Erzbischof: „Wir sind Zeugen der buchstäblichen Verstümmelung gesunder menschlicher Körper“

24. Juni 2024 in Weltkirche


Tschechischer Erzbischof Graubner: „Niemand kann sein Geschlecht ändern. Ich bin nicht männlich oder weiblich, weil ich es möchte, sondern weil ich es einfach bin. Ich kann nur entscheiden, wie ich meine Männlichkeit oder Weiblichkeit lebe.“


Prag (kath.net) Das tschechische Verfassungsgericht hatte Anfang Mai 2024 entschieden, dass zur offiziellen Änderung des Geschlechts keine operative Geschlechtsänderung mehr nötig ist. Der Erzbischof von Prag, Jan Graubner, wandte sich am 20.6.2024 nach einer Zeit der ruhigen Überlegung mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit, die Website der Tschechischen Bischofskonferenz und weitere tschechische katholische Medien haben sie veröffentlicht.

„Die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs beruht auf der Achtung der Entscheidung einer Person, als Angehöriger eines anderen Geschlechts zu handeln, und beschleunigt die künftige Trennung von rechtlichem und biologischem Geschlecht. Ein trauriges Symbol für dieses Verständnis des menschlichen Geschlechts sind ‚schwangere Männer‘: Frauen, die sich als Männer identifizieren, haben sich oft auch hormonellen Medikamenten unterzogen, um ein männliches Aussehen zu erreichen und gleichzeitig ihre weiblichen Genitalien und ihre Fortpflanzungsfähigkeit zu behalten.“

Allerdings habe diese Entscheidung des Verfassungsgerichts „mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Der Gesetzgeber wird gezwungen sein, neue Bedingungen für die Geschlechtsumwandlung zu schaffen. Übernehmen wir das deutsche Modell, bei dem jeder einmal im Jahr ohne Bedingungen ‚sein Geschlecht ändern‘ kann? Oder ist eine Beurteilung des Gesundheitszustands des Antragstellers oder der Ernsthaftigkeit seines Antrags erforderlich? Wird eine Person nur ein rechtliches Geschlecht haben, oder hängt dies vom jeweiligen Kontext ab…? Wird sich auch die Frage nach der Existenz des sogenannten ‚dritten Geschlechts‘ stellen, also der offiziellen Anerkennung des Geschlechts derjenigen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren? Oder wäre die Lösung nicht, die Idee einer möglichen Geschlechtsumwandlung völlig aufzugeben?“

Er wolle „ein paar Gedanken zur beginnenden gesellschaftlichen Diskussion beitragen“, schrieb der Erzbischof. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass der Mensch weder ein Körper ohne Seele noch ein reiner Geist ist.“ Vielmehr sei der Mensch „ein einheitliches Wesen, in dem sich zwei Realitäten durchdringen: Seele und Körper. Sowohl Seele als auch Körper bilden die Grundlage dafür, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, und es ist ihre Vereinigung, die den Menschen zum Menschen macht und seine Natur definiert. Daher kann es nicht passieren, dass die Seele im falschen Körper ist.“

Graubner führte weiter aus, dass „die menschliche Leiblichkeit – und damit auch der Mensch als solcher –geprägt ist von sexueller Differenz, von Dualität. Der Mensch verwirklicht sich entweder als Mann oder als Frau, und dieser Umstand ist jedem gegeben. Dies ist kein Gegenstand seiner Wahl und steht ihm auch nicht auf andere Weise zur Verfügung. Mit anderen Worten: Niemand kann sein Geschlecht ändern. Ich bin nicht männlich oder weiblich, weil ich es möchte, sondern weil ich es einfach bin. Ich kann nur entscheiden, wie ich meine Männlichkeit oder Weiblichkeit lebe.“

Gleichzeitig lasse es sich nicht leugnen, „dass wir eine globale Krise dieses Menschenverständnisses erleben“, führte der Prager Erzbischof weiter aus. „Wie Papst Franziskus betont, ist eine der Manifestationen der Gender-Ideologie die Förderung der persönlichen Identität und der affektiven Intimität, die radikal von der biologischen Differenz zwischen Männern und Frauen getrennt ist. Gerade die Frage der Geschlechterveränderung stellt die extremste Ausweitung der Vorstellung dar, dass soziales Geschlecht eine eigene Kategorie sei, unabhängig von der biologischen Realität.“ Die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs beweise, dass sich dieses Denkschema auch im tschechischen Umfeld bereits durchgesetzt habe.

Dann bezieht sich der Prager Erzbischof auf den Vatikan: „In der jüngsten Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre, ‚Dignitas infinita‘, werden Eingriffe zur Geschlechtsumwandlung als Verletzung der einzigartigen Würde bezeichnet, die einem Menschen vom Moment der Empfängnis an verliehen wird. Leider erleben wir, dass im kulturellen Umfeld des Westens die Geschlechtsumwandlung zunehmend als adäquate Lösung für einige persönliche Probleme dargestellt wird, auch bei Minderjährigen. Wir sind Zeugen der buchstäblichen Verstümmelung gesunder menschlicher Körper auf der Suche nach dem Frieden, den eine Geschlechtsumwandlung angeblich bieten kann.“ Er empfinde es „als eine gewisse Hoffnung, dass einige Staaten bereits beginnen, ihre Willkommenshaltung zu überdenken“.

Graubner führt weiter aus: „Aus Sicht der Lehren der katholischen Kirche, aber auch der nichtreligiös motivierten realistischen Reflexion des Menschen und seiner Würde sind alle Ansätze problematisch, die falsche Hoffnungen auf eine Veränderung des menschlichen Geschlechts wecken. Dies kann weder durch eine Amtshandlung noch durch eine schmerzhafte und entstellende Operation oder durch hormonelle Medikamente erreicht werden.“

So sei „die Durchsetzung eines subjektiven Geschlechterbegriffs keine adäquate Lösung für die Situation von Menschen, die einen Widerspruch zwischen ihrem Selbstverständnis und ihrem tatsächlichen Geschlecht verspüren“, vertritt der tschechische Erzbischof. „In diesem Zusammenhang denke ich insbesondere an Minderjährige, die noch nicht vollständig verstanden haben, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein, und die in diesem Bereich berechtigterweise große Verwirrung erleben können. Leider bleibt auch unserem Land die traurige Praxis nicht erspart, Pubertätsblocker zu verabreichen und jungen Menschen zu versichern, dass eine Geschlechtsumwandlung die Ursache ihres Problems beseitigen werde.“

„Im Rahmen der Diskussion über eine mögliche Lösung der vom Verfassungsgerichtshof geschaffenen Situation“ halte er es „für notwendig, darauf hinzuweisen, dass die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs nicht über Kritik erhaben ist. Wir leben unter den Bedingungen einer demokratischen Rechtsordnung, die von uns verlangt, die Entscheidungen der Behörden zu respektieren, die im Rahmen ihrer durch die Rechtsordnung festgelegten Kompetenzen erlassen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Entscheidungen nicht falsch sein und nicht Gegenstand begründeter Meinungsverschiedenheiten sein können. Denn die Tatsache, dass das Verfassungsgericht selbst im Jahr 2021 eine praktisch identische Frage mit genau dem gegenteiligen Ergebnis gelöst hat, deutet darauf hin, dass sich seine Ansichten im Laufe der Zeit ändern, offenbar um den gesellschaftlichen Kontext seiner Entscheidungsfindung widerzuspiegeln. Die Diskussion ist angebracht, weil das Bemühen, sicherzustellen, dass die Rechtsordnung die wahre Menschenwürde und die Natur des Menschen als geistiges, körperliches Wesen respektiert, die Achtung der natürlichen Menschenrechte stärkt.“

Graubner schreibt weiter, dass er „alle Verantwortlichen auffordern“ möchte, „sich mit aller Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit um die Bedürfnisse von Menschen zu kümmern, die unter Geschlechtsdysphorie leiden, und nach Lösungen zu suchen, die dazu beitragen, das Leid, das sie durchmachen, zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Ich möchte auch alle Politiker aufrufen, ihre ideologische Brille abzulegen und gemeinsam mit Experten nach Lösungen zu suchen, die auf ganzheitliche menschliche Verwirklichung und Achtung des Gemeinwohls abzielen. Ich appelliere auch an alle, die sich an den Debatten über die neue Gesetzgebung beteiligen werden, die Wahrheit über die Person zu suchen und auf eine Weise zu debattieren, die denjenigen, die unter einer Diskrepanz zwischen wahrgenommenem und tatsächlichem Geschlecht leiden, nicht unnötig schadet.“

Er wies auf die Notwendigkeit hin, „dass wir als Kirche diesen Menschen nahe sind, insbesondere durch Experten (Psychologen, Familientherapeuten und Ärzte), die von Gottes Sicht auf den Menschen und seiner Ganzheit und spirituellen Begleitung inspiriert sind. Ich wünsche mir, dass jeder in der Kirche die heilende Gegenwart Gottes findet.“

Graubner erinnerte „an die langjährigen Bemühungen von Papst Franziskus und der gesamten Kirche zur Stärkung der Qualität des Familienlebens.“ Er formulierte, dass „Kinder, die in einer harmonischen und stabilen Familie leben, die die Liebe ihrer Mutter und ihres Vaters erfahren, vor vielen Verwirrungen geschützt und gut auf ein zukünftiges verantwortungsvolles Leben vorbereitet“ seien.

Abschließend formulierte er: „Wenn Eltern ihre Kinder verantwortungsbewusst erziehen und erkennen, dass ihr Kind in einer bestimmten Richtung begabt ist, versuchen sie sofort, für es die besten Lehrer zu finden, um sein Talent zu entwickeln. Sollten wir nicht in ähnlicher Weise auch bei jungen Menschen in der Bildung ihre natürliche Orientierung zum Mann- oder zum Frausein entwickeln?“

Archivfoto: Erzbischof Graubner und Papst Franziskus

Link zum Originalbeitrag auf der Website der Tschechischen Bischofskonferenz: Prohlášení Mons. Jana Graubnera k nálezu Ústavního soudu ve věci změny pohlaví


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