Theologe: Russische Kirche muss Symbiose mit Putin-Regime lösen

5. Juni 2024 in Weltkirche


Wiener Dogmatiker Tück in "Presse"-Gastkommentar: Stützt die Russisch-orthodoxe Kirche weiterhin Putins Kriegspolitik, ist sie "Verstärker der Zerstörung und damit Hure der Macht"


Wien (kath.net/KAP) Mit scharfen Worten hat der Wiener Theologe Prof. Jan-Heiner Tück die Russisch-orthodoxe Kirche (ROK) und ihren Patriarchen Kyrill für ihre Unterstützung des Putin-Regimes verurteilt. In einem Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse" (Dienstag) ruft der Dogmatiker die ROK dringend auf, ihre fragwürdige Symbiose mit dem Regime Putins zu lösen. Stütze sie dieses weiter, sei sie nichts anderes als eine "Hure der Macht".

Um der Kriegspolitik des Kreml theologische Weihen zu geben, bemühe die ROK neuerdings das sperrige Motiv des "Katechon", schreibt Tück. Im Neuen Testament gebe es eine "dunkle Stelle", in der von dem "Aufhalter", dem sogenannten "Katechon", die Rede ist. Er solle das Kommen des Antichristen verhindern.

Die ROK bezeichne nun in einem neuen Strategiepapier unter Verwendung des Motivs des "Katechon" Russland als Bollwerk gegen die westliche Dekadenz. Schon der umstrittene deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt habe in der Weimarer Krisenzeit ein Interesse an stabilen Ordnungsmächten entwickelt und dem autoritären Staat die Rolle des "Katechon" zugeschrieben. Unter Rückgriff auf Schmitt habe nun der russische Ideologe Alexander Dugin, Mitglied des Moskauer Thinktank Katehon, Russland als "Aufhalter" bezeichnet und die militärische Expansion Wladimir Putins begrüßt.

Erstaunlich sei, so Tück, dass sich die ROK diese Ideologie zu eigen gemacht habe. Der Westen, der "das verbrecherische Regime in Kiew" unterstütze, werde in dem Strategiepapier als satanisch eingestuft. Dem widersetze sich Russland in einem "Heiligen Krieg". Bislang seien aber Heilige Kriege eine Spezialität des militanten Jihadismus gewesen, gibt der Wiener Theologe zu bedenken.

"Der Schulterschluss des Moskauer Patriarchen mit Putin fußt auf wechselseitigen Interessen", wies Tück hin. "Die Kirche erhält vom Staat Geld und Privilegien, die Politik bekommt von der Kirche ideelle Unterstützung und Segen."
Putin als von Gott erwählter Führer

Tück macht in seinem Gastkommentar auf ein interessantes Detail aufmerksam: Nach der feierlichen Vereidigung zur fünften Amtszeit von Präsident Putin am 7. Mai habe es ein "theologiepolitisch aufschlussreiches Nachspiel" gegeben. In der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale in Moskau habe der Patriarch eine Dankandacht abgehalten und den Präsidenten als von Gott erwählten Führer gewürdigt und diese Worte durch einen Segen bekräftigt. Tück: "Das wirft die Frage auf, ob sich die russisch-orthodoxe Kirche als Magd der Politik andient - oder ob sie die heimliche Herrin der neoimperialen Agenda ist. Drei Wangenküsse zwischen Patriarchen und Präsidenten waren das sichtbare Symbol der Symbiose von Kirche und Staat."

Kyrill maße sich an, kritisiert der Theologe, "gleichsam mit Gottes Auge zwischen guten und bösen Mächten in der Geschichte unterscheiden zu können". Stütze sie weiter Putins Kriegspolitik, sei sie freilich nicht "Aufhalter", sondern "Verstärker der Zerstörung und damit Hure der Macht".

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