Ostkirchen-Expertin kritisiert vatikanische Ukraine-Diplomatie

5. November 2024 in Weltkirche


Münsteraner Ostkirchen-Professorin Elsner in "Herder Korrespondenz": Vatikan versucht Gesprächskanäle mit Moskau offenzuhalten, verrät dabei aber die eigenen ukrainischen Gläubigen


Freiburg (kath.net/KAP) Heftige Kritik an der vatikanischen Ukraine- und Russland-Diplomatie übt die deutsche Ostkirchenexpertin Regina Elsner. Der Vatikan versuche, Neutralität zu wahren, um mit Russland im Gespräch zu bleiben. "Dadurch verrät er aber die eigenen, vor allem die ukrainischen Gläubigen", so Elsner im aktuellen Themenheft der "Herder Korrespondenz" ("Orthodox. Wohin die Kirchen des Ostens steuern"), das ganz der Orthodoxen Kirche bzw. aktuellen Entwicklungen innerhalb der Orthodoxie gewidmet ist. Der Vatikan sei nicht fähig, eindeutige Solidarität mit den ukrainischen Gläubigen und dem ukrainischen Volk zu zeigen, zeigte sich Elsner enttäuscht. Sie ist Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der deutschen Universität Münster.

Elsner: "Ich würde mir vor allem wünschen, dass der Vatikan den Menschen zuhört, die diesen Krieg täglich erleben und erleiden. Der Papst empfängt ukrainische Gläubige, zeigt die ukrainische Flagge oder erhält von (Präsident Anmk.) Selenskyj Ikonen aus dem Krieg. Das sind schöne Gesten, aber sie reichen nicht."

Die Verantwortlichen der ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche seien regelmäßig in Rom. Sie würden berichten, was dieser Krieg tagtäglich für sie bedeute. Aber: "Es kommt nichts davon auf der Ebene der Stellungnahmen und der Diplomatie an."
Der Vertrauensverlust des Vatikans in der Ukraine sei dementsprechend enorm. Zwar sei dieser Verlust ein wenig dadurch aufgefangen worden, dass im Sommer griechisch-katholische Priester aus russischer Gefangenschaft auch durch Vermittlung des Vatikans freigekommen waren. Aber, so Elsner: "Die Menschen nehmen sehr genau wahr, dass der Vatikan sich alle Türen nach Moskau offen hält, obwohl es in Moskau offensichtlich kein Interesse gibt, darauf in irgendeiner Weise einzugehen."
Bereits in sowjetischer Zeit habe der Vatikan ökumenische Kontakte mit Moskau gepflegt, während gleichzeitig die eigenen Gläubigen in der Ukraine verfolgt wurden. "Daran erinnern sich die Menschen."

Ökumeniker: Verhalten ist kontraproduktiv

Der Vorsitzende der deutschen Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen (ACK), der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron, bestätigte in der "Herder Korrespondenz" Elsners Befund: "Die Griechisch-Katholischen sind die Romtreuesten in der Ukraine. Ihre Lage ist auch deswegen tragisch, weil sie wegen dieser extremen Rombindung im Kommunismus gelitten haben."

Es sei klar, dass die Leitung einer Weltkirche immer das große Ganze im Sinn haben müsse, "aber für diese Menschen ist das eine Tragödie", so Miron. Als Ökumeniker müsse er hinzufügen, "dass dieses Verhalten auch ökumenisch im Land selbst und außerhalb kontraproduktiv ist".

Kritik auch an Belarus-Diplomatie

Elsner zeigte sich auch mit der vatikanischen Diplomatie im Blick auf Belarus höchst unzufrieden: "Dort sind Katholiken und orthodoxe Gläubige sehr enttäuscht, dass die diplomatischen Vertretungen des Vatikans gerne mit (Präsident Anm.) Alexander Lukaschenko und seinen Diplomaten Sekt trinken und gleichzeitig werden belarussische gefangene Priester und Gläubige nicht befreit; viele Katholiken sitzen in Belarus in Gefangenschaft." Der Vatikan schweige dazu. Elsner: "Für die Gläubigen wiederholt sich ein Trauma aus der Geschichte. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Erfolg der Diplomatie das aufwiegt."

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Archivfoto: Papst Franziskus zeigt eine ukrainische Flagge


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