5. Juli 2024 in Spirituelles
Emeritierter Kurienkardinal: „Die geoffenbarte Lehre des Glaubens und die Substanz der Sakramente ist der Kirche unveräußerlich, unveränderlich vorgegeben, während es eine legitime Vielfalt der theologischen Schulen und der liturgischen Riten gibt“
Courtalain (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt von Gerhard Kardinal Müller am Samstag, den 29, Juni, Peter und Paul in voller Länge im deutschsprachigen Original. Der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation weihte in Courtalain bei Chartres fünf Kandidaten zum Diakon und zwei Diakone zu Priestern. Gegenüber kath.net erläuterte er wörtlich: „Dieser Bitte, diese Weihen zu erteilen, bin ich nachgekommen wegen des Weihesakraments an sich, nicht wegen der Form des außerordentlichen Ritus, weil die beiden rituellen Varianten des lateinischen Ritus für die Substanz des von Christus eingesetzten und im Heiligen Geist wirksamen Sakraments zweitrangig sind. (Das nur zur Erklärung gegenüber zwei entgegengesetzten falschen Positionen). Im Text ist das genauer erklärt.“
Mit großer Freude feiert die katholische Kirche heute das Hochfest der Apostel Peter und Paul. Der Herr selbst baut seine Kirche auf den Felsen in der Person des hl. Petrus, der alle Christen vereint im Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes. Dieses heilbringende Bekenntnis zu dem in Christus Fleisch gewordenen Wort Gottes ist nur möglich, wenn nach dem Tod der Apostel ihre göttliche Sendung weitergeführt wird und wenn ihre Vollmacht im Namen Christi weiter ausgeübt wird. Im Brief der Römischen Kirche an die Christen in Korinth, der nach Clemens, dem dritten Bischof auf der römischen Cathedra Petri benannt ist, finden wir das Zeugnis der apostolischen Sukzession der Bischöfe. Ihre Vollmacht als Lehrer und Hirten wird von den Vorstehern der Kirche ausgeübt, die durch Handauflegung und Gebet der Apostel und ihrer Nachfolger von Gott selbst zu Dienern Christi geweiht worden sind in der Kraft des Heiligen Geistes (Apg 20, 28). Die schon in der Ur-Kirche neben den Aposteln genannten Neuen Dienste von Bischöfen und Presbytern (Apg 15, 6. 22; Apg 20, 17.28; Tit 1, 6-9), denen die Diakone hilfreich zur Seite stehen (Apg 6, 2-6; Phil 1, 1; 1Tim 3, 1-13; 5, 17-22), bilden die drei Stufen des einen Weihesakraments, wie es klar bezeugt wird von der Traditio Apostolica des Hippolyt von Rom um die Wende zum 3. christlichen Jahrhundert.
Der hl. Bischof Ignatius von Antiochien, wo Petrus und Paulus wirkten (Gal 2,11) und wo die Jünger zum ersten Mal Christen genannt wurden (Apg 11, 26) hatte schon zu Beginn des 2. Jahrhunderts die irreversible Entfaltung des einen Weiheamtes in den drei Stufen auf folgende Weise bezeugt: „Folgt alle dem Bischof wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot… Wo der Bischof erscheint, dort soll die Gemeinde sein, wie da, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist.“ (Brief an die Smyrnäer 8,1-2).
Nach dem Beispiel der Apostel erfüllen die Bischöfe als ihre Nachfolger den Auftrag Christi in der Kirche bis zu seiner Wiederkunft Lehrer des Glaubens, Ausspender der Gnade in den heiligen Sakramenten und Hirten nach dem Herzen Jesu einzusetzen (1 Clemens-Brief 42-44).
Die Bischöfe, Presbyter und Diakone werden vom Heiligen Geist innerlich mit der Gnade Gottes erfüllt, „so dass sie geeignete Diener Christi sind“ (Konzil von Florenz, Dekret für die Armenier. DH 13 26). Und diese Gnade der Weihe wird in einem sichtbaren und wirksamen Zeichen übertragen. Der hl. Paulus ermahnt seinen Schüler, Mitarbeiter und Nachfolger im apostolischen Dienst: „Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir zuteil geworden ist durch die Auflegung meiner Hände.“ (2 Tim 1,6; vgl. 1 Tim 4, 14). Um alle Zweifel bezüglich Materie und Form des Weihesakraments zu beseitigen hat Papst Pius XII. mit „höchster Apostolischer Autorität“ Folgendes bestimmt: die einzige Materie der Heiligen Weihen des Diakonats, Presbyterats und Episkopates besteht in der Auflegung der Hände, die Form aber ist das Weihegebet, das diese Materie determiniert, durch das die sakramentalen Wirkungen hervorgebracht werden, nämlich die Weihevollmacht und die Gnade des Heiligen Geistes.“ (Apostolische Konstitution „Sacramentum ordinis: DH 3859).
Der Papst fügt ausdrücklich hinzu, dass dies für alle Riten der universalen Kirche gilt, d. h. selbstverständlich auch für den westlich-lateinischen Ritus in seinen Entwicklungsstufen vor und nach der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils.
Das veranlasst mich, Ihnen von meinem Gespräch mit einem hohen Repräsentanten des römischen Dikasteriums für den Gottesdienst zu erzählen. Ich war noch bewegt von der Glaubenstreue der 20.000 Jugendlichen, mit denen ich am Pfingstmontag die Heilige Messe in der Kathedrale von Chartres feiern durfte, als er den Einwand brachte, dass dies keineswegs ein Grund zur Freude sei, weil diese hl. Messe im älteren Ritus gefeiert wurde. Lieber leere Kirchen als Messen im älteren Ritus, war sein Credo. Denn manche sehen im älteren Messritus die größere Gefahr für die Einheit der Kirche als in der Umdeutung des Credo oder gar dem Fernbleiben von der hl. Messe überhaupt. Sie interpretieren die Vorliebe für den älteren Ritus als Ausdruck eines sterilen Traditionalismus, dem mehr an die Theatralik der Liturgie liege als an der lebendigen Gemeinschaft mit Gott, die sie vermittelt. Ich antwortete ihm, dass mir als einem altem Professor der Dogmatik der Inhalt der Sakramente, die res sacramenti, wichtiger sei als die im Verhältnis dazu zweitrangige rituelle Form, genauer gesagt die ausdeutenden Zeremonien, die das sichtbare Zeichen (in Form und Materie) umgeben. Denn die geoffenbarte Lehre des Glaubens und die Substanz der Sakramente ist der Kirche unveräußerlich und unveränderlich vorgegeben, während es eine legitime Vielfalt der theologischen Schulen und der liturgischen Riten gibt. Diejenigen, die sich so gerne auf das II. Vatikanum berufen um anderen eine vorkonziliare Mentalität vorwerfen, sollten vorbildlich zuerst selbst die Mahnungen des Konzils beherzigen, das im Dekret über den Ökumenismus sagt: „Alle in der Kirche sollen unter Wahrung der Einheit im Notwendigen je nach der Aufgabe eines jeden in den verschiedenen Formen des geistlichen Lebens und der äußeren Lebensgestaltung, in der Verschiedenheit der liturgischen Riten sowie der theologischen Ausarbeitung der Offenbarungswahrheit die gebührende Freiheit walten lassen, in allem aber die Liebe üben. Auf diese Weise werden sie die wahre Katholizität und Apostolizität der Kirche immer vollständiger zum Ausdruck bringen.“ (Unitatis redintegratio 4).
Besinnen wir uns in dieser Stunde, da fünf junge Männer zu Diakonen und zwei Diakon zu Priestern geweiht werden, auf das Wesentliche.
Liebe Weihekandidaten!
Schauen wir auf Jesus selbst, den Prediger des zu uns kommenden Reiches Gottes, den Hohepriester des Neuen Bundes, den gute Hirten, der sein Leben für seine Schafe hingibt. Der erhöhte Herr allein kann euch in der Kraft seines Heiligen Geistes zu seinen Repräsentanten machen, so dass ihr -je nach der Weihestufe- mit seiner Vollmacht in Wort und Sakrament dem Heil der Gläubigen dienen könnt.
Im Blick auf die begrenzten Möglichkeiten der menschlichen Natur und die Defizite in unserer Charakterbildung müsste jeder Mensch, der von Christus persönlich und namentlich zu diesem hohen Dienst berufen ist, verzagen oder sich feige aus dem Staub machen.
Der hl. Paulus, dessen Gedächtnis wir zusammen mit dem hl. Petrus gläubig feiern, kämpfte gegen seine menschlichen Schwächen und bat seinen Herrn wieder und wieder, dass er ihm doch diesen Stachel aus seinem Fleisch ziehe. Er erhielt nur die Antwort: „Meine Gnade genügt dir, denn sie erweist ihre Stärke in der Schwachheit.“ (2 Kor 12,9) Und deshalb wollen wir uns an seinem apostolischen Vorbild ausrichten, wenn wir mit ihm täglich beten: „Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12, 10).
Menschen in der Kirche von den Laien und Ordensleuten bis zu Priestern und Bischöfen können uns enttäuschen, solange sie noch auf dem Pilgerweg ihres Lebens sind. Und umgekehrt können auch wir selbst trotz besten Willens die Anderen enttäuschen und ihnen durch unsere Sünden und Nachlässigkeiten zum Ärgernis werden. Die scheinbare Übermacht des Bösen in der Welt, die arrogante Überlegenheitsgeste des modernen Unglaubens, die Gleichgültigkeit vieler gegenüber der demütigen Liebe Jesu, könnten uns den jugendlichen Elan rauben, mit wir zum Altare Gottes treten und unser Adsum sagen.
Ohne die Bitte um die Gabe der Beharrlichkeit, über die der hl. Augustinus ein ganzes Buch gegen die Semipelagianer geschrieben hat, könnte unsere Hingabe und Opferbereitschaft durchaus in Verbitterung und Zynismus umschlagen.
Mitten in der Neronischen Verfolgung, von der uns der römischen Historiker Tacitus in allen grausigen Details berichtet, schrieb Petrus von Rom aus an die verfolgten Kirchen in Asien. Als ihr Mitbruder im apostolischen Dienst wendet er sich insbesondere an ihre Presbyter: „Weidet die euch anvertraute Herde Gottes, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern mit Hingabe; seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen.“ (1 Petr 5, 2-4).
Und zu allen Gläubigen, die wie verlorene Schafe heimgekehrt sind zu Christus, „dem Hirten und Bischof ihrer Seelen“ (1 Petr 2, 25), sagt der hl. Petrus, auf den der Herr immerfort seine Kirche baut, damit sie von den Pforten der Hölle nicht überwunden wird: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch! Seid nüchtern, seid wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens! Wisst, dass eure Brüder und Schwestern in der Welt die gleichen Leiden ertragen. Der Gott aller Gnade aber, der euch in Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müsst, wieder aufrichten, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen. Sein ist die Macht in Ewigkeit. Amen.“ (1Petr 5, 8-11).
Archivfoto: Kardinal Müller (c) Emmanuel du Bourg de Luzençon
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