Burger bei DBK: „Wir können den Glauben letztendlich ja nicht machen“

24. September 2024 in Deutschland


Freiburger Erzbischof: „Wir machen uns… ja intensive Gedanken darüber, wie wir als Kirche in unserer Gesellschaft weiter unterwegs sein können“, um dem Trend zum Rückgang des kirchlichen Lebens entgegenzuwirken“


Fulda (kath.net/DBK) kath.net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Stephan Burger (Freiburg) bei der Eucharistiefeier zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 24. September 2024 in Fulda in voller Länge:

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wir machen uns in der gegenwärtigen Zeit, in der in unseren Gemeinden und Diözesen über den Rückgang kirchlichen Lebens geklagt wird, ja intensive Gedanken darüber, wie wir als Kirche in unserer Gesellschaft weiter unterwegs sein können, um diesem Trend – trotz allem – entgegenzuwirken.

Bei all den Analysen über den Zustand unserer Kirche und über die immer noch vorhandenen Möglichkeiten von Kirche gerät dabei ein Aspekt allzu leicht ins Hintertreffen, nämlich, dass wir den Glauben letztendlich ja nicht machen können, so gerne wir dies uns manchmal wünschen würden.

Ein Paradebeispiel liefert und das heutige Evangelium. Da steht – ich nenne es mal so – die Blutsverwandtschaft Jesu vor der Tür und will zu ihm. Auch die Mutter Jesu wird genannt, wobei sein Verhältnis zu Maria anders und eigens einzuordnen ist. Und viele seiner Zeitgenossen wollten damals zu ihm. Nicht wenige Menschen seiner Zeit waren neugierig, diesen Jesus kennenzulernen, der doch einer von ihnen war. Aber das Kennenlernen von Jesus, der alleinige Kontakt mit ihm geschweige denn irgendwelche verwandtschaftlichen Verhältnisse begründen noch nicht die eigentliche Beziehung zu ihm.

Seine Verwandtschaft und auch manch andere „stehen draußen“, wie es das Evangelium formuliert. Wer mit ihm wirklich in Beziehung steht, wer gewissermaßen drinnen ist, das sind diejenigen, die das Wort Gottes hören und tun. Das hatte ja insbesondere für Maria zugetroffen. Das Wort Gottes hören und tun, darin liegt, so will ich es einmal zusammenfassen, die eigentliche Verwandtschaft zu Jesus Christus begründet.

Für mich ein Stück Gewissenserforschung, inwieweit ich mich zur Verwandtschaft Jesu zählen darf. Bin ich trotz allem kirchlichen Werdegang wirklich drinnen oder stehe ich am Ende doch nur draußen, eben am Rande? Kann ich wirklich von mir sagen, dass ich es geschafft habe, eine echte Beziehung zu ihm aufzubauen?

Zwei Persönlichkeiten, die wir durchaus als Insider verstehen dürfen, sind der hl. Rupert und der hl. Virgil. Als Bischöfe und Äbte des Benediktinerklosters St. Peter in Salzburg im 7. bzw. 8. Jahrhundert haben sie die Geschichte unserer Kirche und der Glaubensweitergabe im deutschen Sprachraum nachhaltig geprägt. Nicht umsonst nennt sie die Präfation „Väter des Glaubens“. In diesem Sinne waren die Tagesheiligen Verwandte Jesu und dies in diesem doppelten Sinn: im Hören auf sein Wort und im Handeln danach. Rupert gründete um 700 das Bistum Salzburg und errichtete das Kloster sowie die Schule von St. Peter. Durch die Förderung der Salzgewinnung konnte er zudem der armen Bevölkerung der Gegend ganz konkret in ihrer Not helfen. Virgil war es ein besonderes Anliegen, vor allem den Slawen das Wort Gottes zu verkünden. Beide Bischöfe haben nachhaltig Spuren eines gelebten Glaubens hinterlassen. Was mag im Vergleich dazu von meiner bischöflichen Arbeit am Ende übrigbleiben? Von der Verkündigung? Vom konkreten Handeln?

Welche Konsequenzen ziehe ich beispielsweise, wenn es auch um die direkte Hilfe für Menschen in Not und Bedrängnis geht, sei es bei uns, sei es anderswo? Ohne ein Patentrezept zu haben oder es besser zu wissen, aber der derzeitig ethische Umgang mit Geflüchteten an unseren Grenzen, an europäischen Grenzen, muss uns doch irgendwie auch zu denken geben, gerade wenn Flüchtende unter Gefährdung ihres eigenen Lebens zu uns kommen. Es ist eine sehr sensible Geschichte mit der Unantastbarkeit und mit dem Umgang menschlicher Würde.

Wie ist hier christliches Handeln und politisches Agieren unter einen Hut zu bringen? Unsere ganzen Arbeiten an unseren Strukturen, angefangen in unseren Diözesen in der Neugestaltung unserer pastoralen Räume bis hin zur Regelung unserer finanziellen Verhältnisse, auch für den Bereich der Bischofskonferenz, sind alle wichtig, sind unerlässlich und notwendig und sie fordern uns in unserer Verantwortung, die wir auch für die innerweltlichen Güter wahrzunehmen haben. Dennoch, unser Blick muss geweitet bleiben für den eigentlichen, ja allumfassenden Auftrag Jesu: sein Wort zu hören und danach zu handeln. Gerade das praktische Handeln will von seinem Wort bestimmt sein, will bestimmt sein von der gelebten Liebe, die anderen zum Leben verhilft. Bei allen Entwicklungen im innerkirchlichen wie gesellschaftlichen Bereich wird es nicht weiterhelfen, darauf zu schielen, wie ein Status quo noch irgendwie erhalten werden kann oder dass wir gar mit Wehmut auf vergangene Zeiten zurückblicken. Eine Versuchung, mit der ich in so manchen Gesprächen auch immer wieder konfrontiert werde. Der Versuch einer Abschottung oder der Gedanke an eine kleine Herde wird uns hier nicht weiterhelfen.

Und eine jährliche Statistik sowie eine Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung vermag derzeit die Bindungsfähigkeit oder Bindungsunfähigkeit von Kirche zu verdeutlichen, sie mag über Entwicklungen und Tendenzen, über Erwartungen und Vorstellungen von Kirche und Glaube Auskunft geben. Aber ob deren Erfüllung und Umsetzung wirklich zum Glauben an Christus, zu einer gelebten Beziehung zu ihm führen würden? Gibt sie wirklich Auskunft über den verinnerlichten und gelebten Glauben?

Selbst das Evangelium verpflichtet uns ja nicht – Gott sei Dank –, am Jahresende eine statistische Erfolgsquote abliefern zu müssen. Und was bleibt dann bei all den gesellschaftlichen Umbrüchen und Entwicklungen? Ich denke, zum einen ist es unser Einsatz als Kirche für ein Leben des Menschen in Würde, beginnend mit der Empfängnis, über die Wiege bis zur Bahre, und das weltweit, in unserem Land angefangen und über alle Ländergrenzen hinweg. Nicht zuletzt wird ja insbesondere der caritative Dienst der Kirche immer noch gesellschaftlich geschätzt. Und es bleibt unser Mühen, darin nicht nachzulassen, mit den derzeitigen Mitteln und Möglichkeiten eine Atmosphäre, ein Umfeld zu schaffen, was Glauben ermöglicht und was den Glauben fördert; Erfahrungsräume zu schaffen, in denen die Verkündigung des Wortes und das reale Handeln zusammengehen, bei allen Schwierigkeiten und Mühen, die gelebte Solidarität, soziale Arbeit, caritativer Dienst und das Engagement um Integration nun einmal mit sich bringen.

Ein herzlicher Dank an alle, die das gegenwärtig in Kirche und Gesellschaft umsetzen und leben. Vergessen wir nicht: In dieser Umsetzung zeigt sich unser eigentlicher Verwandtschaftsgrad zu Jesus. Hierin zeigt sich, ob wir am Ende wirklich drinnen sind oder eben draußen! Wie sagte Jesus: Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und tun.

Die hll. Bischöfe Rupert und Virgil seien uns dafür hilfreiche Fürsprecher.

Foto oben (c) Deutsche Bischofskonferenz/Facebook/leicht bearbeitet


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