Forschern gelingt Sensationsfund in Jerusalemer Grabeskirche

20. Juli 2024 in Chronik


Größter bekannter mittelalterlicher Altar unter Beteiligung von Historikern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hinter Graffiti-Wand wiederentdeckt - Forscher Berkovich: "Fund beweist bisher unbekannte Verbindung zwischen Rom und Jerusal


Wien/Jerusalem (kaht.net/KAP) Hinter einer Graffitiwand in der Grabeskirche von Jerusalem hat ein Team aus Forschern durch Zufall den mit 3,5 Metern Breite größten bekannten mittelalterlichen Altar entdeckt. Seit Jahrzehnten galt der im Jahr 1149 eingeweihte Kreuzritter-Hochaltar als verschollen. Im Zuge von Umbauarbeiten entdeckten der Bezirksarchäologe Amit Re'em von der Israelischen Behörde für Altertümer und der Historiker Ilya Berkovich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) den Marmoraltar hinter einer mehrere Tonnen schweren Steinplatte, auf deren Vorderseite sich Touristinnen und Touristen bildnerisch verewigt haben. Für Historikerinnen und Historiker sei der Fund eine Sensation, teilte die ÖAW am Montag mit.

Dass ausgerechnet "in einem so intensiv erforschten Bauwerk" etwas "so Bedeutendes so lange unerkannt herumliegen konnte, kam für alle Beteiligten völlig unerwartet", wird Berkovich, Historiker am ÖAW-Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes, in der Aussendung zitiert. Die mit Schleifenornamenten verzierte Rückseite der Graffiti-Platte sei schnell als die einstmals prachtvolle Frontseite des mittelalterlichen Kreuzritter-Altars identifiziert worden.

Nach der Eroberung der Heiligen Stadt durch die Kreuzritter wurde die Grabeskirche nach Jahrhunderten der muslimischen Herrschaft 1149 erneut als "eines der größten Heiligtümer der Christenheit" geweiht. In ihrer Mitte stand der neu im romanischen Stil geschaffene Hochaltar. "Wir kennen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert Pilgerberichte über einen prächtigen Marmoraltar in Jerusalem", so Berkovich, der Co-Autor einer neu erschienenen Studie über das historische Kunstwerk ist. Nach einem großen Feuer im romanischen Teil der Grabeskirche im Jahr 1808 verschwand der Altar aus dem allgemeinen Bewusstsein.

Neue Erkenntnisse zeigen, dass der Hochaltar eine bisher unbekannte Verbindung zwischen Rom und dem christlichen Königreich Jerusalem aufweise, erklärt Berkovich weiter. Die spezielle Kosmatesk-Fertigungstechnik der Marmordekoration des Altars hätten im Mittelalter ausschließlich zünftische Meister im päpstlichen Rom beherrscht. Dabei hätten sie geringe Mengen des kostbaren Marmors von antiken Gebäuden abgekratzt. Mit den kleinen Marmorsplittern wurden dann geometrische Muster und schillernde Ornamente auf steinernen Unterlagen angebracht.

Außerhalb Italiens wurde bislang nur ein einziges Kunstwerk dieser Art in der Westminster Abbey in London entdeckt. "Auch der nun in Jerusalem wiederentdeckte Kosmatesk-Altar muss unter Zutun des Papstes entstanden sein", schließt Berkovich. Indem das Kirchenoberhaupt einen der Kosmatesk-Meister in das Königreich Jerusalem sandte, um dort den Altar fertigen zu lassen, habe er den Anspruch der Christenheit auf die Stadt untermauert. "Der Papst würdigte damit die heiligste Kirche der Christenheit", hielt Berkovich fest. Der Historiker hofft, dass weitere Forschungen in den päpstlichen Archiven Details über die Entstehungsgeschichte des Altars ans Tageslicht befördern und möglicherweise auch die Identität des Kosmatesk-Meisters ausgeforscht werden kann.

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Foto: Die Frontplatte des Kreuzfahrer-Hochaltars, wie sie heute aussieht. Etwa zwei Drittel der ursprünglichen Steinplatte sind erhalten. Der Altar war mit zwei Figuren, sogenannten Quincunx, verziert. Mit fünf Kreisen, die durch ein einziges ineinander verschlungenes Band gebildet werden, ist der Quincunx eines der beliebtesten Motive von Kosmatesk-Meistern. Diese Figur ist voller spiritueller Bedeutung, unter anderem der Unendlichkeit der Schöpfung Gottes. Die Kreise symbolisieren die fünf Wunden Christi und spielen auf das Jerusalemkreuz an – das Wappen des Kreuzfahrerkönigreichs Jerusalem. Fotograf: Shai Halevi. © Israel Antiquities Authority - Link


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