Schweizer Bischofskonferenz: Bioethikkommission reagiert auf erste Benutzung der Sarco Suizidkapsel

1. Oktober 2024 in Prolife


„Ganz entschieden warnt die Kommission für Bioethik vor den Gefahren, die sich hinter der Auffassung eines individuell gestalteten Todes verbergen, weil dadurch die Solidarität auf der Ebene der gesamten Gesellschaft unterminiert wird und …“


Freiburg i.Ü. (kath.net/SBK) kath.net dokumentiert die Stellungnahme der Kommission für Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz zur Sarco Suizidkapsel von The Last Resort in voller Länge:

In der Frage der Suizidbeihilfe stehen sich zwei Werte gegenüber: einerseits die individuelle Freiheit, sein Leben (und seinen Tod) selber zu gestalten; andererseits die Verantwortung gegenüber dem eigenen Leben und seinen Mitmenschen. Beide sollten in den Entscheidungen, die die eigene Lebensgestaltung betreffen, in einem wohlbedachten Gleichgewicht stehen, damit die persönlichen Entscheidungen eine angemessene Sorge um das eigene Leben unter Berücksichtigung des Wohls anderer ermöglichen. In den Entscheidungen zum eigenen Tod geht es ebenfalls um mehr als eine individuelle Angelegenheit: Unser Hinscheiden hinterlässt bei unseren Liebsten eine dauerhafte Trauer, die man nicht einfach durch den Anspruch auf Selbstbestimmung herabsetzen kann. Angehörige von Suizidopfern machen sich häufig Vorwürfe, nicht genug getan zu haben, insbesondere wenn sie über den geplanten Suizid informiert waren. Die Hinterbliebenen erwartet ein verzerrter Trauerweg, der nicht von den Versprechen der Sarco Suizidplanung gedeckt wird. Ebenfalls nicht gerecht werden diese Versprechen dem Wunsch der Angehörigen, ihrem Nächsten beizustehen, wenn er aus dem Leben scheidet: Die Sarco Kapsel ermöglicht keinen wirklichen Kontakt mit der Aussenwelt.

Trotzdem weiss die Sterbehilfeorganisation „The Last Resort“ die zu vermarktende Suizidkapsel so darzustellen, dass das Sterben mit ihr befreiend, friedlich, sogar besonders menschlich wirkt. Gerade darin besteht die grösste Gefahr: Suizid wird verherrlicht, idealisiert, banalisiert, und somit eine Option unter anderen; in Konsequenz setzt der „Werthereffekt“ ein und führt immer mehr labile, vulnerable und leidende Menschen zu diesem Akt der Verzweiflung – Suizid wird nachahmenswert. Da das Sarco Prozedere auch nicht mehr auf eine ärztliche Kontrolle angewiesen ist, so wie es bis jetzt in der Suizidbeihilfe wegen der Verschreibung des Natrium-Pentobarbitals der Fall war, fällt die letzte schützende Barriere und Suizid wird endgültig „demokratisiert“ – was den offiziell angekündigten Vorhaben der neuen Sterbehilfeorganisation entspricht. In einem solchen Umfeld trauen sich die Angehörigen nicht mehr, die Entscheidung ihres Liebsten zu hinterfragen, weil Selbstbestimmung derart an Wert gewonnen hat, dass der Versuch, jemanden von einem Suizid abzuhalten – zumal dieser auch noch legal ist –, als derbe Respektlosigkeit gilt. Nächstenliebe bestehe darin, den anderen zu verstehen und seinen Willen zu achten – ungeachtet dessen Inhalts.

Wenn es um die Verfolgung eines ästhetischen Ideals geht (was The Last Resort nicht ausschliesst, sondern aktiv suggeriert), nämlich dann zu sterben, wenn unser Leben einen Höhepunkt (oder zumindest noch keinen Tiefpunkt) erreicht, wird so gehandelt, als ob das eigene Leben frei verfügbar wäre, was der christlichen Betrachtungsweise des Menschen, der sich seinem Schöpfer verpflichtet weiss, nicht entspricht. Wenn hingegen die Entscheidung, die Sarco Kapsel zu benutzen, wegen eines unerträglichen Leidens gefällt wurde, drückt sich ein nachvollziehbarer Wunsch aus, diesem Leiden ein Ende zu setzen. Und trotzdem sollte auch in diesem Fall versucht werden, die suizidwillige Person in die Richtung der Palliativpflege zu orientieren, welche ein ganzheitliches Verständnis der Person hat und diese sowohl in ihrer klinischen als auch in ihrer psychosozialen und existenziellen Dimension betrachtet. Den Angehörigen kommt eine bedeutende Rolle zu, damit die verzweifelte Person sich nicht als Last begreift und sich geliebt und unterstützt fühlt.

Ganz entschieden warnt die Kommission für Bioethik vor den Gefahren, die sich hinter der Auffassung eines individuell gestalteten Todes verbergen, weil dadurch die Solidarität auf der Ebene der gesamten Gesellschaft unterminiert wird und gerade die Vulnerabelsten immer stärker dazu versucht sind, die eigenen Angehörigen und die Gesellschaft von ihrer bedrückenden Anwesenheit und den dazugehörigen Verpflichtungen zu befreien.

Im Namen der Solidarität und einer richtig verstandenen Nächstenliebe, sowie aus dem Vertrauen zu unserem Vater und Schöpfer, der uns das Leben geschenkt hat und uns auch im bittersten Leiden nicht alleine lässt, muss vielmehr dem suizidwilligen Menschen geholfen werden, neue Hoffnung zu schöpfen, anstatt ihm zu raten, sich durch den Tod zu „befreien“. Er muss durch die liebevolle Zuwendung seiner Familie und Freunde sowie durch die achtsame Betreuung der Pflegekräfte spüren, dass er in seinem Leiden nicht alleine ist und dass sein Leben oder Sterben nicht gleichgültig ist.
Freiburg, den 24. September 2024
Kommission für Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz


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