsteht, Richtlinien herausgegeben, die den Gläubigen helfen sollen, ihrer moralischen Verpflichtung nachzukommen, wie es der Kardinal in einem Interview mit der italienischen Zeitung Avvenire ausdrückte.
ZENIT: In einem Zweiparteiensystem, wie dem der Vereinigten Staaten, kann das politische Programm eines Kandidaten nur schwer jedem Teil der katholischen Soziallehre Genüge leisten. Wie soll sich ein Katholik angesichts zweier in jedem Fall mangelhafter Kanditaten entscheiden?
Kardinal McCarrick: Den idealen Kandidaten zu finden ist nicht nur schwer, sondern unmöglich. Wir weisen die Gläubigen aber darauf hin, dass es trotzdem immer wichtig ist, die Grundlagen der katholischen Morallehre zu vertreten und als Kandidat und Wähler im Bewußtsein zu haben. Wir wollen zum Ausdruck bringen, dass wir am politischen Leben unseres Landes teilhaben und daran interessiert sind.
ZENIT: Welche Hinweise geben Sie als Bischöfe den amerikanischen Katholiken, die sich auf die Wahl im November vorbereiten?
Kardinal McCarrick: Die Voraussetzung ist, dass die Bischöfe keinen Kandidaten gegenüber dem anderen bevorzugen. Wir wollen nicht direkt in politische Entscheidungen eingreifen. Was wir tun, ist auf die katholische Soziallehre und die Dokumente, die vom Heiligen Stuhl zur Beziehung zwischen Staat und Kirche veröffentlicht wurden, hinzuweisen und den Gläubigen die Kriterien vorzugeben, welche die politische Entscheidung eines Katholiken anleiten sollen. Die Grundidee ist, dass es eine Tugend ist, ein verantwortungsvoller Bürger zu sein und dass es eine moralische Verpflichtung ist, am politischen Prozess wie etwa bei Wahlen teilzunehmen.
ZENIT: Was sind dann die Prinzipien, die ein Katholik an die erste Stelle setzen muss, wenn er eine politische Entscheidung trifft?
Kardinal McCarrick: Das Erste ist der Respekt vor dem Leben. Das muss die Grundlage für jede Diskussion und politische Entscheidung sein. Aber das ist nicht die einzige Bezugsgröße. Die katholische Lehre weist auch darauf hin, dass bei Fragen in den Bereichen Frieden, soziale Gerechtigkeit und Hilfe für die Armen eine verantwortungsvolle Politik notwendig ist. Wir sind bemüht, den Gläubigen zu vermitteln, dass verantwortungsvolle Staatsbürgerschaft bedeutet, über diese Themen Bescheid zu wissen und sich dafür einzusetzen. Wir sagen auch, dass jede Entscheidung in Gewissensfreiheit getroffen werden muss, aber erst nachdem man sich selbst gründlich über die Lehre der Kirche informiert hat.
ZENIT: In den letzten Monaten haben mehrere amerikanische Bischöfe öffentlich oder im Rahmen der Bischofskonferenz über die Möglichkeit gesprochen, Kandidaten von der Eucharistie auszuschließen, die sich wie John Kerry Katholiken nennen aber das Recht auf Abtreibung unterstützen. Die US-Bischöfe haben sich vor kurzem in einer Versammlung in Colorado zurückhaltend zu dieser Frage geäußert. Was ist das Ergebnis des Sondergremiums, dem Sie vorsitzen?
Kardinal McCarrick: Wir untersuchen diese Frage noch, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt obliegt die Entscheidung jedem einzelnen Bischof, der die Situation seiner Diözese besser als jeder andere kennt und auch das Engagement und das Handeln der lokalen Politiker. Wir haben völliges Vertrauen, dass jeder von ihnen in der Lage sein wird, die richtige Entscheidung zu treffen. Aber wir haben alle Bischöfe darauf hingewiesen, dass wir als Bischofskonferenz die politische Instrumentalisierung der Eucharistie vermeiden möchten und dass der Altar nicht der passende Schauplatz für Kämpfe ist, die an anderen Orten ausgefochten werden können und müssen.
ZENIT: Was ist die Aufgabe Ihres Sondergremiums für katholische Bischöfe und katholische Politiker?
Kardinal McCarrick: Das Ziel unserer Arbeit ist, den Dialog zu fördern. Wir suchen nach dem besten Weg, mit katholischen Politikern beider Parteien in Kontakt zu treten und mit allen den Dialog offen zu halten. Wir möchten ihnen erklären, was die wichtigen Themen für einen Katholiken sind und warum. Und wir erinnern sie daran, dass sie nicht mit gutem Gewissen zur Kommunion gehen können, wenn sie gegen die Lehre der Kirche handeln selbst unter Berücksichtigung ihrer Gewissensfreiheit.
ZENIT: Letzte Woche nahmen Sie und andere amerikanische Kardinäle an einem Kongress der Vereinigung Ritter von Kolumbus (Knights of Columbus) teil, bei der auch George W. Bush anwesend war. Die US-Presse hat das als Unterstützung für den Wahlkampf des Präsidenten interpretiert. Was ist ihre Antwort?
Kardinal McCarrick: Ich bin der Einladung einer Vereinigung gefolgt, die in allen US-Diözesen sehr aktiv ist und enorm zu Berufungen und zu Wohltätigkeitsaktivitäten von US-Katholiken beiträgt. Sie ist die größte katholische Vereinigung der Vereinigten Staaten und sie lädt aus Tradition die US-Bischöfe und -Kardinäle zu ihrer jährlichen Versammlung ein, die ich persönlich beispielsweise nie auslasse. Niemand, einschließlich mir selbst, nahm zu Ehren des Präsidenten teil, sondern wegen der Vereinigung und ihrer Arbeit.
ZENIT: Während des Wahlkampfs werden die absurdesten Interpretationen über das Verhalten von Mitgliedern der Kirche in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Stört Sie das? Glauben Sie, dass man dem entgehen kann?
Kardinal McCarrick: Instrumentalisierung und Missverständnisse sind immer möglich, und es ist sehr schwer, sie zu vermeiden. Besonders wenn ein Hirte vor Ort lebt und arbeitet, so wie ich, dann ist man noch mehr in das nationale politische Leben involviert und noch mehr der Aufmerksamkeit der Medien ausgesetzt. Es ist wichtig zu wissen, wie man mit diesen Situationen umgeht, ohne einen Skandal auszulösen. Das Sondergremium, dem ich vorstehe, gibt den Bischöfen diesbezüglich Hilfestellungen.
Die Hauptsache ist es immer, mit allen einen offenen Dialog zu führen, selbst mit dem Risiko von Missverständnissen. Ich habe mich schon öfter als nur einmal sozusagen in Schwierigkeiten gebracht, weil ich bereit war, mich mit jedem zu treffen und mit jedem zu reden, aber ich habe vor, so weiterzumachen. Der Heilige Vater handelt in dieser Hinsicht eindeutig, und ich werde immer versuchen, seinem Beispiel zu folgen.
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