„Welt“: Das entschwärzte RKI-Protokoll „sorgt unter Politikern und Wissenschaftlern für Empörung“

16. Juni 2024 in Deutschland


FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki kommentiert gegenüber der „Welt“, dass deutlich werde, „wie stark das RKI schon in den ersten Monaten der Pandemie von der Bundesregierung an die Kandare genommen“ worden sei.


Berlin (kath.net) „Das entschwärzte Protokoll einer internen RKI-Sitzung vom Mai 2020“ sorge „für Empörung bei Wissenschaft und Politik“. Das schreibt Elke Bodderas in der „Welt“ in ihrem Beitrag mit dem Titel „Entschwärzte Dokumente: Der Tag, an dem das RKI die Wissenschaft verriet“. Die jetzt endlich in weitgehend ungeschwärzter Form zugänglichen Dokumente informieren, dass es „am 5. Mai 2020 … in Berlin zu einer denkwürdigen Sitzung im Robert-Koch-Institut (RKI)“ gekommen sei, informiert Bodderas. „Das Thema hinter verschlossenen Türen: die ausufernden Corona-Infektionen, und wie mit einem unsinnigen, wissenschaftlich unhaltbaren Vorschlag aus dem Kanzleramt umzugehen ist. Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), aber auch der amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatten vom RKI verlangt, eine aus der Luft gegriffene Zahl wissenschaftlich abzusegnen. Ab einer Inzidenz von 35 Infizierten auf 100.000 Einwohner, so stellten sich das Braun und Spahn vor, sollten in Deutschland harte Maßnahmen in Kraft treten. Vom formal unabhängigen RKI erwarteten die beiden Minister Zustimmung – und die wissenschaftlichen Argumente dazu.“

Bei dieser Sitzung „hielten es die Versammelten nicht für nötig, über den Vorschlag überhaupt erst zu diskutieren: ‚Ein einzelner Schwellenwert ist wenig zielführend.‘ Die RKI-Experten unter der Leitung des amtierenden RKI-Chefs Lothar Wieler und seines heutigen Nachfolgers im Amt, Lars Schaade, waren sich rasch einig: Die Forderung „wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt“, schildert Bodderas nach Einblick in die Protokolle. Das Infektionsgeschehen „in den Landkreisen oder auch den Altersheimen“ sei zu unterschiedlich, um daraus flächendeckende Maßnahmen ableiten zu können. Bodderas schildert weiter, dass das Thema damit hätte erledigt sein können. Doch „die eigentlich unabhängigen Berater der Bundesregierung“ hätten das Feld gewechselt und seien „zum Politischen“ übergegangen. Man habe sich in dieser Expertenrunde gefragt, welche Konsequenzen es haben könnte, „wenn das RKI bei der wissenschaftlichen Wahrheit bliebe, wenn man also Kanzleramt und Minister reinen Wein einschenkte?“

Bodderas kommentiert, dass aus den entschwärzten Papieren hervorgehe, „dass dem RKI der Mut zum Widerspruch gefehlt habe. Im Protokoll wird der Gedankengang geschildert: „Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach“, zöge dies Konsequenzen nach sich, etwa das Risiko, „dass politische Entscheidungsträger „selbst Indikatoren entwickeln“ oder „das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbinden“ würden. Doch, so wertet Bodderas, sei damit „die letzte Instanz“ ausgefallen, „die die Bundesregierung vor einer Fehlentscheidung hätte bewahren können“.

Bodderas schildert weiter, dass diese entschwärzten Informationen „unter Politikern und Wissenschaftler“ für Empörung gesorgt hätten. Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki kommentiert gegenüber der „Welt“, dass deutlich werde, „wie stark das RKI schon in den ersten Monaten der Pandemie von der Bundesregierung an die Kandare genommen“ worden sei. Während ständig erklärt worden sei, dass „die Maßnahmen wissenschaftlich fundiert und über jeden Zweifel erhaben“ seien, hätten tatsächlich „Spahn und Braun“ „drohend die Linien“ vorgegeben. Kubicki überlegte, ob hier ein Fall von Machtmissbrauch zwischen Dienstherr und Institut vorläge. Jedenfalls fordert er „eine Aufarbeitung der Pandemiepolitik“, dazu brauche es aber „eine Kommission des Parlaments“, nicht etwa der Regierung, erläuterte er gegenüber der „Welt“.

Foto: Symbolbild


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