6. August 2024 in Kommentar
„Die Fachleute vom Deutschen Ärztetag kritisieren das neue Selbstbestimmungsgesetz scharf, insbesondere das viel zu frühe Einstiegsalter bei Geschlechtsänderungen.“ Gastkommentar von Hubert Hecker
Köln (kath.net) An dem kürzlich verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz ist besonders umstritten, dass schon Minderjährige ab 14 Jahren per Sprechakt vor dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern können. An dem kürzlich verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz ist besonders umstritten, dass schon Minderjährige ab 14 Jahren per Sprechakt vor dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern können. Von links-liberalen Stimmen wird das Gesetz als eine Sternstunde von „Selbstbestimmung und Menschenwürde“ gefeiert – dies vertritt sogar die umstrittene katholische ZdK-Vorsitzende Irme Stetter-Karp. Die Fachleute vom Deutschen Ärztetag dagegen kritisieren das Gesetz scharf, insbesondere das viel zu frühe Einstiegsalter bei Geschlechtsänderungen.
Bei Kindern und Jugendlichen kommt es im Rahmen des pubertären geistig-körperlichen Reifungsprozesses gelegentlich zu alterstypischen Geschlechtsrollenkonflikten oder Körperbildstörungen. Insbesondere bei 15- bis 19-jährigen Mädchen hat sich die Zahl derer, bei denen die psychiatrische Diagnose einer „Störung der Geschlechtidentität“ gestellt wurde, in den Jahren von 2013 bis 2022 mehr als verzehnfacht – auf 453 Fälle je 100.000 Sozialversicherten. Das ergibt eine Studie aus den Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung, über die die FAZ am 1.6.2024 berichtete.
Bei mehr als drei Viertel der betroffenen Mädchen waren weitere Diagnosen zu psychiatrischen Erkrankungen gestellt worden wie Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ etc.
Zu der Studien-Frage nach der zeitlichen Stabilität der Diagnosen stellte sich Folgendes heraus: Im Zeitraum von fünf Jahren blieb nur noch für gut ein Viertel der 19-jährigen Mädchen die Diagnose der Geschlechtsidentitätsstörung bestehen. Diese Aussagen bestätigt auch eine niederländische Studie: „Nur bei einem kleineren Teil der Jugendlichen, die mit ihrem biologischen Geschlecht unzufrieden sind, besteht der Wunsch nach Geschlechtsänderung auch noch im jungen Erwachsenenalter fort“ (FAZ).
Es ist keine neue wissenschaftliche Einsicht, dass in der Pubertäts- und Adoleszenzphase die Unsicherheiten der Jugendlichen mit ihren Geschlechtsrollen vielfach vorübergehend sind. Gleichwohl ist in der Studie die Höhe der Quote überraschend, nach der sich bei 73 Prozent der Mädchen nach zehn Jahren deren frühere Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität erledigt hatten.
Wie sind die Ergebnisse zu erklären?
Offensichtlich ist ein wesentlicher Beeinflussungsfaktor für die hohe Zahl von minderjährigen Mädchen mit Zweifeln an ihrer Geschlechtsidentität die „soziale Ansteckung“ durch Vorbilder in den sozialen Medien, der zu einem „Trans-Hype“ geführt hat. Diese von außen an die Pubertierenden herangetragene Perspektive des Transsexualismus erweist sich dann in der weiteren Selbst- und Lebenserfahrung der Adoleszenz als aufgesetzt und fehlgeleitet.
Außerdem spielt dabei die hohe Korrelationsquote von weiteren psychischen Erkrankungen eine Rolle. Wenn die Jugendlichen von Depressionen oder Angststörungen geheilt wurden, war auch ihr früherer Wunsch nach Geschlechtsänderung vergessen – so die Erfahrungen von Medizinern.
Angesichts dieser Ergebnisse und Erfahrungen von außengeleiteter Lenkung von Jugendlichen auf Geschlechtsänderung einerseits und der Problemerledigung für die meisten innerhalb von zehn Jahren andererseits kritisiert der Deutsche Ärztetag das Selbstbestimmungsgesetz.
Dessen Versprechen auf schnellen amtlichen Geschlechtswechsel ist für die meisten Jugendlichen in der pubertären Unsicherheits- und Selbstfindungsphase das völlig falsche Signal. Die Adoleszenten brauchen in dieser Zeit verantwortungsvolle Beratung und keine Heilsversprechen, dass durch standesamtliche Umpolung ihres Geschlechts alle Probleme im Zusammenhang mit Geschlechtsrollen oder Körperbild gelöst wären.
Durch das Selbstbestimmungsgesetz mit amtlicher Geschlechtsänderung werden die Jugendlichen auch zu dem Folgeschritt ermuntert, ihr biologisches Geschlecht mit Pubertätsblockern, Hormontherapien oder Geschlechtsoperationen ändern zu wollen.
In dem von der Bundesregierung beauftragten Entwurf der medizinischen Behandlungsleitlinie für minderjährige Transpatienten wird dieser Ansatz ebenfalls gefördert. Danach sollen die behandelnden Ärzte grundsätzlich trans-affirmativ vorgehen, in dem die Selbstdiagnosen und Wünsche der verunsicherten Kinder und Jugendlichen als Auftrag für die medizinische Behandlung angenommen werden sollen.
Die Bundesärztekammer protestiert gegen diesen ideologisch geleiteten, unkritischen transaffirmativen Behandlungsansatz. Er verstößt gegen wissenschaftliche Einsichten und Studien. Für die geplanten „irreversiblen Eingriffe in den menschlichen Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen können angesichts der fehlenden (medizinischen) Evidenz die Jugendlichen kein informiertes Einverständnis geben“ – so der Deutsche Ärztetag im Mai 2024.
Denn Kinder und auch noch Jugendliche „sind nicht in der Lage, noch vor dem Ende der Pubertät und des körperlichen Reifungsprozesses und bevor die alterstypischen Rollenkonflikte oder Körperbildstörungen überwunden sind“ (siehe oben), über die Auswirkungen von geschlechtsverändernden Behandlungen zu entscheiden.
Die Fachmediziner fordern, dass die entsprechenden Eingriffe bei unter 18-Jährigen nur in Ausnahmefällen gestattet werden unter folgenden Bedingungen:
• nach abgeschlossener psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen,
• unter Hinzuziehung eines multidisziplinären Teams unter Einschluss von Ethikern und
• im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien mit Verfolgung der Langzeitfolgen.
An solchen fachwissenschaftlich fundierten und ethisch verantwortlichen Aussagen sollten sich kirchliche Stellen bei ihren entsprechenden Stellungnahmen zu dem Thema orientieren – statt das ideologisch geleitete, transaffirmatives Selbstbestimmungsgesetz der Ampelregierung kritiklos zu beklatschen, wie das die ZdK-Vorsitzende Stetter-Karp macht.
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