„Je veux voir Dieu – Ich möchte Gott sehen“

25. Mai 2024 in Jugend


Predigt von Kard. Gerhard Müller in Chartres: „Die Kirche Christi ist oft nur eine kleine Herde, eine verfolgte und verkannte Minderheit. In Wirklichkeit aber ist sie in Christus Salz der Erde, Licht der Welt...“ - VIDEO Messe/außerordentliche Form


Chartres-Rom (kath.net) Kardinal Gerhard Ludwig Müller (Archivfoto) predigte am Pfingstmontag in der Kathedrale von Chartres (Frankreich) zum Abschluss der Pfingstwallfahrt. Zu der Wallfahrt, die eine Wegstrecke von ca. 100 km von Paris her umfasste, hatten sich etwa 18.000 Jugendliche angemeldet, die Wallfahrt steht dieses Jahr unter dem Thema „Ich möchte Gott sehen“. Zur Wallfahrt gehört die Feier der Sakramente in der außerordentlichen Form der Liturgie. kath.net veröffentlicht die Predigt des Kardinals in voller Länge im deutschsprachigen Original, die Predigt wurde von ihm auf Französisch gehalten.

Liebe Brüder und Schwestern im Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes!

Um Gott zu sehen, müssen wir in der Nachfolge Christi den Weg unseres Lebens gehen bis zum Ziel in der ewigen Heimat. Jesus ist nicht irgendein Prophet und Sinnstifter oder Werteproduzent, sondern das Fleisch gewordene Wort Gottes. Nur er allein konnte zu seinen Jüngern sagen: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ (Joh 14, 9).

Es ist die wunderbare Folge der Inkarnation des Wortes Gottes in der menschlichen Natur und Lebensgeschichte Jesu, dass wir auf dem menschlichen Antlitz Jesu die Herrlichkeit Gottes erkennen. Der Logos oder das Wort und die Vernunft Gottes, ist das Licht, das jeden Menschen erleuchtet. Jesus Christus und führt uns sicher hin zum Sinn und Ziel unseres Lebens, wenn wir Gott schauen von Angesicht zu Angesicht. Und die liturgische Prozession so vieler tausender junger Christen von Paris zu dieser herrlichen Kathedrale von Chartres repräsentiert symbolisch den Pilgerweg der Kirche zum Himmlischen Jerusalem.

Und in der heiligen Eucharistie, die wir jetzt miteinander feiern, antizipiert die Kirche sakramental das himmlische Hochzeitsmahl aller Erlösten mit dem Lamm Gottes, Mit Jesus Christus, der sich historisch-real auf dem Altar des Kreuzes geopfert hat zu unserem Heil. Die überstandenen physischen Mühen unseres Pilgerwegs und die besiegten psychischen Anfechtungen und mentalen Zweifel vertiefen und bestärken die Hoffnung der Glaubenden, dass sie auf dem geraden Weg sind zum Reich Gottes, in dem Seine Gerechtigkeit, Seine Güte und Seine Liebe die Neue Ordnung der Welt begründen.

Die Väter des II. Vatikanischen Konzils berufen sich auf die große Theologie der Geschichte des Hl. Augustinus in seiner Schrift De Civitate Die, wenn sie den Weg der pilgernden Kirche zu dem dreieinigen Gott folgendermaßen beschreiben: „Die Kirche ‚schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin‘ und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird.“ (Lumen gentium 8).

Da sind also auf der einen Seite unseres irdischen Pilgerweges die Verfolgungen, unter denen die Kirche zu leiden hat so wie vorher schon ihr Haupt und Meister selbst. Seit den Anfängen des Christentum im römischen Gallien erfuhren in Lyon und Vienne zahlreiche Christen durch aufgehetzte Volksmassen und die staatlichen Autoritäten am eigenen Leib das ganze Arsenal der Feindschaft gegen den katholischen Glauben – angefangen von der öffentlichen Verleumdung bis zur grausamsten Folter und Hinrichtung. Allein das Bekenntnis zu Christus machte sie des Todes schuldig. Und bis zum heutigen Tag sind die Christen die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft in der Geschichte der Menschheit. Die Dechristianisierung Europas ist das aktuelle Programm derer, die ihm seine Seele rauben und zum Opfer ihres posthumanistischen Atheismus machen wollen.

In christlicher Deutung aber ist die Geschichte aber nicht das Schlachtfeld der Kämpfe um Macht, Reichtum und egoistischen Lebensgenuss. Eusebius von Cäsarea sagt dagegen im V. Buch seiner Kirchengeschichte, wo er vom Martyrium der Christen in Lyon zur Zeit des Kaisers Marc Aurel spricht, dass er die Geschichte vom Staat Gottes versteht als den friedlichen Kampf für den inneren Frieden der Seele und das Heil der Welt. Die Helden des Christentums sind nicht wie in der Profangeschichte die Imperatoren und Feldherrn, sondern die Kämpfer für die Wahrheit und den Glauben. Die Christen kämpfen nicht gegen andere Menschen, sondern gegen das Böse im eigenen Herzen und in der Welt. Sie setzten sich ein für den Frieden auf Erden und für soziale Gerechtigkeit.

Ein leuchtendes Beispiel und Vorbild ist der Priester Franz Stock (1904-1948), dessen sterbliche Überreste hier in der Kirche Saint-Jean-Baptiste ruhen. Er war ein großer Friedensstifter, insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich nach den beiden verheerenden Weltkriegen. Er versammelte die deutschen Seminaristen in französischer Kriegsgefangenschaft, damit sie ihr Theologiestudium fortsetzten konnten. Er war der Regens des berühmten „Stacheldrahtseminars von Chartres“, aus dem 600 Priester und Bischöfe kamen.

Summa summarum: Das Prinzip aller Ethik ist die Würde jedes Menschen als eine Person, die von Gott geschaffen und zum ewigen Leben bestimmt ist.

Und da sind auf der anderen Seite des Pilgerwegs zu Gott die Tröstungen Gottes. Mit seiner Hilfe gehen wir mutig voran und schauen hoffnungsvoll aufwärts trotz aller äußeren Anfechtungen und der Versuchung zur Resignation und innerer Emigration.

„Fürchtet euch nicht, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16, 33). Der gekreuzigte und auferstandene Herr sagt dies an jedem neuen Tag zu seinen Jüngern, die ihm entgegengehen auf dem Weg ihres persönlichen Lebens in der Gemeinschaft mit der ganzen pilgernden Kirche. Wer in der Überzeugung lebt, dass Gott ihn von Ewigkeit her erwählt, in Christus erlöst und zum ewigen Glück und Frieden bestimmt hat, der ist immun gegen die Propaganda und das Opium der politischen Ersatzreligionen. Selbstzerstörung im Suizid, in Drogen und Alkohol oder das Nein zu unser männlichen oder weiblichen Geschlechtlichkeit sind keine Optionen für Christen.

Und wir treten furchtlos ein für das Lebensrecht jedes einzelnen Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, für seine unantastbare Würde, für die bürgerliche, ethische und religiöse Freiheit jedes einzelnen Menschen. Das zeitliche Wohl und das ewige Heil kommen nämlich von Gott, der uns durch seine Gnade erlöst hat von der destruktiven Macht des Bösen. Gott hat uns im Heiligen Geist berufen und fähig gemacht am Aufbau Seines Reiches der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens mitzuarbeiten.

Der wahre Trost, der uns trägt im Leben und im Sterben, ist die Erkenntnis der Wahrheit im Verhältnis von Gott und Mensch: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh 3, 16).

Die Kirche Christi ist oft nur eine kleine Herde, eine verfolgte und verkannte Minderheit. In Wirklichkeit aber ist sie in Christus das Salz der Erde, das Licht der Welt, die Avantgarde der ganzen Menschheit auf dem Weg zu ihrem Ziel. Und das ist nicht zu verwechseln mit all den entsetzlich gescheiterten Experimenten eines menschengemachtes Paradieses auf Erden.

Das Ziel der Geschichte ist vielmehr „der neue Himmel und die neue Erde. Die Heilige Stadt, das Neue Jerusalem, kommt herab vom Himmel wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.“ (Offb 21, 2). (Offb 21, 1-5).

„Der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt stehen und seine Knechte werden ihm dienen. Sie werden sein Angesicht schauen und sein Name ist auf ihre Stirn geschrieben. Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (Offb 22, 3-5)

Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat!
Archivfoto Kardinal Müller (c) kath.net

VIDEO der Schlussmesse in der außerordentlichen Form der Liturgie


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