Was ist katholisch?

13. Juni 2024 in Kommentar


"Michael Winter bemüht sich in dem Artikel 'Das ist halt (nicht) katholisch' (Konradsblatt) den Schirm für „Katholischsein“ so weit zu öffnen, dass möglichst alle darunter Platz haben." Gastbeitrag von Prof. Hubert Gindert


Bonn (kath.netDer Fels) Das, was aktuell unter dem Dach des „Katholischsein“ firmiert, erscheint als eine Kirche der grenzenlosen Vielfalt. Michael Winter bemüht sich in dem Artikel „Das ist halt (nicht) katholisch“ (4. Konradsblatt 2024, S. 4-7) den Schirm für „Katholischsein“ so weit zu öffnen, dass möglichst alle darunter Platz haben.

Jetzt nachdem sich herausgestellt hat, dass sexuelle Missbrauchsfälle in der protestantischen Kirche in vergleichbarer Zahl vorkommen und 2023 extrem hohe Austrittszahlen aus der Kirche der „Freiheit“ mit allen Rechten für Frauen feststeht, bricht das Kartenhaus der Mehrheitsfraktion des „Synodalen Weges“ in der katholischen Kirche in sich zusammen. Nun geht es darum, alles, was im Synodalen Prozess angestrebt wurde „katholisch“ zu taufen. Das wurde auch auf einem kirchlichen Studientag in Freiburg praktiziert. Der Studientag hatte den Titel „das ist halt (nicht) katholisch“. Die eigenartige Überschrift ging an-geblich auf das Wort einer Frau zurück, die auf einer vorausgegangenen Veran-staltung auf den Bericht über einer Theologin gefallen sein soll. „Offenbar ging die Person davon aus, zu wissen, was katholisch ist und was nicht mehr katho-lisch ist“ (Winter). Das war ein Sündenfall im kirchlichen Relativismus.

Winter fragt: „Was macht das Katholische aus“. Statt die Frage kurz zu beant-worten als Einheit im Credo, den sieben Sakramenten, den zehn Geboten und dem Gebet Jesu zählt er die „vielen Formen und Traditionen (auf), in denen sich katholisches ausdrückt“. Er versucht das Gemeinte an der Vielfalt der mu-sikalischen Begleitung einer liturgischen Feier darzulegen. Aber, überall wird der Auftrag des Herrn „tut das zu meinem Gedächtnis“ vollzogen und das ist das entscheidende!
Winter versucht das allumfassende Katholischsein mit Blick auf Kontinente, Kulturen und Geschichte, die sich in Rom oder an anderen Orten treffen und Eucharistie in verschiedenen Frömmigkeitsformen feiern, darzulegen. Aber auch hier sind die Grundelemente dieselben wie in jeder heiligen Messe.

Winter vergisst nicht, auf Gewalt und Ausbeutung in der Geschichte der Kirche hinzuweisen. Aber das ist nicht „Katholischsein“, sondern das Werk persönlich verantwortlicher Bösewichte.

Der Herr hat Petrus und dessen Nachfolger zu seinem Stellvertreter ernannt, damit sie über die Glaubenseinheit wachen. „Natürlich gehört das Petrusamt zu den Kennzeichen des Katholischseins“. Das kommt bei Winter etwas gequält rüber. Hat doch Papst Franziskus die „Reformer“ des „Synodalen Prozesses“ in Deutschland „enttäuscht“.

Was ist also katholisch? Das könnten Konvertiten zum katholischen Glauben wie Augustinus, John Henry Newman, Benedikta vom Kreuz beantworten, aber auch Eltern, oder Religionslehrer, die ihren bewussten Glauben an ihre Kinder und ihre Schüler weitergeben.

Die Katholiken waren nie ohne Kompass. Schon vor Petrus Canisius gab es Zusammenfassungen des Glaubens. Heute haben wir den Weltkatechismus von Johannes Paul II. von 1992. In ihm werden die vier Hauptstücke des Glau-bens: Credo, Sakramente, Gebote und das Gebet des Herrn im Einzelnen dar-gelegt und erläutert. Wer die Einführung dieses Weltkatechismus und den Wi-derstand mancher Theologen, Religionslehrer und kirchlicher Angestellter miterlebt hat, weil dem persönlichen „Katholischsein“ Grenzen gezogen wurden, konnte feststellen wie groß die Opposition war.

In der Kirche hat es immer Vielfalt gegeben, z.B. in den Frömmigkeitsformen und Spiritualitäten der verschiedenen Ordensgemeinschaften. Wenn sich aber in Glaubensinhalten nicht die Bereitschaft zeigte, zur Lehre der Kirche zurück-zukehren, hat man sich von ihnen getrennt. Als nach dem Konzil von Nicäa 325, auf dem die beiden Naturen Christi als Glaubensgut anerkannt wurde, haben bald nach diesem Konzil nur mehr eine Handvoll Bischöfe daran festgehalten. Es dauerte Jahrzehnte bis die Glaubenseinheit wieder hergestellt war. Als sich England unter Heinrich VIII. wegen der angestrebten Ehescheidung des Königs von der Einheit mit der Weltkirche trennte, nahm die Kirche den Glaubensabfall hin. Die Kirche hielt trotz des Massenabfalls der Lutheraner, Calvinisten und Zwinglianer am Glauben der Kirche fest. Sie führte notwendige Reformen auf dem Konzil von Trient durch, gab aber den Glaubensirrtümern nicht nach. Die katholische Kirche musste es auch hinnehmen, dass nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil tausende von Priestern die Kirche verlassen haben, weil deren Wünsche nicht befriedigt wurden.
Die Frage, ob es wegen der fünfzehn Beschlüsse des „Synodalen Weges“ in Deutschland zu einer Spaltung und zu einem Schisma kommt, hält Winter für übertrieben. Die kontroversen Gruppen hätten nur eine Minderheit gebildet. „Die Mehrheit bewegt sich irgendwie dazwischen“. Wenn man aber die Abstimmungsergebnisse vergleicht, dann hatte die Mehrheitsfraktion rund 80-85% und die Minderheitsfraktion, die am Glauben der Kirche festhielt 10-15% hinter sich. Diese Mehrheitsverhältnisse mögen auch dazu geführt haben, dass man die Vorstellungen der Minderheit nicht besonders ernst nahm. Von einem „offenen Dialog“ kann man angesichts der „niedergebrüllten Statements, der verweigerten geheimen Abstimmungen, dem ausgeübten Druck, den Extraver-sammlungen der Bischöfe vor Abstimmungen“ nicht reden.

Bei den Gesprächen mit römischen Vertretern der Gesamtkirche war keine Nachgiebigkeit der Mehrheitsfraktion feststellbar. Sie ist auch nicht zu erken-nen, wenn man die „Zusammenfassung der Reflexionsberichte“ aus den deutschen Bistümern nach Rom denkt. Der Forderungskatalog für die letzte Sitzung der Weltsynode zeigt dies deutlich:

-    „Der verantwortungsvolle und synodal rückgebundene Umgang mit Leitungsvollmacht;
-    Die Stärkung des Aspekts der Gewaltenteilung in der Kirche;
-    Die stärkere Implementierung von Rechenschaftspflichten der Amtsträger;
-    Die stärkere Beteiligung des Volkes Gottes an der Auswahl von Amtsträgern;
-    Die Zulassung von Laien zum Predigtdienst;
-    Die Überprüfung der Zölibats Verpflichtung von Priestern;
-    Der Zugang von Frauen zu Leitungspositionen;
-    Die bessere Einbindung der Frauen in der theologischen und pastoralen Ausbildung;
-    Die Öffnung des Diakonats für Frauen;
-    Die Diskussion über Festlegungen im Lehrschreiben Ordinatio sacerdo-talis;
-    Die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zur Anthropologie;
-    Die Weiterentwicklung der kirchlichen Sexuallehre;
-    Die Integration von LGBTQ+-Personen in die Kirche“.

Winter sagt „Themen, die nach den Ergebnissen der sogenannten Mitglied-schaftsumfrage (KMU) vom November 2023 würden gar keinen so großen Einfluss auf die Frage haben, ob die Menschen in der Kirche bleiben oder nicht“. Immerhin haben 2023 über eine halbe Million (rund 522000) die Kirche verlassen. Die KMU hat auch ergeben, dass nur mehr 4% sich als „gläubig und kirchenverbunden“ einschätzen. Das gibt viel Potential für Kirchenaustritte in den kommenden Jahren, mit dem Problem, ob die Kirche in Deutschland ihren aufgeblähten Personalapparat finanzieren kann.

Der „Synodale Prozess“ hat zu dieser Situation gewaltig beigetragen. Vor dem dreijährigen „Synodalen Prozess“ lag die Kirchenbindung, gemessen an der Teilnahme der sonntäglichen Eucharistiefeier bei 10%, heute sind es rund 4%. Peter Winnemöller meint (kath.net, 28.5.2024): „Die Erosion der kirchlichen Finanzen wird in vielen Fällen die Illusion der Funktionäre einfach wegspülen. Die Mehrheitsfraktion der Synodalen sind Berufskatholiken, kirchliche Ange-stellte, Verbandsfunktionäre. Von ihnen wird kein Aufblühen des Glaubens kommen“.

„Eine Zukunft der Kirche in Deutschland“, wird nach Joseph Ratzinger „auch dieses Mal, wie immer, von den Heiligen neu geprägt werden. Von Menschen also, die mehr wahrnehmen als andere, weil ihr Leben weitere Räume umfasst“. (Regensburg kath.net.)

Archivfoto Prof. Gindert (c) Forum Deutscher Katholiken


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