29. April 2024 in Kommentar
Deutsche Bischöfe zeigen sich auf einem Auge blind. Populismus macht den klerikalen Elfenbeinturm so viel gemütlicher. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Nach dem umstrittenen Papier der deutschen Bischöfe „gegen Rechts“ beginnt so langsam dessen Umsetzung in den deutschen Diözesen. So schreibt der Generalvikar des Bistums Trier an die Verantwortlichen in Gemeinden und Verbänden: „… bei ihrer Frühjahrsvollversammlung hat die Deutsche Bischofskonferenz unter dem Titel ‚Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar‘ einstimmig ein Positionspapier gegen Rechtsextremismus verabschiedet…“. In der Tat ist „völkischer Nationalismus“ mit der Lehre der Kirche nicht vereinbar. Es gibt wohl niemanden, der das ernsthaft bestreiten würde. Erstaunlicherweise spricht niemand derzeit davon, dass „dialektischer Materialismus“ ebenso wenig mit der Lehre der Kirche vereinbar ist. Um jetzt keinen Whataboutismus in die Welt zu setzen, einfach ein konkreter Komplex, der pars pro toto zeigt, dass die Welt eben nicht so eindimensional ist, wie sich Spitzenkleriker das in ihrem Elfenbeinturm der ekklesialen Irrelevanz vorstellen.
Eines der erschreckendsten Derivate des „dialektischen Materialismus“ ist die daraus hervorgehende Unkultur des Todes. Es ist kaum zu fassen, mit welcher Energie sich Sozialisten jeglicher Couleur, ganz gleich ob die national, international oder ökologisch ausgerichtet sind, sich gegen eine Kultur des Lebens aufstellen. Immer sehen wir eine gruppenbezogene Lebensfeindlichkeit. Im Fokus der gegenwärtig in Europa dominanten Formen des Sozialismus stehen derzeit das Ungeborene Leben und das Leben in seiner letzten Phase. Beide sollen beliebig nach Wünschen der für sie verantwortlichen Menschen getötet werden dürfen. So sehen es die feuchten Träume diverser politisch linker Gruppierungen. Kirchliche Kommentare dagegen fallen eher dünn aus. Es ist wenig Erstaunlich, dass zugleich Ideen, wie Leihmutterschaft und Eizellspende im Gleichschritt mit der Abtreibung postuliert werden. Was niemand deutlich sagt, in jedem Kontext künstlicher Befruchtung, Eizellspende oder Leihmutterschaft spielt die selektive Tötung überzähliger Kinder – auch in der Gebärmutter – eine wesentliche Rolle. Abtreibung wird nicht von Ungefähr als grundständiger Bestandteil „reproduktiver Selbstbestimmung“ betrachtet. Gerade sozialistische Gruppierungen, die frei erfundene Rechte auf sogenannte „reproduktive Selbstbestimmung“ postulieren, haben das ebenfalls erfundene Recht auf Abtreibung immer mit im Blick. Der Kinderhandel ist ein blutiges Geschäft, weil auf dem Weg zu einem geborenen Kind viele Tote Kinder am Wegesrand liegen. Dies Drama anzuprangern und offen zu legen, was hier gerade über unsere Kultur hereinbricht, ist ein Verdienst der Publizistin Birgit Kelle, die in ihrem Buch „Ich kauf mir ein Kind“ das in weiten Teilen tödliche Drama des Komplexes der Leihmutterschaft beschrieben hat. Das Buch ist lesenswert aber es verdirbt einem den Tag. Gleichzeitig schicken sich rote und grüne Sozialisten in deutschen Bundestag an, die Tötung von Kindern vollständig zu legalisieren, solange sie nicht geboren sind. Man erkennt sehr leicht die Dialektik. Um denen Kinder zu verschaffen, die aus Altersgründen keine Kinder mehr bekommen können, oder weil ein Mann und ein Mann eben keine Kinder bekommen können oder weil – gar nicht so selten – die Dame sich die Figur nicht ruinieren möchte, gibt es weltweit einen schwunghaften Handel mit Kindern, der um ein Vielfaches mehr tote Kinder und als „Surrogate“ bezeichnete Leihmütter produziert als am Ende tatsächlich lebende und lebensfähige Kinder dabei herauskommen. Es ist eine Industrie des Todes, kein Werk des Lebens.
Vermutlich sterben in einem ganzen Jahr auf dem Mittelmeer nicht so viele Flüchtlinge, die von skrupellosen Verbrechern in maroden Schiffen in Richtung Europa gefahren werden, wie in einem Monat Kinder in den Laboren der sogenannten Reproduktionsmediziner. Nein, kein Leben ist mehr und kein Leben ist weniger wert. Man kann kein Leben eines Geborenen gegen das eines Ungeborenen aufwiegen. Jeder Mensch ist von Gott geschaffen. Das Sterben von Flüchtlingen auf der Flucht ist eine Schande und die Komplexität der Ursachen von Flucht und Vertreibung verbietet einfache Urteile. Zugleich ist es ein Ding der Unmöglichkeit immer mehr Menschen nach Europa zu holen, die hier ihr Glück suchen und es erwartungsgemäß nie finden werden. Es braucht einer weltweiten Anstrengung, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen. Es braucht nicht noch mehr Kumpanei von europäischen Gutmenschen m/w/d mit kriminellen Schleppern.
Weder der Komplex Flucht und Vertreibung noch der Komplex Lebensfeindlichkeit am Beginn und Ende des Lebens kann hier erschöpfend beschrieben werden. Beide Themen wurden aus einem einzigen Grund angerissen: Es gilt zu brandmarken und anzuprangern, dass sich deutsche Bischöfe ohne Not vor den Karren eines demokratiegefährdenden Prozesses spannen lassen, indem sie – blind auf dem linken Auge – wildwütig auf alles und alle eindreschen, was als „rechts“ geframt wird. Auch in dem Schreiben des Trierer Generalvikars fehlt jeglicher Hinweis auf linken Extremismus, der sich gerade mit antisemitischen Parolen und Hetzattacken auf die Straße traut. Es fehlt jeglicher Hinweis auf linke Cancel Culture, die den offenen Diskurs nicht nur scheut sondern unmöglich macht. Es fehlt jeglicher Hinweis auf den Demokratie und Freiheit gefährdenden Wokismus, der sich in weiten Teilen der Gesellschaft breit macht und inzwischen sogar das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ernsthaft bedroht.
Da wird stattdessen plötzlich ein Mitglied einer in zahlreichen deutschen Parlamenten vertretenen Partei aus einem Kirchengremium entfernt, obwohl er nie völkische Ansichten geäußert hat oder in irgendeiner Weise gegen die Kirche gesprochen oder agiert hat. Zugleich wird die Präsidentin des umstrittenen „ZdK“ von Bischöfen hofiert, die flächendeckende Möglichkeiten der vorgeburtlichen Kindstötung fordert. Es passt einfach vorne und hinten nicht und jeder Katholik, der einen einigermaßen funktionierenden freiheitlichen Kompass hat, bekommt bei derart naiver politischer Augendienerei der eigenen Hirten einfach nur die Krätze. Man ekelt sich vor sowas.
Ja, wir brauchen in dieser Zeit einen sinnvollen politischen Kompass, denn wenn man es ernst nimmt, gibt es derzeit im gesamten Spektrum der politischen Parteien keine einzige relevante Gruppierung, die ein Katholik mit einem ruhigen Gewissen wählen könnte. Katholische Soziallehre mit ihren Grundprinzipien Subsidiarität und Solidarität findet sich in keiner Partei. Eine gesunde christliche Anthropologie vertritt keine Partei, auch nicht die mit dem „C“. Eine christliche Ökologie, die eine von Papst Benedikt XVI. postulierte Ökologie des Menschen integriert, findet sich bei keiner politischen Partei in Deutschland. Ein Konzept zur Förderung der Familie als Keimzelle einer gesunden Gesellschaft, die auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als Kern der gesunden Familie gründet, findet sich bei keiner politischen Partei in Deutschland. Die Liste ließe sich noch weiterführen. Es bräuchte dringend eines politischen Kompass für Katholiken, der politisch interessierte und politisch aktive katholische Christen darin bestärkt wieder Politik auf dem Boden kirchlicher Lehre zu machen. Es bräuchte Bischöfe, die Katholiken bestärken für politische Bildung zu sorgen, damit das christliche Menschenbild wieder mehr Raum in der Politik gewinnt. Nur: Damit kann man nicht so schön punkten, wie mit einem „Kampf gegen rrrrrrächts“. Schade eigentlich! Aber nicht nur als politisch interessierter Katholik ist man in Deutschland verwaist. Die Hirten befinden sich mehrheitlich in Eigenrotation um ein gemeinsames Zentrum mit dem linksreformistischen pseudokatholischen Funktionärswesen. Solange das so ist, ist auch in politischer Hinsicht keine Hilfe von den Hirten zu erwarten. Leider muss man zu dieser Erkenntnis kommen.
Hoffnungslosigkeit ist dennoch nicht angezeigt. AfD-Politikern das aktive und passive Wahlrecht für irrelevante Kirchengremien zu entziehen, ist lächerlich. Weit über 90% der Katholiken zeigen sich bei den einschlägigen Wahlen an ihrem aktiven wie auch am passiven Wahlrecht für diese Gremien absolut desinteressiert. Man kann als Pfarrgemeinderat übrigens beliebige Häresien vertreten, ohne auch nur ermahnt zu werden. So viel dazu. Für die politische Bildung von Katholiken, so viel sei gesagt, werden Thinktanks wachsen, ganz einfach, weil es notwendig ist. Wenn ein Bischof den Mut hat, eine alternative Hochschule für Theologie zu gründen, wir vielleicht auch einer mal den Mut finden, einen politischen Thinktank zu gründen. Also etwas Geduld und sollte sich einer (Laie oder Kleriker) berufen fühlen sowas ins Leben zu rufen, warum nicht einfach anfangen.
Das Foto zeigt die Skyline von Köln. Kirchtürme geben Orientierung, vielleicht auch irgendwann wieder politische Orientierung. Foto: Pixabay
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