Christentum ist kein Selbsthilfeprogramm…

28. Juli 2024 in Familie


…und die Kirche ist nicht gegen Sex, sondern gegen Sexualität, die nicht unter der Herrschaft der Liebe steht. Bischof Robert Barrons legendärer Speech beim Eucharistischen Kongress in Indianapolis. Von Petra Knapp.


Indianapolis (kath.net / pk) Die Eucharistie ist nicht der „kleine, private Besitz“ von den Gläubigen, sondern dazu bestimmt, dass wir Christus gleich werden und ihn in die Welt tragen. Das sagte der amerikanische Bischof Robert Barron beim 10. Eucharistischen Kongress in Indianapolis, der am Sonntag, 21. Juli, zu Ende ging.

Barron zitierte den britischen katholischen Apologeten Ronald Knox, der feststellte, dass im Laufe der Geschichte jegliche Gebote Jesu missachtet worden seien. Allein eines sei über alle Jahrhunderte hinweg stets befolgt worden, nämlich das Gebot „Tut dies zu meinem Gedächtnis…“. Und zwar „trotz unserer Sünden, unseres Versagens, unserer Dummheit“, fügte Barron hinzu.

 

Offenbar sei jedem ganz tief bewusst, dass die Eucharistie lebensnotwendig und „unverzichtbar“ ist. „Er ist das, was er sagt – das ist die grundlegende Theologie der Kirche, die Theologie der Realpräsenz, und darum sind wir hier“, erklärte der Bischof. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die ergänzenden Worte Jesu: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wurde… „Wenn wir also die Eucharistie zu uns nehmen, werden wir das, was wir essen“, sagte Barron. „Wir werden ein Körper, der für andere da ist“, forderte er die rund 50.000 Gläubigen in Indianapolis auf.

„Dein Christentum ist nicht für dich! Christentum ist kein Selbsthilfeprogramm, das nur dazu dient, dass wir uns besser fühlen. Euer Christentum ist für die Welt.“ Die Eucharistie sei „nicht für uns als kleiner privater Besitz, sie ist dazu bestimmt, uns Christus gleich zu machen, der seinen Leib, sein Blut, seine Seele und seine Gottheit für die Welt gibt“.

„Das ist die ganze Ekklesiologie der Kirche, das ist das, was Johannes Paul, den zweiten Benedikt, den 16. Papst Franziskus beflügelt hat, die gleiche Idee, die Kirche, die aus sich selbst herausgeht“, erklärte der Bischof. „Jeder hier, die Energie in diesem Raum, könnte unser Land verändern!“, wandte er sich an die zehntausenden Katholiken.

„Wisst ihr, wie viele Katholiken es in Amerika gibt? Es sind ungefähr 70 Millionen – wir sind knapp ein Viertel der Bevölkerung. Denkt einen Augenblick lang nach, schaut euch hier um, und währenddessen fragt euch, was passieren würde, wenn 70 Millionen Katholiken heute Abend beginnen würden, ihren Glauben entschieden und grundlegend zu leben… Wir würden das Land verändern!“

Barron zitierte Dorothy Day, die sich für die Laien stark machte und die Unterscheidung von Ordensleuten und Priestern als „geistlichen Athleten“ und den normalen Laien hinterfragte. Sie habe immer gewusst, dass es in der Kirche keine „zweistufige Spiritualität“ gebe, und dass auch die Laien zu einer heldenhaften Heiligkeit aufgerufen sind.

„Christus in der Welt zu sein“ bedeute für Laien, zuerst das Reich Gottes zu suchen, zuerst Gott zu lieben. „Wir verschwenden so viel von unserem Leben, indem wir den weltlichen Dingen nachjagen, die uns doch nicht zufrieden stellen.“ Auch für Laien seien die Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams relevant.

Er zitierte Papst Leo XIII., der in der Sozialenzyklika „Rerum Novarum” sinngemäß schrieb: Wenn du alle deine Bedürfnisse gestillt hast und gut für dich gesorgt hast, dann gehört der Rest den Armen. Keuschheit bedeute, dass Sexualität so ausgelebt wird, dass sie ein Geschenk für den anderen ist und dass „deine Sexualität ein Akt der Liebe ist“.

Die kirchliche Lehre habe nichts zu tun mit Puritanismus. „Wir sind kein dualistisches puristisches System, sondern wir wollen das gesamte Leben, inklusive der Sexualität, unter die Herrschaft der Liebe stellen“, erklärte der Bischof.

All die kritischen Bereiche – von Abtreibung über Missbrauch bis zu Ehebruch und Pornographie – haben für Barron eines gemeinsam: „Keines von ihnen steht unter der Herrschaft der Liebe, all das verkörpert in unterschiedlicher Stärke eine Sexualität, die auf sich selbst ausgerichtet ist. Die Kirche ist nicht gegen Sex. Sie ist gegen jenen Sex, der getrennt ist von Liebe.“

Auch zum dritten Punkt, dem Gehorsam, machte Barron interessante Bemerkungen. “Unsere Kultur ist eine Kultur der Selbst-Erfindung” meinte der Bischof. „Ich meine damit: Hey, ich entscheide, wer ich bin, ich bestimme den Sinn meines Lebens, ich entscheide, worum es überhaupt geht, sag du mir das bloß nicht…“

Das biblische Konzept sei konträr zu dieser Lebenshaltung, denn in sämtlichen Figuren sei erkennbar, dass es darum gehe, die Stimme Gottes zu hören und ihm zu gehorchen. Barron zitierte den Theologen Hans Urs von Balthasar, der unterschied zwischen dem Ego-Drama und dem Theo-Drama.

„Das Ego-Drama, das ist der Film, den ich schreibe, bei dem ich Regie führe, den ich produziere, und ich bin der Star, also die Bischof Baron-Story jetzt auf der Straße in Indianapolis, das ist das Ego-Drama, es langweilt mich zu Tode…“ Dem gegenüber stehe das Theo-Drama, das Gott schreibt und produziert, wo Gott Regie führt.

„Er hat eine Rolle für dich, die in den Augen der Welt nichts sein mag, aber wen kümmert es, auf welche Stimme du hörst, die Laien sind aufgerufen, in diesem radikalen spirituellen Sinne gehorsam zu sein und so findest du deine Heiligkeit!“, appellierte Barron an die anwesenden Gläubigen in Indianapolis.

„Eure Aufgabe ist es, das Licht Christi in die säkulare Welt hinauszutragen. Diese große Erweckung wird scheitern, wenn wir unsere Gesellschaft nicht verändern, wenn wir nicht von diesem Ort aus mit dem Licht Christi hinausströmen und zu den Menschen werden, die wir sein sollen“, schloss Barron.

Bishop Robert Barron's Full Speech at the National Eucharistic Congress (youtube.com)


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