24. April 2024 in Weltkirche
Wiener Ostkirchen-Generalvikar Kolasa im Kathpress-Interview: "Die größte Tragödie dieses Krieges ist die gnadenlose und rücksichtslose Tötung von Tausenden von Zivilisten, insbesondere von unschuldigen Kindern"
Wien (kath.net/KAP/red) Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine fordert immer mehr zivile Opfer. Das hat der Wiener Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa am Dienstag gegenüber Kathpress betont. "Die größte Tragödie dieses Krieges ist die gnadenlose und rücksichtslose Tötung von Tausenden von Zivilisten, insbesondere von unschuldigen Kindern, durch ständige russische Raketen- und Drohnenangriffe auf die Wohngebiete in der Ukraine", so Kolasa. Er hätte am Montag im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz mit einer Delegation der Päpstlichen Missionswerke in die Ukraine reisen sollen, um Hilfsprojekt vor Ort zu besuchen. Die Reise musste unmittelbar vor Beginn aber verschoben werden. "Leider erfahren wir über Nachrichten nicht, wie dramatisch das Ausmaß der Zerstörung ist", so der Generalvikar. Er nannte im Kathpress-Gespräch einige Zahlen, die die Not der Bevölkerung und die Kriegsverbrechen Russlands illustrieren würden.
Die Menschenrechtsbeobachtungsmission der Vereinten Nationen in der Ukraine habe etwa bestätigt, dass im Jänner 2024 mindestens 641 Zivilisten in der Ukraine getötet oder verletzt wurden. Damit setze sich der Anstieg der Zahl der zivilen Opfer (Tote und Verletzte) seit Dezember 2023 fort. Die Zahl der bestätigten zivilen Opfer sei im Jänner 2024 um 37 Prozent höher gelegen als im November 2023. Der Anstieg der zivilen Opfer sei vor allem auf die verstärkten Angriffe der russischen Streitkräfte mit Raketen und Drohnen im ganzen Land zurückzuführen. "Diese Angriffe auf Gebiete, die weit von der Frontlinie entfernt sind, führten auch zu einem Anstieg der Zahl der Getöteten und Verletzten bei Familien mit Kindern, die aus den umkämpften Gebieten geflohen sind und in anderen Teilen der Ukraine Zuflucht gefunden haben", so Kolasa.
Verheerende Zwischenbilanz
Der aktive Beschuss von Städten mit Raketen, Drohnen und Artillerie sei Teil der russischen Kriegstaktik, was zu einer erheblichen Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Städten und Gemeinden führe, insbesondere in der Nähe der Frontlinie. Kolasa: "Anfang 2024 waren mehr als 50 Prozent des Wohnungsbestands in einer großen Zahl von Städten und Gemeinden durch die verstärkten Angriffe der russischen Streitkräfte mit Raketen und Drohnen beschädigt oder zerstört." Nach vorläufigen Angaben regionaler Militärverwaltungen belaufe sich die Gesamtzahl der zerstörten oder beschädigten Wohngebäude bis Ende 2023 auf etwa 250.000, davon 222.600 Privathäuser sowie 28.000 Mehrfamilienhäuser und Wohnheime. 1.284 Gesundheitseinrichtungen seien vollständig zerstört.
Insgesamt seien 3.800 Bildungseinrichtungen durch die Angriffe beschädigt worden. In vielen Regionen sei der Unterrichtsbetrieb in Schulen und anderen Einrichtungen für lange Zeit eingestellt worden. Gezielte Lahmlegung Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine wurden 19 zivile Flughäfen und mindestens 126 Bahnhöfe und Bahnbetriebswerke beschädigt. Nach öffentlichen Angaben des Ministeriums für kommunale, territoriale und infrastrukturelle Entwicklung seien u.a. alle Wärmekraftwerke zumindest beschädigt worden. Aufgrund der intensiven Angriffe im Osten und Süden der Ukraine sowie regelmäßiger Raketenangriffe im ganzen Land hätten weiter mindestens 426 große und mittelgroße private und staatliche Unternehmen sowie Zehntausende von kleinen Privatunternehmen ihren Betrieb eingestellt oder ihre Arbeit erheblich eingeschränkt.
Infolgedessen hätten 12,5 Millionen Menschen in mindestens sechs Regionen des Landes (Donezk, Saporischschja, Luhansk, Mykolajiw, Charkiw und Cherson) den Zugang zu Dienstleistungen verloren. Weitere 13 Millionen Menschen in sieben Regionen hätten nur eingeschränkten Zugang. Durch Hilfe Hoffnung geben Kolasa: "Es ist für die Menschen in der Ukraine sehr wichtig zu wissen, dass sie nicht vergessen sind. Das gibt ihnen Kraft und Hoffnung, um überleben zu können. Wir dürfen uns in Österreich einfach nicht an die Kriegsverbrechen in der Ukraine gewöhnen. Wir müssen diesen Menschen eine Stimme geben und laut und klar die Wahrheit über diesen ungerechten, völkerrechtswidrigen Krieg sagen. Es ist unsere Verantwortung als Christen, alles zu tun, was wir können, um das Leben der Menschen zu retten und das Leid zu lindern."
In vielen Gebieten der Ukraine seien noch immer Millionen von Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, etwa auf Lebensmittel, Medikamente und Kleidung. Kolasa appellierte an die Österreicherinnen und Österreicher, in der Unterstützung der Not leidenden Menschen in der Ukraine nicht nachzulassen und weiterhin zu spenden. Unter anderem bemüht sich auch die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche, die Not der Menschen, vor allem auch der Kinder und Familien, im ganzen Land nach Kräften zu lindern. Das Ostkirchenordinariat hat dazu ein eigenes Spendenkonto eingerichtet. Kardinal Christoph Schönborn gehört jenem Leitungsgremium an, das über die Verwendung der Spendengelder entscheidet.
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