Forscher: Kirchen werden verstärkt als touristische Attraktionen wahrgenommen

25. August 2024 in Aktuelles


Tourismus- und Freizeitpastoral-Experte über "Musealisierung von Kirchen" - Ähnlich wie beim Museumsbesuch: "Ich gehe hinein, verhalte mich etwas ruhiger und erlebe in Kirchenräumen Religionen als Phänomen der Vergangenheit"


Wien (kath.net/KAP/red) Unter den zehn beliebtesten Sehenswürdigkeiten Europas sind fünf Kathedralen und Kirchen, darunter der Petersdom in Rom und der Mailänder Dom. Der Leiter des Forschungsprojekts "Religion-Kultur-Tourismus", Christian Cebulj, Rektor der Theologischen Hochschule Chur, erklärte dies in der Ö1-Sendung "Religion aktuell" (19. August) mit einer zunehmenden "Musealisierung von Kirchen", durch die Kirchenräume als kulturelle Schätze wahrgenommen werden, die nicht nur Gläubige, sondern auch kulturinteressierte Besucher anziehen. Speziell in den Ferien besuchten Menschen Kirchen, um sich zu bilden, so der Theologe. Der "Habitus" der Besuchender sei dabei ähnlich wie beim Museumsbesuch: "Ich gehe hinein, verhalte mich etwas ruhiger und erlebe in Kirchenräumen Religionen als Phänomen der Vergangenheit."

Der Trend zur "Musealisierung" von Kirchen schließe aber Spiritualität nicht aus, stellte Cebulj klar: "Wenn ich Zeit habe, herunterkomme, nachdenke, haben auch Sinnfragen und spirituelle Fragen mehr Platz; dann suche ich dafür Angebote, für die in der Hektik des Alltags unter dem Jahr kein Platz ist."

In Österreich verzeichnete etwa das Benediktiner-Stift Melk im Jahr 2023 die stolze Zahl von 440.000 Besuchern und nur überholt von der Basilika in Mariazell mit über 700.000 Besuchern, informierte Cebulj zuvor in einem Artikel auf dem Portal "feinschwarz.net" (5. August). Neben dem Megatrend Wissenskultur gäbe es den "unübersehbaren Trend zur Musealisierung der Religion", was sich etwa in Kirchen als Touristenmagneten zeige. Es gäbe aber auch pragmatische Gründe für hohe Besucherzahlen, etwa weil Kirchen "in der Mitte der Städte liegen oder einen wertvollen Kunstschatz zu bieten haben, wie das ehemalige Antoniterkloster in Colmar mit dem berühmten Isenheimer Altar von Matthias Grünewald".

Ein Besuch in einer berühmten Kirche berge wie jede Reise eine "Chance zu einem Perspektivenwechsel" und "spannende religiöse Lernchancen", meinte Cebulj. Durch die Beschäftigung mit Architektur, Baustil und historische Eckdaten, könnten Touristen Religion schließlich auch als Bildungsgegenstand erleben, "der im Zusammenspiel von sinnlichen, kognitiven, ästhetischen und soziokulturellen Aspekten in Erscheinung tritt" -woraus sich wiederum religionsbezogene Lernsituationen ergeben könnten.

Seele baumeln lassen

"Im Urlaub haben die Menschen Zeit und Muße für Dinge, die sie im Alltag nicht haben", erklärte auch Hermann Signitzer von der Tourismus- und Freizeitpastoral der Erzdiözese Salzburg gegenüber Kathpress. Den oft lang ersehnten Urlaub bezeichnete er als "Sonntag des Jahres", bei dem man - ähnlich wie an Sonntagen - die Zeit finde, um zur Ruhe zu kommen oder Kirchen zu entdecken. Viele Urlauber "wollen ihre Seele baumeln lassen, versuchen sich Ruhe zu gönnen und schalten quasi zurück, um in einer geringeren Geschwindigkeit zu leben".

Im Urlaub gehöre es für viele Urlaubende auch dazu, heilige Stätten wie Klöster, Wallfahrtsorte, Einsiedeleien und verschiedene Andachtsstätten zu besuchen. "Viele sind ergriffen von der künstlerischen Qualität, von der Botschaft und der zeitlosen Erhabenheit dieser Orte", so Signitzer. Dies bedeute jedoch nicht, dass Pfarren in Tourismusgebieten den ganzen Sommer über ein Programm anbieten müssten. Oft seien es die kleinen Dinge, die Gäste in kirchlichen Stätten schätzen, etwa ein kurzes Gespräch, ein herzliches Willkommen, gute Texte oder die Gelegenheit, für Freunde und liebe Menschen eine Kerze anzuzünden und dabei kurz innezuhalten, so der Vorsitzende des österreichischen Arbeitskreises für Tourismus- und Freizeitpastoral.

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