Zuwanderung: Trendumkehr in Schweden

24. August 2024 in Chronik


Die aktuelle Entwicklung lässt darauf schließen, dass die Zuwanderung auch in Wohlfahrtsstaaten mit hohem Migrantenanteil umkehrbar ist.


Stockholm/Berlin (kath.net/jg)
Schweden war bis vor wenigen Jahren nach Deutschland das Hauptziel für Asylwerber, die nach Europa gekommen sind. Durch etliche Maßnahmen ist es dem skandinavischen Land aber gelungen, dass mittlerweile mehr Asylanten aus- als einwandern, berichtet die WELT.

Im Jahr 2016 hat Schweden den Familiennachzug von Flüchtligen gestoppt, die nicht für den Lebensunterhalt nachziehender Ehepartner oder Kinder aufkommen konnten.

Für die subsidiär Geschützten, das sind vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge, die nicht individuell bedroht werden, wurde der Familiennachzug abgesehen von Härtefällen vollständig beendet. Dabei handelt es sich um die größte Gruppe der Asylwerber. Bereits 2015 hat Schweden stationäre Grenzkontrollen eingeführt und die Vergabe unbefristeter Aufenthaltsgenehmigungen für Asylzuwanderer erschwert.

Seit Jahren ist die Zahl der Asylanträge rückläufig. Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard von der Partei Moderaterna hat im August bekannt gegeben, dass das Land die geringste Zahl an Zuwanderern seit 1997 zu verzeichnen hat.

Mittlerweile entfällt nur noch ein Prozent aller in der EU gestellten Asylanträge auf Schweden. 2024 ist das erste Jahr seit einem halben Jahrhundert, in dem mehr Menschen Schweden verlassen haben als zugewandert sind. Ende Mai hat der Auswanderungsüberschuss 5.700 Personen betragen.

Dieser Trend werde sich voraussichtlich fortsetzen, sagt Ministerin Malmer Stenergard. Bereits 2023 haben mehr Menschen aus den Asylherkunftsländern Schweden verlassen als neu eingereist sind. Das sind vor allem Syrien, Afghanistan, Irak und Somalia. „Schweden hat aufgehört, ein Asyleinwanderungsland zu sein“, erklärt die Ministerin wörtlich.

In Deutschland hingegen wachsen die Diaspora-Gruppen der Asylherkunftsländer weiter. Von der größten Gruppe, den Syrern, lebten 2010 erst 30.000 in Deutschland. 2016 waren es 618.000, Ende 2023 schon 972.000 Personen. Die mehreren Zehntausend Eingebürgerten sind in dieser Zahl nicht enthalten.

Ähnlich ist es bei der zweitgrößten Gruppe, den Afghanen. 2010 waren es rund 50.000 Personen, bis 2016 stieg die Zahl auf 253.000. Ende 2023 waren 419.000 Personen. Bis Von Beginn bis Ende Juli 2024 stellten Afghanen fast 24.000 Asylanträge in Deutschland. Abschiebungen gibt es entgegen der Ankündigung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kurz vor der Europawahl weder nach Afghanistan noch nach Syrien.

Ministerin Malmer Stenergard hält die großzügigen Regeln für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen und Staatsbürgerschaften, aber auch die Sozialleistungen für wesentliche Gründe, warum so viele Menschen in Schweden um Asyl angesucht haben.

Die Zuwanderung müsse für lange Zeit auf einem niedrigen Niveau gehalten werden, um die Kriminalität in einigen Städten in den Griff zu bekommen, sagt sie im Interview mit der WELT.

Maria Malmer Stenergard gehört der moderaten Sammlungspartei von Ministerpräsident Ulf Kristersson an. Dieser ist 2022 mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die Zahl der Einwanderer weiter zu reduzieren. Seine Minderheitsregierung wird von den rechten Schwedendemokraten im Parlament unterstützt, die mit einem „Null-Migration“-Programm zur zweitstärksten Kraft geworden sind.

Die schwedische Entwicklung fällt in eine Zeit, in welcher die illegale Migration nach Europa sehr stark ist. 2023 gab es in Deutschland mehr als 300.000 Anträge. Das sind mehr als in fast allen Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik.

Das Migrationsforschungszentrum Oxford hat das Bestehen etablierter Strukturen eigener Landsleute in einem Zielland als einen entscheidenden Faktor identifiziert, der Auswanderungswillige in bestimmte Länder zieht. Während es in der Migrationswissenschaft umstritten ist, ob großzügige Sozialleistungen ein Anreiz zur Einwanderung sind, bezweifelt niemand die These, dass Migration weitere Migration nach sich zieht.

Doch auch diese beobachteten Zusammenhänge sind keine Naturgesetze. Die aktuelle Entwicklung in Schweden lässt darauf schließen, dass die Zuwanderung auch für Wohlfahrtsstaaten mit hohem Migrantenanteil umkehrbar ist.

 


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