11. Mai 2024 in Jugend
Und ein Zeichen, dass ich das richtige mache, ist eine konstante innere Ruhe, die nicht gestört ist durch Gedanken, dass ich eine andere Entscheidung hätte treffen können. Die Jugendkolumne von kath.net - Von Viktoria Samp
Krakau (kath.ent)
Junge Menschen (aber nicht nur) fragen sich oft, was ihre Berufung ist. Sie fragen nach dem „Willen Gottes“, nicht nur, wenn es darum geht, ob man eine Familie gründen oder Priester/Ordensschwester werden soll, sondern auch in größeren und kleineren alltäglichen Entscheidungen – bei der Berufswahl, bei der Frage, wie ich den freien Nachmittag am besten nutzen soll usw. Im Leben begegnen wir immer wieder Entscheidungsdilemmata.
Am Ende ist unsere wichtigste Berufung – und dieses Ziel sollten wir immer im Auge behalten – die Berufung zur Heiligkeit. Dementsprechend sollten wir ein Leben leben, das uns und andere nicht davon abhält, heilig zu werden, sondern gerade dazu verhilft. Doch wie nutze ich die zahlreichen Gnaden und andere Ressourcen, die ich von Gott geschenkt bekommen habe, am besten, um diese Heiligkeit für mich und Andere zu erlangen?
Antworten suchen wir auf unterschiedliche Weise – im Gespräch mit Anderen, in Lektüren, aber oft auch einfach im Internet, in der Hoffnung, dass wir in irgendeinem Moment erhellt werden.
Doch was, wenn unsere Suche unbeantwortet bleibt? Was, wenn sich häufig herausstellt, dass die Entscheidung, die wir für „richtig“ hielten, nicht zu dem gewünschten oder zumindest einem guten Resultat führt?
Dazu kommt, dass es neben den „Zeichen“ von Gott auch viele falsche Signale geben kann und es schwierig ist, zu erkennen, ob ein bestimmtes Zeichen wirklich von Gott ist oder vielleicht doch vom Bösen, um uns vom richtigen Weg abzuführen.
Aus unterschiedlichen Lektüren und Erfahrungen kann ich folgende Punkte nennen, die dabei helfen sollen, Entscheidungen zu treffen:
Entdeckung seiner Berufung durch alltägliche Situationen, wie zufällige Begegnungen mit anderen Menschen oder andere, sehr uneindeutige und kaum bemerkbare Signale. Ich muss zugeben, dass ich oft daran zweifele, ob sich wirklich hinter einigen Situationen ein „Zeichen Gottes“ verbirgt oder ob einige Menschen hier nicht einfach nur überinterpretieren und zwanghaft versuchen, in jeder Kleinigkeit ein Zeichen zu sehen. Andererseits habe ich von dieser Methode schon mehrmals gehört und gelesen, auch bei Heiligen, und denke, dass es doch einen Versuch wert ist, bewusster durch den Alltag zu schreiten und aus bestimmten Situationen Konsequenzen zu ziehen – nicht nur, weil uns dann auf mystische Weise Gottes Willen zuteilwerden kann, sondern auch darum, weil uns diese Situationen viel über uns selber und darüber, was wir wirklich wollen, sagen können.
Gespräche mit den Nächsten – sie kennen uns am besten und wollen, dass wir glücklich sind. Wenn sie auch dieselben Werte vertreten, ist das eine perfekte Grundlage. Keiner ist unfehlbar und auch unsere Nächsten können sich irren, aber dennoch ist die Chance auf eine gute Entscheidung größer, wenn wir sie mit jemandem konsultieren. Je mehr Erfahrung und „Lebensweisheit“ die Person hat, desto besser. Darum ist es auch absolut wertvoll, gute Beziehungen mit Menschen älterer Generation aufrechtzuerhalten. Obwohl sie uns manchmal so rückständig vorkommen, haben sie schon vieles erlebt, sowohl positive, als auch negative Erfahrungen gemacht, viele Fehler begangen und daraus gelernt. Das ist ein unglaublicher Schatz, den man nirgendswo erwerben kann und von dem man unbedingt schöpfen muss!
Die Auseinandersetzung mit wichtigen Inhalten, manchmal sogar vielfach. Wir haben einen riesengroßen Schatz an Weisheit in unterschiedlichen Texten und Konferenzen, die uns andere, oft heilige Menschen hinterlassen. Und dass wir ein Buch vor 10 Jahren gelesen oder eine Konferenz gehört haben und es uns damals nicht geholfen hat, heißt nicht, dass es heute nicht anders sein wird. Das, was uns in einem bestimmten Lebensmoment bewegt und umgibt, hat großen Einfluss darauf, wie wir bestimmt Sachen wahrnehmen und so kann die Lektüre diesmal komplett anders auf uns wirken. Oder wir sind um zahlreiche Erfahrungen reicher und können uns für bestimmte Inhalte öffnen, die uns zuvor komplett nicht bewegt haben.
Alles in allem müssen wir in all diesem nicht unbedingt eine eindeutige Antwort auf unsere konkrete Fragen finden, aber die Mühen darum, sich ständig intellektuell und geistlich weiterzuentwickeln, bleiben nicht ohne Frucht – wir spüren diese Entwicklung selber eher nicht und denken auch, dass wir unterschiedliche Dinge schon wieder vergessen haben, aber doch bleibt das, was wir mal erlebt, gehört, gesehen, gelesen haben, irgendwie schon in uns. Vielleicht haben wir auch manchmal Gedanken, dass wir nichts Besonderes in unserem Leben erreicht haben. Aber vielleicht geschehen in dir und um dich herum Sachen, die ein Segen für dich und andere sind, aber du bist dir dessen einfach zur Zeit nicht bewusst. Vielleicht erfährst du es auch bis ans Lebensende nicht – ich wage zu behaupten, dass das gut sein kann, denn es hilft uns, nicht in Übermut zu verfallen. Ein katholischer Rapper hat mal ein Lied über Gottes Liebe zu uns geschrieben, das ein Mann zufällig gehört hat, als er gerade aus dem Fenster springen wollte, um sich umzubringen. Als er das Lied hörte, hat er sein Leben komplett umgekrempelt und ist nun ein glücklicher Mensch. Alles Gute, was in uns und durch uns geschieht, ist nicht unser Verdienst. Es ist unsere Pflicht, all das Gute, was wir nur erhalten (und nicht selber geschaffen haben), weiterzugeben.
Etwas, was mich letztes bei einer Lektüre sehr bewegt hat, war die Aussage, dass wenn wir uns nicht konkret darum bemühen, unsere Berufung zu entdecken, dann übernimmt die Zeit oder ein anderer Mensch die Entscheidung für mich. Und ein Zeichen, dass ich das richtige mache, ist eine konstante innere Ruhe, die nicht gestört ist durch Gedanken, dass ich eine andere Entscheidung hätte treffen können.
Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass man aus jeder Lage noch das beste machen kann. Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, dafür können wir aktiv die Gegenwart und die Zukunft mitgestalten. Natürlich hängt nicht alles nur von uns ab, aber dennoch können wir nicht nur passiv schauen, was uns das Leben bringt, sondern müssen selber bewusst in die Rolle des Regisseurs springen.
Wenn du mit der Lektüre bis zu diesem Punkt gekommen bist, aber weiterhin keine Antwort erhalten hast, wie man den Willen Gottes richtig erkennen kann, dann muss ich dich enttäuschen, denn ich habe auch keine Antwort darauf. Ich selber bin die ganze Zeit auf der Suche und werde es sicher noch lange sein. Aber ich freue mich sehr über Kommentare, was aus eurer Erfahrung das beste Rezept gegen Entscheidungsdilemmata ist.
© 2024 www.kath.net