17. Juli 2024 in Österreich
Kritische Anmerkungen zur Mariendarstellung als gebärende Frau im Linzer Dom - Gastkommentar von Dr. Josef Spindelböck
Linz (kath.net)
Die kürzlich anonym erfolgte „Enthauptung“ einer Statue, welche in einem Nebenraum des Linzer Doms die Mutter Jesu, Maria, im Zustand des Gebärens ihres Kindes darstellen soll, ist ein Akt des Vandalismus und auch, wenn man dieser Darstellung gegenüber kritisch gegenübersteht, nicht zu rechtfertigen. Auf diese Weise wird nämlich auf Argumente verzichtet. Seit diesem Zerstörungsakt kreist der nötige Diskurs primär um diese strafrechtlich relevante Tat, und Einwände inhaltlicher Art werden kaum mehr berücksichtigt und diskutiert, was zu bedauern ist.
Dabei ergeben sich durchaus kritische Anfragen von einem anthropologischen und christlichen Standpunkt aus:
Der Geburtsvorgang ist etwas Heiliges und verdient daher Respekt und einen Raum des Schutzes. Wenn für eine Frau die Stunde des Gebärens gekommen ist, hat sie ein Recht auf den Beistand des Kindesvaters und auf fachgerechte Betreuung, die menschlichen Respekt und Fürsorge vermittelt und auf diese Weise die Würde der Frau als Gebärende achtet. Grundsätzlich gibt es kein Recht, „von außen“ – gleichsam voyeuristisch – den Geburtsvorgang beobachten zu dürfen oder die Frau in ihrer Nacktheit und in der charakteristischen Position des beginnenden oder fortgesetzten Vorgangs des Gebärens einer neugierigen oder gar lüsternen Öffentlichkeit auszusetzen. All dies wäre erniedrigend und steht dem sittlichen Empfinden der meisten Menschen entgegen. Wer wollte es akzeptieren, dass zum Beispiel ein Video kursiert, wo die eigene Frau oder Freundin oder auch die eigene Mutter im Zustand des Gebärens dargestellt wird? Die Künstlerin mutet Ähnliches den betrachtenden Personen dennoch zu – mit Hinweis auf eine ansonsten angeblich männerdominierte Darstellung Marias in der Kunst. Ein neuer feministischer Blick solle zeigen, dass das Gebären etwas Normales sei und sich eine Frau dessen nicht zu schämen brauche, heißt es. Dies öffentlich zu zeigen, verletzt dennoch die Würde der betroffenen Frau und offenbart einen unsensiblen Umgang mit dem Thema.
Die christliche Perspektive nimmt insbesondere jene Frau in den Blick, welche gläubige Menschen als Jungfrau und Gottesmutter verehren, eben die heilige Maria, die Mutter Jesu Christi, der als wahrer Mensch und wahrer Gott geehrt und angebetet wird. War denn die heilbringende Geburt Jesu aus Maria nur eine Geburt wie jede andere? Indem der Versuch ihrer künstlerischen Darstellung auf derart direkte Weise unternommen wird, wird das mit der Jungfrauengeburt verbundene Glaubensgeheimnis rationalistisch aufgelöst und das Geschehen als solches banalisiert. Kann man es glaubenden Menschen verübeln, wenn sie sich in ihrer religiösen Überzeugung in Frage gestellt und in ihren „religiösen Gefühlen“ verletzt empfinden und dann protestieren (hoffentlich nicht mit Gewalt)?
Der Einspruch gegen die Darstellung wird durch den Umstand verstärkt, dass es sich um eine Präsentation in einem Haus des Gebets – nämlich dem Linzer Mariendom – handelt (immerhin „nur“ in einem Nebenraum). Mutet man glaubenden Menschen mit derartigen Darstellungen von Kunst nicht zu viel zu? Und wer selber meint, dass ihn dies nicht irritiert und den eigenen Glauben nicht in Frage stellt, der sollte Verständnis haben für jene „Kleinen und Schwachen“, denen die besondere Zuwendung Jesu gegolten hat und denen gegenüber Ärgernisse jedenfalls zu vermeiden sind. Der Linzer Bischof trägt kraft seines Amtes die Letztverantwortung für das, was im Dom geschieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dieser Form von Kunst einverstanden ist!
Josef Spindelböck, Dr. theol. habil., ist Priester der Diözese St. Pölten und ao. Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der Katholischen Hochschule ITI in Trumau.
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