1. Oktober 2004 in Österreich
Der Papst wollte seinen Rücktritt, also trat Bischof Kurt Krenn zurück - Von Stephan Baier/DIE TAGESPOST "Mit dem Rücktritt blieb er sich treu"
Wien (DT) Immer wieder, und seit dem Beginn der Apostolischen Visitation derDiözese St. Pölten verstärkt, hatten manche seinen bevorstehenden Rücktrittherbeizureden oder herbeizuschreiben versucht. Am späten Mittwochabendschließlich bestätigte Bischof Kurt Krenn selbst der linksliberalen WienerTageszeitung "Der Standard": "Ja, ich bin zurückgetreten und ab sofortAltbischof von St. Pölten." Aber auch im Rücktritt blieb er bei seinerLinie: "Ich bin nicht aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten, da ichvöllig gesund bin. Ich bin auf keinen Fall aufgrund des öffentlichen Druckszurückgetreten. Das hätte ich noch länger ausgehalten. Aber ich habe immergesagt, ich werde das tun, was der Papst sagt." Warum der Papst dazu kam,ihn um den Rücktritt zu bitten, wollte Bischof Krenn "nicht näherkommentieren".
Auch damit bleibt Krenn seiner Linie treu, denn päpstliche Entscheidungen zuhinterfragen und exegetisch auszuwerten, sie in angenehme und unannehmbareBitten einzuteilen, das ist nie seine Sache gewesen. Seit seiner Ernennungzum Weihbischof in Wien 1987 stand Krenn für unbedingte Treue zum NachfolgerPetri, nahm dafür Schmähungen, Angriffe und zuletzt auch immer mehrDemütigungen in Kauf. "Auf dem Glauben des Petrus wollte Jesus seine Kircheerbauen", sagte er 1996 in einem Vortrag. Und immer wieder antwortete er aufgezielt lancierte Gerüchte, er werde Österreich bald verlassen, dass er auchzum Nordpol ginge, wenn das der Heilige Vater wünscht.
So weit wird es nicht werden, denn Kurt Krenns Heimat - und als solche hater seine Geburtsregion immer betrachtet - ist das nördliche Oberösterreich.In Rannariedl, unweit Passau, wurde er 1936 als Sohn eines Lehrerehepaarsgeboren. 1945 übersiedelte die Familie ins nahe Oberkappel, wo eineSchwester nach dem Tod der Mutter ihm bis heute Heimat bietet. Zu einerzweiten Heimat wurde ihm Rom, wo er von 1955 bis 1965 als Alumne des"Germanicum" lebte, während er an zwei Päpstlichen Universitäten studierte.Die Studien des Kirchenrechts absolvierte er am Lateran, jene der Theologieund der Philosophie schloss er an der Gregoriana mit einer Dissertation überden "Sinn des Seins in der Befindlichkeit der Partizipation beim heiligenThomas von Aquin" ab.
Die Liebe zur thomistischen Philosophie führte Kurt Krenn über Studien inTübingen und München, über Lehraufträge in Linz und St. Pölten schließlichauf den Lehrstuhl für Systematische Theologie an der Universität Regensburg.Die auf dem Denken des Thomas von Aquin aufbauenden Antworten auf die Fragennach Gott und nach dem Wesen des Menschen, nach der Wahrheit und dem Sinndes Seins standen im Zentrum seiner Vorlesungen. Dem Menschen "die wirklicheWirklichkeit Gottes" zu sagen, Gott als Ziel und Sinngrund alles Seienden zusehen und der Vernunft zu erschließen, das war sein Ziel alsHochschullehrer. Studenten, die Kurt Krenn in Regensburg erlebten, berichtenvon einem intellektuell anspruchsvollen und zugleich persönlichausgesprochen umgänglichen, geduldigen Professor.
In der Überzeugung, dass die Wahrheit dem Menschen nicht nur zumutbar ist,sondern dass "der Mensch ein Recht auf die Wahrheit hat", wagte sich Krennab Mitte der achtziger Jahre in Fernsehshows und Diskussionsrunden, dieProfessoren und Bischöfe üblicherweise eher meiden. Über Pille undHomosexualität, über den Papst und die Kirche stritt er mit UtaRanke-Heinemann und anderen schillernden Randgestalten des theologischenWissenschaftsbetriebs, nahm auf etlichen "Heißen Stühlen" Platz. Bis heuteist das Krenn-Bild seiner Gegner wie seiner Bewunderer mehr von diesen, undzunehmend auch von den weniger inhaltlichen, eher unterhaltsamenFernsehauftritten geprägt, als von seinem theologischen und philosophischenDenken.
Prügelknabe im Kirchenkonflikt
Als Kurt Krenn am 26. April 1987 im Wiener Stephansdom die Bischofsweiheempfing, bildete sich vor dem Eingang der Kathedrale ein Menschenteppich.Der Widerstand gegen den kämpferischen Theologen hatte sich formiert. Fürmanche Medien war Bischof Krenn aber bald doppelt nützlich: einerseits alsein Opfer, das man unwidersprochen in eine Ecke stellen und ungestraftbeschimpfen konnte, andererseits als ein Täter, der stets gerne mit denJournalisten sprach und jederzeit zu einer schlagzeilenfähigen Aussagebereit war. Krenn-Interviews ließen sich leicht zu Aufregern stilisieren."Auch ich habe die Wahrheit nicht gepachtet. Ich bezeuge sie, weil sie mirim Glauben geschenkt wurde", war so ein klassischer Krenn-"Sager", den manmissverstehen wollte und darum auch gerne missverstand.
Der kämpferische Gottesmann, der scheinbar alle Schläge locker wegsteckte,konnte allerdings auch kräftig austeilen: Als 1995 unter dem Eindruckbelastender Informationen immer mehr Bischöfe von Kardinal Groer abrücktenund schließlich auch zu der "moralischen Gewissheit" gelangten, die Vorwürfegegen Groer seien im Wesentlichen zutreffend, da stellte sich Krennlautstark auf Groers Seite. 1998 sagte er im Konflikt mit einigen seinerMitbrüder auf dem römischen Petersplatz stehend in eine laufende ORF-Kamera,ihm würde es genügen, "wenn die Lügner das Maul halten". Solche eher derbenBreitseiten hält man ihm bis heute vor. Ebenso die am Beginn der Probleme umdas St.Pöltener Priesterseminar getane Äußerung, dies gehe dieBischofskonferenz "einen Dreck an".
Kurt Krenn wurde zum "Prügelknaben" (so "Profil" bereits 1988) desKirchenkonflikts in Österreich gemacht: Als "Minusmann Gottes" und "GottesAyatollah" wurde er tituliert. Zwei eher oberflächliche Bücher über ihntragen die Titel "Gottes eherne Faust" und "Die Geißel Gottes". Wer bei ihmVorlesungen gehört hatte, wer seine alten Vorträge und Buchbeiträge nachlas,wer seine Hirtenbriefe und manche Predigt studierte, der konnte spüren, dasses da noch eine andere Seite des Kurt Krenn gab. Doch der philosophischeDenker und der Seelsorger blieben in der medialen Vereinfachungswelt auf derStrecke.
Angesichts der vor drei Wochen vorsorglich einmal verbreitetenFalschmeldung, Bischof Krenn habe auf Weisung des Vatikan seinen Rücktrittam 10. September in Rom bereits unterschrieben, brach ausgerechnet bei jenenKreisen Jubel aus, die sich sonst gerne gegen jede römische Einmischungwehren. Nach 1986 war ja nicht nur Krenn ins Visier geraten. Manchekirchliche Kreise gewannen und artikulierten den Eindruck, Rom wolle denKirchenkurs in Österreich ändern. Auch die Ernennung von Georg Eder zumErzbischof von Salzburg und Klaus Küng zum Bischof von Feldkirch lösteninnerkirchliche und mediale Druckwellen aus.
In Rom entstand eine unerwartete Front
Die stärkste und nachhaltigste Kritik zog Kurt Krenn, 1991 zumDiözesanbischof von St. Pölten ernannt, auf sich. Es war wohl gerade seineUnerschütterlichkeit und Sturheit, die die einen auf ihn hoffen, die anderenan ihm schier verzweifeln ließ. "Du sollst nicht begehren!", lautete seineknappe Antwort auf das Kirchenvolks-Begehren und dessen anti-römischeForderungen. Die selbsternannten Kirchenreformer mussten mit seinemWiderstand rechnen: "Erneuerung ohne Bekehrung kann zur sterilen Bürokratie,zum Herrschen ohne Dienen, zu Forderungen ohne Herz und Vernunft undschließlich zur Spaltung führen." Wer Jesus von seiner Kirche, wer den Papstvon seinen Bischöfen, wer die Liturgie von ihrer Form oder den Glauben vonder Tradition zu lösen versuchte, konnte sich des Widerspruchs von BischofKrenn sicher sein. Womit aber weder Kurt Krenn noch seine öffentlichenWidersacher gerechnet hatten, war, dass ihm gerade in Rom eine neue Fronterwachsen würde. Zu gängig war das Klischee vom "Frühstückspartner desPapstes". Tatsächlich war der Regensburger Professor Krenn durch eineVeröffentlichung über das Personverständnis Papst Johannes Pauls II. in derEnzyklika "Redemptor Hominis" seinem Lubliner Kollegen Marian Jaworskiaufgefallen. Krenn hielt einen Gastvortrag in Lublin; Jaworski erzählteseinem Ex-Kollegen und Freund Karol Wojtyla begeistert von dem Professor ausRegensburg. Krenn und Jaworski blieben auch befreundet, nachdem der eineBischof von St. Pölten, der andere Kardinal und Erzbischof von Lemberggeworden war.
Bischof Krenn hatte nie den Eindruck, sich wehren zu müssen, wenn Äbte undPriester gegen ihn gerichtete Beschwerden oder Unterschriftenlisten nach Romsandten. Erst im Vorjahr drehte sich der Wind. Im Dezember 2003 musste Krennin der vatikanischen Bischofskongregation zur Kenntnis nehmen, dass sichdort Briefe seiner Mitbrüder angesammelt hatten, die ihm Amtsunfähigkeit ausgesundheitlichen Gründen vorwarfen.Der Skandal um das Priesterseminar, die Verurteilung eines ehemaligenPriesteramtskandidaten wegen Besitzes kinderpornographischer Bilder, dieVorwürfe gegen Regens und Subregens, und schließlich auch die gesamtemediale Begleitmusik ließen auch Rom nicht unbeeindruckt. Als Kardinal Reihm am 10. September den Rücktritt nahelegte, konnte sich Bischof Krenn demnoch verweigern. Doch als ihm ein Mitarbeiter der Wiener ApostolischenNuntiatur ein Schreiben des Papstes vorlegte, hatte Kurt Krenn keine Wahlmehr. Mit dem Rücktritt blieb er sich treu.
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