Die Demut ist die Pforte zu allen Tugenden - das Beispiel Marias

22. Mai 2024 in Aktuelles


Franziskus: In einer Welt, in der es darum geht, sich anderen gegenüber als überlegen zu erweisen, schlägt Maria durch die Kraft der Gnade Gottes entschlossen die entgegengesetzte Richtung ein. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn / und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“ (Lk 1,46-48).

Zwanzigste Generalaudienz des Jahres 2024. Papst Franziskus beendete seine Katechesenreihe zum Thema der Tugenden und Laster und beschäftigte sich abschließend mit der besonderen, den Zugang zu Gott stiftenden Tugend der Demut.

Auch wenn diese nicht zu den Kardinaltugenden oder den göttlichen Tugenden gehöre, bilde sie doch eine wesentliche Grundlage christlichen Lebens. Der Mensch, von Gott groß und wunderbar geschaffen, gerate nur allzu leicht in eine Haltung des Hochmuts und des Stolzes. Und so erinnere die Bibel gleich zu Beginn daran, dass der Mensch vom Erdboden genommen sei und zum Staub zurückkehren werde (vgl. Gen, 3,19).

Das demütige Bewusstsein der eigenen Schwachheit und Begrenztheit sei so heilsam und begünstige viele weitere gute Grundhaltungen wie Sanftmut, Barmherzigkeit und Reinheit des Herzens: „Maria ist uns darin das bedeutendste Vorbild. Aufgrund der Demut seiner Magd konnte Gott Großes an ihr vollbringen“.

***

Die Bibel erinnere uns also von Anfang an daran, dass wir Staub sind und zum Staub zurückkehren werden. „Demütig“ („humilis“) komme nämlich vom Substantiv „humus“, Erde. Dennoch entstehe im menschlichen Herzen oft ein Allmachtswahn, der sehr gefährlich sei.

Um uns vom Dämon des Stolzes zu befreien, würde es genügen, den Sternenhimmel zu betrachten, um das rechte Maß wiederzufinden. Die moderne Wissenschaft ermögliche es uns, den Horizont noch viel weiter auszudehnen und das Geheimnis, das uns umgebe und bewohne, noch mehr zu spüren.

„Selig sind die Menschen, die diese Wahrnehmung ihrer eigenen Kleinheit im Herzen bewahren“, so Franziskus: „Sie werden vor Überheblichkeit bewahrt“. In seinen Seligpreisungen gehe Jesus genau von diesen aus: „Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Es sei dies die erste Seligpreisung, weil sie die Grundlage für die folgenden darstelle: Sanftmut, Barmherzigkeit, Reinheit des Herzens entstünden nämlich aus diesem inneren Gefühl der Kleinheit: „Die Demut ist die Pforte zu allen Tugenden“.

Auf den ersten Seiten der Evangelien schienen Demut und Armut des Geistes der Ursprung von allem zu sein. Die Verkündigung des Engels finde nicht vor den Toren Jerusalems statt, sondern in einem abgelegenen Dorf in Galiläa, das so unbedeutend sei, dass man gesagt habe: „Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?“. Aber gerade von dort aus werde die Welt neu geboren.

Die auserwählte „Heldin“ sei keine kleine Königin, sondern ein unbekanntes Mädchen: Maria. Sie selbst sei die erste, die staune, als der Engel ihr die Ankündigung Gottes überbringe. In ihrem Lobgesang, dem Magnificat, komme genau dieses Staunen zum Ausdruck. Gott sei sozusagen von der Kleinheit Marias angezogen, die vor allem eine innere Kleinheit sei: „Sie hatte sicherlich noch viele andere Eigenschaften, die nach und nach in der Geschichte der Evangelien auftauchen werden, aber die einzige, die erwähnt werden muss, ist diese: die Demut“.

Jesus antworte sofort: „Ja, selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28). Nicht einmal die heiligste Wahrheit ihres Lebens - die Mutter Gottes zu sein - werde für sie zu einem Grund, sich vor den Menschen zu rühmen. In einer Welt, in der es darum gehe, zu erscheinen, sich anderen gegenüber als überlegen zu erweisen, schlage Maria entschlossen und allein durch die Kraft der Gnade Gottes die entgegengesetzte Richtung ein.

Wir könnten uns vorstellen, dass auch sie schwierige Momente erlebt habe, Tage, an denen ihr Glaube in die Dunkelheit geriet. Aber sie habe nie in ihrer Demut geschwankt, die bei Maria eine granitische Tugend ist: „Sie ist immer klein, immer ohne sich selbst, immer frei von Ehrgeiz. Diese ihre Kleinheit ist ihre unbesiegbare Stärke: Sie ist es, die am Fuß des Kreuzes bleibt, während die Illusion eines triumphierenden Messias zerbricht“.

„Demut ist alles“, so der Papst abschließend: „Sie bewahrt uns vor dem Bösen und vor der Gefahr, seine Komplizen zu werden. Sie ist die Quelle des Friedens in der Welt und in der Kirche. Gott hat uns in Jesus und Maria ein Beispiel dafür gegeben, zu unserem Heil und zu unserem Glück“.

Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, lasst uns in diesem Marienmonat von der Mutter Gottes Demut lernen, damit der Allmächtige auch an uns und durch uns Großes vollbringen kann. Du demütige Magd des Herrn, bitte für uns!

Die Pilger und Besucher aus Polen grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ich grüße die Polen ganz herzlich. Der Mai ist in eurem Land traditionell der Monat der Erstkommunion. Ich richte meine Gedanken an alle Kinder, die diese wichtige Begegnung mit Jesus erleben, und ich ermutige sie, in dieser Zeit der Freude auch die Nöte ihrer Altersgenossen zu sehen, die leiden, Opfer von Krieg, Hunger und Armut sind. Möge Maria uns den demütigen Dienst lehren, der die Quelle des Friedens in der Welt und in der Kirche ist. Ich segne euch von Herzen.

Foto (c) Vatican Media

 


© 2024 www.kath.net