10. Juli 2024 in Weltkirche
Papst Franziskus will die katholische Kirche verändern und stärker in eine synodal-missionarische Richtung mit Beteiligung aller Getauften entwickeln - Im Oktober soll die zweite Session der Weltsynode Grundlagen dafür beschließen
Vatikanstadt (kath.net/KAP) Im Vatikan ist am Dienstag das Arbeitspapier für die zweite und letzte Session der Welt-Bischofssynode im Vatikan über Synodalität vorgestellt worden. Es enthält konkrete Vorschläge für eine veränderte Rechtsordnung und Funktionsweise der weltweiten katholischen Kirche. In der Kirchenhierarchie soll es demnach künftig mehr Mitbestimmung, Transparenz und Rechenschaftspflicht geben. Auch der Vatikan soll künftig Rechenschaft vor den Ortskirchen ablegen.
Das lateinisch als "Instrumentum laboris" bezeichnet Papier, an dem sich die Debatten der Weltsynode in Rom vom 2. bis 27. Oktober orientieren sollen, stellten die Kardinäle Jean-Caude Hollerich (Luxemburg) und Mario Grech (Malta) vor. Es ist in fünf Abschnitte mit 112 Punkten gegliedert, die zunächst in offiziellen Übersetzungen nur auf Italienisch, Englisch, Portugiesisch und Französisch vorlagen.
Die 30 Seiten enthalten unter dem Titel "Wie wir eine synodale missionarische Kirche sein können" Hinweise und Vorschläge, wie die Kirche als Ganzes sich in eine synodal-missionarische Richtung entwickeln kann.
Ende einsamer Entscheidungen
In der künftigen "synodalen Kirche" soll es demnach keine einsamen Entscheidungen durch Pfarrer, Bischöfe und Papst mehr geben. Stattdessen sollen auf allen Ebenen synodale Beratungsstrukturen eingeführt werden, die sich allerdings von einer Demokratie unterscheiden.
Die Mitwirkungsgremien sollen, anders als bisher im Kirchenrecht geregelt, nicht mehr eine "bloß beratende Stimme" haben. Zwar müsse die Letztentscheidung durch den Bischof gewahrt bleiben, doch sei diese Kompetenz an Bedingungen gebunden.
Weder müsse künftig der Bischof den Willen des Volkes ausführen, noch solle der Bischof die Gremien dazu benutzen, seine bereits getroffenen Entscheidungen zu übermitteln. Ziel sei vielmehr eine "miteinander geteilte Entscheidung, die dem Heiligen Geist gehorcht", so der Text.
Gegen Wissenschaftshörigkeit bei Reformen
Das Arbeitspapier wendet sich gegen eine Wissenschaftshörigkeit bei kirchlichen Reformen. Während etwa der Synodale Weg in Deutschland manche Reformforderungen in der Sexualmoral mit "neuen Erkenntnissen der Humanwissenschaften" begründete, erkennt das Arbeitspapier der Weltsynode die Nützlichkeit wissenschaftlicher Analysen zwar an, betont aber gleichzeitig, dass die Kompetenz der Wissenschaften nicht das letzte Wort habe. Man müsse dafür sorgen, dass sie ihren Beitrag leisten könne, ohne dass sie über andere Sichtweisen dominiere.
Wiederholt fordert das Arbeitspapier Transparenz und Rechenschaft in der Kirchenhierarchie. "Eine synodale Kirche braucht eine Kultur und Praxis der Transparenz und der Rechenschaftspflicht", heißt es wörtlich. Beides sei "infolge des Verlusts an Glaubwürdigkeit aufgrund von Finanzskandalen und insbesondere sexuellem und anderem Missbrauch von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen" nötiger denn je.
Transparenz und Rechenschaft brauche es auch bei Pastoralplänen und bei kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Rechenschaft solle es künftig in zwei Richtungen geben: Auch die unteren Ebenen sollten diese von den höheren einfordern können.
Vatikan soll rechenschaftspflichtig werden
Das Arbeitspapier wendet dies auch auf die höchste Ebene der Kirchenhierarchie an und schlägt vor, dass der Papst Gesetze künftig erst nach gemeinschaftlichen Beratungen verkünden solle. Sein Apparat, die vatikanische Kurie, solle vor den Bischöfen der Ortskirchen Rechenschaft ablegen.
Dazu soll auch die Rolle der Vatikanbotschafter neu definiert werden. Die Nuntien waren bislang der verlängerte Herrschaftsarm des Papstes in den Ortskirchen. Die künftige Rolle der Papstbotschafter wird von einer separaten Arbeitsgruppe erörtert.
Teilhabe und Verantwortung von Frauen
Diese und weitere schon im bisherigen Verlauf der Weltsynode laut gewordene Themen, darunter eine mögliche Zulassung von Frauen zum Diakonat und die Reform der Priesterausbildung, hatte der Papst Anfang 2024 an zehn Arbeitsgruppen von Spezialisten ausgegliedert. Es handle sich um Fragen, "zu denen in der Synodenversammlung bereits ein erheblicher Konsens erzielt wurde und die daher reif genug erschienen, um in die Phase der Ausarbeitung konkreter Reformvorschläge übergehen zu können, die dem Heiligen Vater vorgelegt werden sollen", sagte Synoden-Generalsekretär Grech am Dienstag. Sie sollen noch bis Mitte 2025 beraten und damit die Synode überdauern. Die Arbeitsgruppen sollen der Synodenversammlung im Oktober Zwischenberichte vorlegen.
Auf diese Vorgangsweise weist auch das "Instrumentum laboris" explizit hin. "Während einige Ortskirchen die Zulassung von Frauen zum diakonischen Dienst fordern, bekräftigen andere ihre Ablehnung", heißt es. Das Thema werde nicht Gegenstand der Arbeit im kommenden Oktober sein; dennoch sei es richtig, "dass die theologische Reflexion in angemessener Zeit und auf angemessene Weise weitergeht". Jedenfalls werde generell bei allen Überlegungen zur Rolle der Frau "häufig der Wunsch nach einer Stärkung aller von den Laien ausgeübten Ämter hervorgehoben".
In einigen Kulturen, so stellt das Arbeitspapier an anderer Stelle fest, "ist der männliche Chauvinismus nach wie vor stark präsent". Aus diesem Grund sei die zweite Session der Welt-Synode zu einer "breiteren Beteiligung von Frauen an den kirchlichen Entscheidungsprozessen und in allen Phasen der Entscheidungsfindung" aufgefordert.
Neue Ämter und Dienste
Das Arbeitspapier schlägt auch die Einführung neuer Ämter und Dienste in der Kirche vor, die nicht an eine Weihe gebunden sind. Eines davon soll sich dem "Zuhören und Begleiten" von Menschen widmen, die sich von der Kirche verurteilt oder bedroht fühlen. Dieser Dienst solle je nach lokalen Umständen anders ausgestaltet werden.
Auf globaler Ebene wird zwischen den armen und reichen Diözesen eine Art solidarischer Finanzausgleich angeregt. Zudem regt das Papier die Schaffung einer dauerhaften Weltsynode an, die anders funktioniert als die von Papst Paul VI. im Jahr 1967 eingeführte Bischofssynode. An der neuen Synode solle "das gesamte Volk Gottes" teilnehmen.
Darüber hinaus wurde die Gründung einer besonderen Kommission von Kirchenjuristen bekanntgegeben. Sie soll die Synode bei den anstehenden Änderungen des Kirchenrechts beraten, ohne die einige Reformen nicht möglich wären.
(Wortlaut des Instrumentum laboris in italienischer, englischer, portugiesischer und französischer Sprache abrufbar unter: https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2024/07/09/0560/01156.html)
(Offizielle Website zur Synode: www.synod.va; Österreich-Seite zur Weltsynode u.a. mit allen Dokumenten aus dem Weltsynodenprozess in Österreich und auf Europa- bzw. Weltebene: www.katholisch.at/synode)
Copyright 2024 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
(www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten
© 2024 www.kath.net