Kirchen in England warnen vor Freigabe von assistiertem Suizid

19. Oktober 2024 in Weltkirche


Kardinal Nichols und anglikanischer Erzbischof Welby befürchten "Dammbruch" und fordern stattdessen bessere Palliativmedizin und Hospizversorgung.


London (kath.net/ KAP)
Führende Vertreter der christlichen Kirchen in England lehnen einen neuen Gesetzesentwurf zur Legalisierung des assistierten Suizids ab und fordern stattdessen eine bessere Palliativmedizin und Hospizversorgung. Sie warnen vor einem Dammbruch und der Gefahr, dass schutzbedürftige Menschen unter Druck geraten könnten, ihr Leben zu beenden. Zu den Warnenden gehören der katholische Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, und der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby. Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf aus den Reihen der regierenden Labour-Partei, über den Ende November im Parlament abgestimmt werden soll, wie britische Medien berichten.
Die Labour-Abgeordnete Kim Leadbeater plant, noch am Mittwoch einen Entwurf im Unterhaus einzubringen, der unheilbar kranken Menschen in England und Wales das Recht einräumen würde, ihr Leben zu beenden. Der neue Labour-Premier Keir Starmer hatte im Wahlkampf angekündigt, Sterbehilfe legalisieren zu wollen. Der Entwurf verlangt, dass ein Richter und zwei Ärzte den Wunsch eines Patienten bestätigen müssen, der sterben will. Starmer kündigte an, den Fraktionszwang für die Abstimmung aufzuheben.

"Recht zu sterben kann zur Pflicht werden"
Kardinal Nichols schrieb in einem Hirtenbrief, die Freigabe des assistierten Suizids könne für einige Erleichterung bringen, aber für viele, besonders für Verletzliche und Menschen mit Behinderung, Angst und Beklemmung. "Seien Sie vorsichtig, was Sie sich wünschen", mahnte Nichols. "Das Recht zu sterben kann zur Pflicht werden." Auch die Rolle der medizinischen Berufe würde sich durch die Freigabe von Sterbehilfe tiefgreifend verändern.
Nichols betonte, er wisse um die tiefen Ängste und Sorge bei vielen Menschen vor einem langen Leiden und einem Verlust der Würde. Die Antwort liegt für den Kardinal jedoch nicht die Ermöglichung von Sterbehilfe, sondern in der Verbesserung von Palliativmedizin und Hospizversorgung, "damit wir alle wirklich die Aussicht haben, unsere letzten Tage im Beisein von geliebten Menschen und fürsorglichen medizinischen Fachkräften zu verbringen", wie der Kardinal sagte: "Das ist wirklich ein Sterben in Würde."
David Alton, Mitglied des House of Lords, warnte ebenfalls vor der Öffnung der "Schleusen für Euthanasie". Schutzbedürftige könnten in Gefahr geraten. Bevor das Parlament ein Gesetz beschließe, solle es die Auswirkungen in Ländern wie den Niederlanden betrachten, die den Schutz der Schwachen durch unwirksame Sicherheitsvorkehrungen aufgegeben hätten, so der katholische Politiker. Er forderte ein stärkeres Engagement für mobile Hospizdienste und rief dazu auf, Menschenwürde und "die Heiligkeit des Lebens" zu wahren.

Mutter Welbys empfand sich als "Last"
Anglikaner-Primas Welby äußerte in einem BBC-Interview die Befürchtung, dass die Einführung einer Sterbehilfe-Gesetzgebung "den Weg für eine Ausweitung ebnet" und auch Menschen, die nicht unheilbar krank sind, sich unter Druck gesetzt fühlen könnten, danach zu fragen. Der Erzbischof von Canterbury sprach auch über seine Mutter, die 2023 im 94. Lebensjahr starb. Vor ihrem Tod habe sie das Gefühl beschrieben, eine "Last" zu sein, berichtete Welby. Er habe Sorge, wie viele andere Menschen sich gezwungen fühlen könnten, um den Tod zu bitten, wenn sie sich genauso fühlten, so der anglikanische Erzbischof.
Labour-Parlamentarierin Leadbeater betonte zuletzt in Interviews, dass es im aktuellen Gesetzesvorschlag um unheilbar kranke Menschen gehe. Britische Medien berichteten aber auch, dass eine Gruppe von mehr als 50 Abgeordneten aus verschiedenen Parteien bereits fordert, dass das Gesetz zur Sterbehilfe nicht nur für unheilbar Kranke, sondern auch für unheilbar Leidende gelten soll.

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