25. März 2024 in Chronik
25.3.1984 - heute vor 40 Jahren: Johannes Paul II. hatte alle Bischöfe der Welt, einschließlich der orthodoxen, dazu eingeladen, an Mariä Verkündigung eine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens zu vollziehen. Gastbeitrag von Michael Hesemann
Vatikan (kath.net) Am 13. Mai 1981 um 17.19 Uhr feuerte der Türke Ali Agca auf der mittwöchlichen Generalaudienz drei Schüsse auf den Papst ab. Sofort wurde der Mann in der weißen Soutane, auf der jetzt ein großer, blutroter Fleck zu sehen war, in die römische Gemelli-Klinik gebracht.
Nach einer Bluttransfusion wurde mit der Operation begonnen. Sie dauerte fünf Stunden und zwanzig Minuten. Zwar mussten fünfundzwanzig Zentimeter seines Darms entfernt werden, doch die Ärzte konnten aufatmen. Das Geschoss hatte die Halsschlagader um ganz wenige Millimeter verfehlt, zudem war kein lebenswichtiges Organ getroffen worden. Der Papst konnte gerettet werden. Für alle Beteiligten war es ein Wunder!
Doch wer hatte den Türken, einen Profi-Killer, engagiert? Er war Mitglied der islamofaschistischen Grauen Wölfe – doch war es tatsächlich ein islamistischer Anschlag? Immer lauter wurden Stimmen, die auf die vielen Indizien verwiesen, die für einen Anschlag im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes KGB sprachen.
Den Papst ließen diese Spekulationen gleichgültig. „Das interessiert mich nicht, denn es ist der Teufel gewesen, der das getan hat“, erklärte er später, „Und der Teufel kann auf tausend verschiedene Arten Verschwörungen anzetteln, und ich habe für keine dieser Methoden das geringste Interesse.“ Viel mehr als die Hintermänner des Täters interessierten ihn aber die Umstände seiner Rettung. Kurz nach Weihnachten 1983 besuchte der Papst seinen Attentäter Ali Agca im Gefängnis; ein Bild, das um die Welt ging. Noch immer machte der Türke einen verwirrten Eindruck. Er konnte nicht begreifen, weshalb der Anschlag, den er so gründlich vorbereitet hatte, misslungen war. Statt den Papst um Verzeihung zu bitten, stellte er bohrende Fragen. Er wollte wissen, was im Dritten Geheimnis von Fatima steht.
Auch der Papst war überzeugt, dass seine Rettung ein Wunder war. „Eine Hand hat den Schuss abgefeuert, und eine andere Hand hat das Geschoss gelenkt“, stellte er fest. Diese Hand, er bezeichnete sie als mano materna, als „mütterliche Hand“, war die Hand Mariens. Für ihn war es kein Zufall, dass der Anschlag am 64. Jahrestag der ersten Erscheinung von Fatima 1917 stattfand. Im Krankenbett ließ er sich alle Akten zu den Erscheinungen, darunter auch die drei Geheimnisse von Fatima, bringen. Die Gottesmutter hatte tatsächlich den Aufstieg des Kommunismus beschrieben, die Kinder hatten eine Vision von einem Attentat auf den Papst. Die Erscheinung bat aber auch darum, dass der Papst ihr Russland weiht – dann würde sich das Land bekehren und auf der Welt eine Zeit des Friedens beginnen. Am 1. Jahrestag des Attentates reiste er nach Fatima, um Maria für seine Rettung zu danken und das letzte Überlebende der drei Seherkinder, die damals 75jährige Karmeliterin Lucia zu treffen und sie über die Geheimnisse und den Wunsch Mariens zu befragen.
Am 8. Dezember 1983 schickte er Briefe an alle Bischöfe der Welt, einschließlich jene der orthodoxen Kirchen, in denen er sie dazu einlud, mit ihm gemeinsam am Festtag Mariä Verkündigung, dem 25. März 1984, eine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens zu vollziehen. Zu diesem Zweck ließ er die Gnadenstatue eigens von Fatima nach Rom einfliegen, wo sie die Nacht in seiner Privatkapelle verbrachte. Am nächsten Morgen wurde sie vor dem Petersdom aufgestellt, wo Johannes Paul II. zum Abschluss eines zweistündigen Pontifikalhochamtes die Weiheformel sprach. Zeitgleich vollzogen Hunderte Bischöfe in aller Welt mit ihren Gemeinden denselben Ritus. Zudem war ein Vertrauter des Papstes, der slowakische Bischof Pavlo Hlinica, als Tourist nach Moskau gereist. Auf einer Führung durch die Kreml-Kathedralen sonderte er sich ab, um die Weiheformel zu sprechen und mit einer mitgebrachten Ampulle voll Wein und Mini-Hostie das heilige Messopfer zu feiern. „Vom Atomkrieg, von unberechenbarer Selbstzerstörung, von jeder Art des Krieges, bewahre uns!“; betete er gemeinsam mit dem Papst. „Ist Russland jetzt geweiht?“, ließ Johannes Paul II. später über seinen Apostolischen Nuntius bei Schwester Lucia nachfragen. Sie bejahte. „Jetzt warten wir auf das Wunder“, meinte der Nuntius. „Gott wird sein Wort halten“, versprach sie.
Nicht einmal ein Jahr nach der Weltweihe, am 11. März 1985, wurde Michail Gorbatschow neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Er kündigte an, dass fortan ein neuer Wind in Russland herrschte: Von Glasnost, einer neuen Offenheit, und Perestroika, „Umgestaltung“ war jetzt die Rede. Stattdessen setzte eine in der Geschichte einzigartige Rechristianisierung des orthodoxen Landes ein. Hätte die Weltweihe nicht stattgefunden, so erklärte Sr. Lucia später, wäre 1985 ein globaler Atomkrieg ausgebrochen.
Dass sie damit recht hatte, beweisen Tatsachen, die erst in der Jelzin-Ära ans Licht kamen. Mit Konstantin Tschernenko war im Februar 1984 ein Hardliner in der UdSSR an die Macht gekommen, der auf die strikt antikommunistische Politik der USA unter Ronald Reagan die militärische Option, den Einmarsch in Westeuropa, also einen Präventivschlag erwog. Die Beziehungen zum Westen hatten schon mit dem NATO-Doppelbeschluss von 1979 und der Stationierung neuer Atomraketen auf deutschem Boden ab Dezember 1983 einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Doch ausgerechnet am ersten Fatima-Tag nach der Weihe, am 13. Mai 1984, ereignete sich in der UdSSR eine Katastrophe, die mit einem Schlag alle Kriegspläne zunichte machte. Erst im Jahr 2000 wurde bekannt, dass die Sowjets für den Fall eines Erstschlags das gesamte Arsenal der Halbinsel Kola einsatzbereit gemacht hatten. 2000 Raketen aller Kategorien lagerten in den zum Teil unterirdischen Schutzräumen von Seweromorsk bei Murmansk. Doch am 13. Mai 1984 kam es dort zu einer gigantischen Explosion, der ein fünftägiger Brand folgte. Eine pilzförmige Wolke bildete sich, etwa 200 Soldaten kamen durch ihre giftigen Dämpfe ums Leben.
Dabei wurden 80 % des Raketenbestandes vernichtet, was einem Drittel des Gesamtbestandes der russischen Nordflotte entsprach. Tschernenko blieb nichts anderes übrig, als den USA neue Abrüstungsverhandlungen anzubieten. Doch noch bevor die Großmächte sich in Genf am Verhandlungstisch trafen, verstarb der Generalsekretär überraschend nach nur dreizehnmonatiger Amtszeit. Als sein Nachfolger wurde jetzt ein Mann des Dialogs gewählt, eben besagter Michail Gorbatschow.
1988 wurden der Kirche in Russland erstmals wieder umfangreiche Rechte eingeräumt, 1991, nach dem Putsch ausgerechnet am Fatima-Jahrestag, dem 19. August, brach die kommunistische Sowjetunion zusammen. Ein Radiosender, der eingeschmuggelt worden war, um ein christliches Radioprogramm für Russland aufzubauen, diente damals Boris Jelzin, um die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Putschisten aufzurufen. Am 22. August 1991 war der Putsch niedergeschlagen - ausgerechnet am Festtag Mariä Königin, der bis 1969 als „Fest des Unbefleckten Herzens Mariens“ gefeiert wurde. Weist das nicht eindeutig auf die Prophezeiung hin, in Russland würde „Mein Unbeflecktes Herz triumphieren“?
Doch auch die versprochene „Zeit des Friedens“ kam, als im Herbst 1989 in Europa die Mauern und nach ihnen, eines nach dem anderen, die kommunistischen Regime fielen, weil Gorbatschow nicht mehr bereit war sie zu stützen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, redete er Erich Honecker ins Gewissen, als dieser am 7. Oktober 1989 die Montagsdemonstrationen in Leipzig und Dresden mit einem Schießbefehl im Keim ersticken wollte. So verdanken wir Deutschen unsere Einheit letztendlich der Gottesmutter von Fatima, die Johannes Paul II. das Instrument in die Hand gab, um den Kommunismus zu besiegen.
Diese Friedenszeit endete am 24. Februar 2022 mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Statt der Gottesmutter für das Geschenk des Friedens und der Freiheit zu danken, hatte große Teile Europas in den letzten drei Jahrzehnten den Glauben verloren. Erst 2023 begann eine neue Tradition, der Madonna von Fatima am 12. Oktober mit einer Lichterprozession durch das Brandenburger Tor zu danken; dies wird wieder am 12. Oktober 2024 geschehen. Auch Papst Franziskus setzte auf die Botschaft des Himmels, als er am 25. März 2022 die Weihe Russlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens auf dem Petersplatz vollzog. Zuvor waren Putins Panzer auf dem besten Weg, Kiew und den Rest der Ukraine zu besetzen, seitdem konzentriert sich der Krieg auf die Rebellengebiete im Osten des Landes. Beten wir, dass wir jetzt genügend Beter finden, die den Geist der Weihe von 1984 leben und erneut einen Dritten Weltkrieg verhindern.
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