Rüge für die Schweizer Bischöfe

19. Oktober 2024 in Schweiz


Der Vatikan antwortet auf die kanonische Voruntersuchung zu den Missbrauchsfällen in der Schweiz.


Bern (kath.net/ sbk)
Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) hat ein Schreiben vom Dikasterium für die Bischöfe mit den Ergebnissen der kanonischen Voruntersuchung erhalten. Die SBK fasst den Inhalt des römischen Schreibens zusammen, das über den Stand des Verfahrens informiert. Über die Schreiben an einzelne der betroffenen Bischöfe informieren die jeweiligen Diözesen in eigener Verantwortung. Es wurden Fehler, Versäumnisse und Unterlassungen im Bereich der kanonischen Verfahrensnormen festgestellt, was die Bischöfe zutiefst bedauern. Zugleich handelt es sich nicht um Fehlverhalten, welche heute die Eröffnung eines kircheninternen Strafverfahrens erfordern würden.
Im Juni 2023 hatte das Dikasterium für die Bischöfe Bischof Joseph Maria Bonnemain beauftragt, eine kanonische Voruntersuchung durchzuführen, um verschiedenen Vorwürfen gegen einige Schweizer Bischöfe nachzugehen. In Zusammenarbeit mit dem Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu und der Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich Brigitte Tag wurden persönliche Gespräche, Befragungen und Analysen verschiedener Dokumente aus den Archiven durchgeführt. Die Ergebnisse wurden Anfang 2024 an das Dikasterium für die Bischöfe in Rom weitergeleitet.

Nachdem die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) im Juni 2024 schriftlich auf eine Antwort des Vatikans gedrängt hatte, erhielt sie nun ein Schreiben mit den Schlussfolgerungen. Einige der betroffenen Bischöfe haben zugleich eine persönliche Antwort erhalten. Drei weitere Schreiben werden noch folgen.
Das Dikasterium für die Bischöfe hat durch seinen Präfekten, Kardinal Robert Francis Prevost, seine Wertschätzung und Dankbarkeit für das pastorale Engagement der Mitglieder der SBK in ihren jeweiligen Diözesen sowie für ihre Verantwortungsübernahme angesichts der aktuellen Herausforderungen zum Ausdruck gebracht. Das vatikanische Dikasterium verfolgte mit grosser Aufmerksamkeit die von der SBK, in Zusammenarbeit mit der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) und der Konferenz der Ordensgemeinschaften und anderer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz (KOVOS), unternommenen Schritte, um über die schmerzhafte Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Kontext der Römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhundert zu forschen.

Im Rahmen der angestrebten Vorgehensweise, nach öffentlichen Berichten über das mutmassliche Fehlverhalten und die Nachlässigkeit einiger Mitglieder der SBK bei der Bearbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker, dankt Kardinal Prevost Bischof Joseph Maria Bonnemain sowie den beiden Rechtswissenschaftlern für ihre effiziente und kompetente Zusammenarbeit bei der Durchführung der Voruntersuchung. Aus dieser, welche vom Dikasterium mit Hilfe massgeblicher Experten sorgfältig geprüft wurde, ergaben sich keine Hinweise auf strafbare Vergehen, Vertuschung, Nachlässigkeit oder Fehler, welche die Einleitung eines kanonischen Strafverfahrens erforderlich machen würden. Nichtsdestotrotz wird das beschriebene Verhalten als nicht korrekt erachtet, bzw. hat sich herausgestellt, dass die im kanonischen Recht vorgesehenen Verfahren nicht ordnungsgemäss befolgt wurden. Aufgrund dieser formalen Irregularitäten erteilte das Dikasterium für die Bischöfe kanonische Rügen. Dabei forderte es dieselben Bischöfe sowie die gesamte Schweizer Bischofskonferenz auf, künftig aufmerksamer zu agieren, die gemeldeten Missbrauchsfälle mit grösster Sorgfalt und Fachkenntnis zu behandeln und dabei alle geltenden Normen des Ermittlungsverfahrens strikt einzuhalten.
Natürlich tragen die Bischöfe eine schwerwiegende Verantwortung bei der Behandlung von Berichten bezüglich mutmasslicher Missbräuche oder Vertuschungen. Gleichzeitig müssen sie ebenfalls die grundlegenden Rechtsprinzipien beachten, wie die Unschuldsvermutung bis zum endgültigen Urteil, den vollen Schutz aller Beteiligten, insbesondere der betroffenen Personen. Daher sind sie verpflichtet, mit der Berichterstattung über Fälle sorgfältig umzugehen und müssen die Anwendung von Vorsichtsmassnahmen bei Vorliegen plausibler Tatsachen gewissenhaft abwägen.

In seinen Schreiben hat Kardinal Prevost die von den Mitgliedern der SBK in den letzten schwierigen Jahren gemachten deutlichen Fortschritte anerkannt. Dabei ist man in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen effizienter geworden, indem in der Schweiz zunehmend qualifiziertes Personal angestellt, sowie mit unabhängigen Institutionen intensiver zusammengearbeitet wurde. Kardinal Prevost ermutigt die Schweizer Bischöfe, den Weg einer aktiven und strengen Achtsamkeit bei der Anwendung des kanonischen Rechts im Umgang mit sexuellem Missbrauch fortzusetzen. Dies, in der Gewissheit, dass die Richtlinien der Katholischen Kirche nicht nur rechtliche Instrumente sind, sondern ein Gefühl der Gerechtigkeit und Verantwortung gegenüber den Betroffenen widerspiegeln, denen die Kirche Zuhören, Aufmerksamkeit und Wiedergutmachung schuldet.
Die Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz bedauern zutiefst die Fehler, Versäumnisse und die Unterlassungen in der Anwendung der kanonischen Normen, welche das Dikasterium für die Bischöfe festgestellt hat. Sie befinden sich in einem Lernprozess und möchten ihren Willen erneut zum Ausdruck bringen, durch ihre Aufmerksamkeit, ihre Sorgfalt, eine bessere Kenntnis der kirchenrechtlichen Verfahren sowie die Fortsetzung der bereits eingeleiteten nationalen Massnahmen gegen die Missbräuche in der Kirche entschiedener vorzugehen. Dies soll nicht zuletzt durch eine professionelle Präventionsarbeit erreicht werden.

 


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