Kardinal Sarah warnt vor den Gefahren des ‚praktischen Atheismus’ auch in der Kirche

23. Juni 2024 in Weltkirche


Wenn die Katholiken der USA ein Zeichen des Widerspruchs gegen die Kultur sein könnten, werde der Heilige Geist große Dinge tun, sagte der Kardinal.


Washington D.C. (kath.net/jg)
Robert Kardinal Sarah (79), der emeritierte Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, hat bei einem Vortrag an der Catholic University of America in Washington D.C. vor den Gefahren eines „praktischen Atheismus“ gewarnt, der sich in den Gesellschaften Europas, Nord- und Südamerikas, aber auch in der Kirche breit mache.

Dieser praktische Atheismus leugne die Existenz Gottes nicht explizit, mache Gott aber für das moderne Leben irrelevant. Der katholische Glaube habe nicht nur Europa, sondern die westliche Zivilisation geprägt, erinnerte der Kardinal laut einem Bericht des National Catholic Register.

Besonders gefährlich sei, dass sich dieser praktische Atheismus auch in die Kirche eingeschlichen habe. „Wie oft hören wir von Theologen, Priestern, Gläubigen, und sogar von manchen Bischöfen – oder Bischofskonferenzen – dass wir unsere Moraltheologie aus Gründen, die nur menschlich sind, anpassen müssen“, fragte Kardinal Sarah. Eine Kirche auf der Grundlage menschlicher Beschlüsse werde zu einer rein menschlichen Kirche, warnte er.

Die Krise sei nicht so sehr in der säkularen Welt und ihren Übeln zu suchen, sondern im Mangel an Glauben in der Kirche, sagte Kardinal Sarah. „Wie viele Katholiken gehen wöchentlich zur Messe? Wie viele engagieren sich in der lokalen Kirche? Wie viele leben, als ob Christus existiert oder als ob Christus im Nächsten gefunden werden kann oder mit dem festen Glauben dass die Kirche der mystische Leib Christi ist? Wie viele Priester feiern die heilige Eucharistie, als wären sie tatsächlich ein anderer Christus und mehr noch, als wären sie ipse Christus – Christus selbst? Wie viele glauben an die reale Gegenwart Jesu Christi in der Heiligen Eucharistie? Die Antwort lautet: Viel zu wenige. Wir leben, als ob wir der Erlösung durch das Blut Christi nicht bedürften“, stellte Kardinal Sarah wörtlich fest und fügte hinzu: „Dies ist die praktische Realität für zu viele in der Kirche.“

In seinem Vortrag ging Kardinal Sarah auch auf die laufende Synode über die Synodalität ein, deren zweite und letzte Weltversammlung im Oktober im Vatikan stattfinden wird. Er kritisierte, dass im Prozess der Synode heterodoxen Ansichten zu viel Raum gegeben werde.

Der katholische Glaube habe bestimmte, festgelegte Inhalte. Wenn man sich im Glauben und in der Praxis außerhalb dieses Bereichs bewege verlasse man den katholischen Glauben. Es sei gefährlich, alle Stimmen als legitim zu betrachten. Das führe zu einer „Kakophonie der Stimmen“, die zu Lärm werde, der in diesen Tagen immer lauter zu werden scheine, sagte Kardinal Sarah und erinnerte an Kardinal Ratzinger, der gesagt habe, dass ein Glaube, über den wir selbst entscheiden, kein Glaube sei.

Keiner der Vertreter dieses Paradigmenwechsels in der Kirche lehne Gott direkt ab, aber sie würden die Offenbarung als sekundär betrachten oder bestenfalls gleichwertig mit der Erfahrung und der modernen Wissenschaft. Der praktische Atheismus leugne Gott nicht, aber er nehme Gott die zentrale Stellung.

Wie sollten die Gläubigen darauf reagieren? Kardinal Sarah rief die Bischöfe der Vereinigten Staaten dazu auf, den katholischen Glauben klar und mutig zu verteidigen. Die USA seien nicht wie Europa. Es gebe zwar Differenzen und interne Konflikte, aber keine grundsätzliche Zurückweisung des katholischen Glaubens, wie man es in vielen Teilen Europas und Südamerikas sehen könne. Andere westliche Länder könnten von der Kirche in den USA lernen.

Kardinal Sarah ging kurz auf die Reaktion der Kirche in Afrika auf die Erklärung Fiducia Supplicans ein. Er bezeichnete das Dokument wörtlich als „fehlgeleitet“. Die Kirche in Afrika habe ein „heroisches Glaubenszeugnis“ gegeben, indem sie die Erklärung abgelehnt habe.

Amerika sei politisch, wirtschaftlich und kulturell groß und mächtig. Der Glaube Europas sei am Absterben oder bereits tot. Die Kirche brauche das Licht von Orten wie Afrika oder Amerika, wo der Glaube lebendig sei. Wenn die Katholiken der USA ein Zeichen des Widerspruchs gegen die Kultur sein könnten, werde der Heilige Geist große Dinge tun, sagte Kardinal Sarah abschließend.

 

Foto: Archivbild Kardinal Sarah

 


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