Alle Macht den synodalen Räten?

19. November 2024 in Kommentar


„Der deutsche Synodale Weg folgte einem säkular-politischen Pfad, der immer weiter von Bibel, Konzil und Kirche wegführt.“ Gastbeitrag von Hubert Hecker


Limburg (kath.net) Nach einem Bericht der Limburger Kirchenzeitung ‚Der Sonntag‘ vom 24.10.2024 soll mit einer neuen Leitungsstruktur im Rahmen des neuen Diözesanstatuts „die Konzentration von Macht auf eine Person oder ein Gremium verhindert werden“. Diese Zielbestimmung wurde auf dem Synodalen Weg aus der „Aufarbeitung des Missbrauchsskandals“ entwickelt. Doch der Begründungszusammenhang ist falsch. Denn das wissenschaftliche Missbrauchsgutachten von 2018 konnte in keiner der Teilstudien Machtkonzentration als relevante Ursache von Missbrauch herausfinden. Gleiches gilt für systemische, sogenannte kirchenspezifische Ursachen, ein Konstrukt der Bischöfe Marx und Bode. Noch auf der vatikanischen Bischofssynode versuchte Bischof Bätzing, den Begriff ‚systemische Ursachen für Missbrauch‘ im Abschlussdokument zu verankern. Als das nicht gelang, stimmte er indigniert gegen die entsprechende Passage (vgl. Die Tagespost vom 7.11.2024).

Einen weiteren Beleg für die Fehleinschätzung von kirchlicher Macht als Missbrauchsursache liefert die evangelische Missbrauchsstudie ForuM. Sie hat gezeigt, dass die Strukturen der evangelischen Kirche als „antihierarchisch und grundlegend partizipativ“ (also ohne sogenannten Machtkonzentrationen) zu einer ebenso hohen Prozentzahl an Missbrauchsfällen von protestantischen Pastoren führten. Nach der Strukturtheorie müssten die partizipativen und geschwisterliche Strukturen der evangelischen Kirche in gleicher Weise missbrauchsbegünstigend gewirkt haben. Angesichts dieser Ergebnisse erklärte der Missbrauchsforscher Großbölting seine frühere Warnung vor klerikaler Machtkonzentration für verfehlt.

Die Begriffe „Machtkonzentration“ und deren Verhinderung durch „Gewaltenteilung“ sind Kategorien aus staatspolitischen Ansätzen, die auf kirchliche Verfahren und Legitimationen nicht anwendbar sind. Denn Beratungen, Beschlüsse und Entscheidungen von Papst, Bischöfen und synodalen Gremien sind im Geiste und nach Maßgabe von Schrift und Glaubenslehre der Kirche zu fassen – und nicht im Streit von gegensätzlichen Ansätzen und gleichwertigen Interessen von Parteien und gesellschaftlichen Gruppen auszufechten.

Zu den Aufgaben des neuen Leitungsgremiums im Bistum Limburg, dem „Diösesansynodalrat“, gehören, „den Bischof zu beraten“ und zu „entscheiden über mittel- und langfristige Ziele“ des Bistums. Der Bischof habe sich grundsätzlich an die Mehrheits-„Beschlüsse des Gremiums zu binden“. Beide Elemente, sowohl die Letztentscheidung für Bistumsziele durch ein mehrheitliches Laiengremium als auch die geforderte Selbstbindung des Bischofs an die Gremiumsbeschlüsse widersprechen den fundamentalen Prinzipien der hierarchischen Kirche, wie sie im Konzil bestätigt wurden. Daran rüttelt auch das Abschlusspapier der Weltsynode in Rom nicht. Nach dem Dokument sollen bei kirchlichen Beratungsprozessen (decison making) möglichst viele Katholiken einbezogen werden, während die abschließende Entscheidung (decison taking) allein in der Verantwortung von Papst, Bischöfen und Pfarrern liegt, so die Einschätzung vom Synodenbischof Stefan Oster.

Die Synode in Rom hat auch methodisch einen völlig anderen, eben kirchlich-christlichen Ansatz für das gemeinsame Beratungsgespräch entwickelt als der deutsche Synodale Weg: das gegenseitige vertrauensvolle Hören, die geistliche Unterscheidung, das Streben nach ‚Umkehr‘ (in vier der fünf Dokumentenüberschriften benannt) und die Ausrichtung auf missionarische Jüngerschaft – so die Erklärung der Bischöfe Woelki, Hanke, Oster und Voderholzer. Dagegen war auf dem Synodalen Weg Kampfstimmung angesagt im Sinne einer parlamentarischen Auseinandersetzung, bei der die liberale Mehrheit teilweise mit unlauteren Methoden, jedenfalls mit massivem Druck und Abstimmungstricks ihre Themen und Tendenzen durchstechen wollte und konnte.

Festzustellen bleibt: Drei der vier Hauptthemen des Synodalen Wegs: Zölibat, Sexualmoral und Teilhabe von Frauen am sakramentalen Weiheamt sind für das Abschlussdokument der römischen Synode irrelevant. Die Frage der Macht wird in dem Papier mit dem genuin kirchlichen Ziel eines gemeinsamen, geistlichen Wegs der Kirche beantwortet – und eben nicht mit politischer Gewaltenteilung, parlamentarischer Auseinandersetzung und aggressiver Mehrheitsbeschaffung in laiendominierten Gremien.

Der Synodale Weg folgte einem säkular-politischen Pfad, der immer weiter von Bibel, Konzil und Kirche wegführt. Die Ziel-Parole: Brecht die Macht der hierarchischen Klerikalen – Alle Macht den synodalen Räten! – soll auf nationaler Ebene mit dem deutschen Synodalrat erreicht werden und auf Bistumsebene mit dem Diözesanrat, mit dem in Limburg der Anfang gemacht wurde.

 


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