21. September 2024 in Kommentar
Der „Sünden“-Katalog bei Bußfeier zur Synodeneröffnung lese sich „wie eine Checkliste der christlich etwas mühsam verbrämten Woke- und Gender-Ideologie“ – „Es gibt auch keine Sünde gegen eine Art von Synodalität, die …“ Von Gerhard Kardinal Müller
Vatikan (kath.net) Zu Beginn der Synode über die Synodalität, die nicht mehr allein ein Bischofssynode, sondern eine gemischte, aber keineswegs die ganze katholische Kirche repräsentierende Versammlung ist, soll es eine Zelebration mit einem Bußakt geben, der in der Reue über neu (von Menschen!) erfundene Sünden gipfelt.
Die Sünde ist ihrer Intention nach die Abwendung des Menschen von Gott und die Hinwendung zu geschaffenen Gütern, die an seiner Stelle oder dinglich wie heidnische Götzen verehrt werden. Wir können auch gegen den Nächsten sündigen, wenn wir ihn nicht um Gottes willen lieben wie uns selbst. Das schließt auch eine egoistische Ausbeutung der natürlichen Güter der Erde ein, die Gott allen Menschen als Lebensgrundlage zur Verfügung stellt. Deshalb können wir auch sündigen, wenn wir die Rohstoffe, das Geld und die Daten ausschließlich zu unserem Vorteil und zum Schaden der anderen nutzen.
Man denke an die milliardenschweren Oligarchen oder „Philanthropen“, die zuerst die breiten Massen des Volkes schamlos ausbeuten, um sich dann mit ein paar Almosen als deren Wohltäter feiern zu lassen. Mit diesen Leuten sollten sich Papst und Bischöfe nicht auf Fotos (für ein Judas-Entgelt) gemeinsam ablichten lassen. Jeder Eindruck einer Kumpanei mit ihnen ist zu vermeiden ebenso wie die Robin-Hood-Selbsttäuschung, als ob man den Reichen etwas abnimmt, um es den Armen zu geben.
Repräsentanten der Kirche Christi, der sein Leben für uns hingeben hat als der gute Hirte, sollten besser als deren prophetische Kritiker auftreten wie Johannes der Täufer, der seinen Kopf riskierend zu Herodes gesagt hat: „Es ist dir nicht erlaubt....“. Christus ist für unsere Sünden gestorben und hat uns durch sein Kreuz und seine Auferstehung mit Gott versöhnt, so dass wir auch in Frieden und in Liebe mit unseren Nächsten gut zusammenleben können. Gott unser Vater gab uns den Dekalog und sein Sohn verkündete die Seligpreisungen der Bergpredigt, so dass wir in Seinem Licht das Gute erkennen und tun und das Böse meiden können.
Der vorgelegte Katalog mit angeblichen Sünden gegen die als Wurfgeschoss missbrauchte Lehre der Kirche oder gegen die Synodalität, was man auch immer darunter verstehen mag, liest sich wie eine Checkliste der christlich etwas mühsam verbrämten Woke- und Gender-Ideologie, abgesehen von einigen Missetaten, die zum Himmel schreien.
Zur Täuschung der Gutgläubigen finden sich dort auch Untaten, die zu unterlassen für jeden Christen eine Selbstverständlichkeit darstellen. Wer naiv ist, mag sich von der willkürlichen Zusammenstellung von wirklichen Sünden gegen den Nächsten und der berechtigten Kritik an theologisch absurden Erfindungen der synodal Bewegten blenden lassen.
Aber es gibt keine Sünde gegen die Lehre der Kirche, die angeblich als Waffe gebraucht wird, weil die Lehre der Apostel besagt, dass in keinem andern als im Namen Christi das Heil zu finden ist (Apg 4, 12). Und deshalb hat z.B. Lukas (Lk 1, 1-4) sein Evangelium geschrieben, damit wir uns von der „Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen“ können, in der wir unterwiesen worden sind im heilbringenden Glauben an Jesus den Messias, den Sohn Gottes. Und Paulus beschreibt die Aufgabe der Bischöfe als Garanten der überlieferten Lehre der Apostel (1 Tim 6). Die Lehre der Kirche ist nicht, wie es einige Antiintellektuelle im Episkopat meinen, die sich wegen ihrer mangelnden theologischen Bildung gern auf ihre pastoralen Begabungen berufen, eine akademische Theorie über den Glauben, sondern die rationale Darbietung des geoffenbarten Wortes Gottes (1 Petr 3, 15), der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen durch den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, das Fleisch gewordene Wort Gottes, seines Vaters (1 Tim 2, 4f).
Es gibt auch keine Sünde gegen eine Art von Synodalität, die als Mittel zur Gehirnwäsche gebraucht wird, um sogenannte Konservative als Gestrige und verkappte Pharisäer zu diskreditieren und um die progessistischen Ideologien, die in den 70iger Jahren zum Niedergang der Kirchen im Westen geführt haben, uns als Vollendung der Reformen des II. Vatikanums vorzugaukeln, die angeblich von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ausgebremst worden seien. Das Zusammenwirken aller Gläubigen im Dienst am Aufbau des Reiches Gottes liegt in der Natur der Kirche als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Aber man kann nicht das Bischofsamt relativieren, indem man die Teilnahme an der Bischofssynode auf das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen und eine päpstliche Ernennung stützt und damit implizit die Sakramentalität des Weiheamtes (des Ordo von Bischof, Priester, Diakon) beiseiteschiebt und schlussendlich die hierarchisch-sakramentale Verfassung der Kirche göttlichen Rechtes (Lumen gentium 18-29) relativiert, die Luther prinzipiell geleugnet hatte.
Insgesamt geht es den großen Agitatoren der synodalen Wege und des ausufernden Synodalismus mehr um den Erwerb einflussreicher Posten und um die Durchsetzung ihrer unkatholischen Ideologen als um die Erneuerung des Glaubens an Christus in den Herzen der Menschen. Dass die kirchlichen Institutionen in ehemals ganz christlichen Ländern zerfallen (leere Priesterseminare, sterbende Ordensgemeinschaften, zerbrechende Ehen und Familien, massenhafte Austritte aus der Kirche – mehrere Millionen Katholiken in Deutschland) erschüttert sie nicht im Innersten. Sie verfolgen ihre Agenda, die auf die Zerstörung der christlichen Anthropologie hinausläuft, stur weiter bis der letzte das Licht ausmacht und die Kirchenkasse leer ist.
Eine Erneuerung der Kirche im Heiligen Geist gibt es nur, wenn der Papst im Namen aller Christen mutig und laut sich zu Jesus bekennt und zu ihm sagt: „Du bist Christus der Sohn des lebendigen Gottes.“ (Mt 16, 16).
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