23. Dezember 2024 in Spirituelles
Auf die Frage einer Leidensgenossin, wie sie trotz ihrer verschenkten Mahlzeiten immer noch so fröhlich sein und das zunehmende Leid tragen könne, antwortete die Braut Christi knapp: „Beten, dann vergeß ich!“ Von Elmar Lübbers-Paal
Linz (kath.net) Wahre Heiligkeit zeigt sich besonders deutlich in Zeiten größter Bedrängnis. Die letzten vier Jahre ihres Lebens durchlebte diese Schwester Angela Maria Autsch in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Auschwitz. Am 23. Dezember jährt sich ihr Todestag zum 80. Mal. Grund genug, auf die stets hilfsbereite Schwester des Trinitarierordens zu schauen, die als „Engel von Auschwitz“ in die Geschichte einging.
Als fünftes von sieben Kindern des Maschinisten August Autsch und seiner Frau Amalie wird am 26. März 1900 die kleine Maria Cäcilia, in Röllecken bei Attendorn, geboren. Zwei Tage später findet ihre heilige Taufe in der Pfarrkirche St.-Martin zu Dünschede statt. Gefirmt wird sie durch den Bischof von Paderborn, Karl Joseph Schulte am 12.9.1913 in der Pfarrkirche zu Schönholthausen. Bereits mit 15 Jahren arbeitet sie zunächst als Kindermädchen, um zum kärglichen Einkommen der Familie etwas beizutragen. Noch im selben Jahr beginnt sie eine Verkäufer-Ausbildung im Modegeschäft Bischoff & Brögger im sauerländischen Finnentrop bei Olpe. Um weiterhin im Modegeschäft arbeiten zu können, mietet sie sich dort ein Zimmer, als ihre Familie 1918 nach Heinsberg umzieht. Sie verlobt sich. Doch mit der Zeit merkt Maria Cäcilia, dass dies nicht ihrer Bestimmung entspricht. So will sie sich trennen. Ihr Verlobter begeht 1930 Selbstmord durch Erhängen. Nun muss sie unter „Schimpf und Schande“ aus Finnentrop fort. Sie siedelt, wie ihre Familie, nach Heinsberg um. Dort ist es denn auch, wo es zum ersten Kontakt mit dem Orden der Trinitarierinnen von Valencia kommt. Der spanische Orden gründet das erste Haus auf deutschsprachigem Gebiet, im Tiroler Mötz. Dieser Tochtergründung tritt Maria Cäcilia bei und trägt fortan den Ordensnamen Angela Maria vom heiligsten Herzen Jesu. Die Ewigen Gelübde legt sie 1938 ab, womit ein neues, schicksalhaftes Leben der jungen Ordensfrau beginnt.
Gauleiter Hofer möchte Hitler zu seinem 50. Geburtstag ein klosterfreies Tirol bescheren. Doch bei Schwester Angela Maria stößt er auf Widerstand, da sie angibt, dass das Kloster spanischer Besitz sei und damit nicht enteignet werden könne. Sie schaltet dafür sogar den spanischen Konsul in Wien ein. So wie die Nazis nun von dieser Klosterenteignung absehen, so sehr hat nun die Gestapo die mutige deutsche Nonne unter strenger Beobachtung.
Sr. Angela bleibt geradlinig und macht aus ihrer Gesinnung keinen Hehl. Sie hört wohl ausländische Sender, wodurch sie Informationen erfährt, die sie beim Einkaufen anderen Frauen verrät. So soll die Klosterfrau von der Zerstörung eines deutschen Schiffes mit vielen toten Soldaten gewusst haben, worüber aber absichtlich kein deutscher Sender berichtet hat. Auch äußert Sr. Angela öffentlich: „Der Hitler ist ein Unglück für Europa“. Durch eine Denunziation wird die Klosterfrau – ohne Angaben von Gründen – am 12.8.1940 durch die Gestapo im Kloster verhaftet. Mann zerrt sie brutal aus dem Kloster und reißt ihr dabei sogar den Schleier herab. Kurzzeitig fällt die Ordensfrau in Ohnmacht.
Bei der Durchsuchung ihrer Zelle, liest man auch ihre Tagebuchzeilen: „Der Hitler ist eine Geißel für Europa!“ Dies alles führt dazu, dass man die gottgeweihte Frau – ohne Gerichtsverhandlung – wegen „Führerbeleidigung und Wehrkraftzersetzung“ in das Frauen-KZ Ravensbrück (Häftlings-Nr. 4651, mit rotem Winkel für politisch Gefangene) deportiert. Dort bleibt sie zwei Jahre inhaftiert.
Hier muss sie zunächst schwere Bauarbeiten verrichten, wird folglich aber auch als Pflegerin auf dem Krankenrevier eingesetzt, wo sie sich mit Herzblut um Wöchnerinnen kümmert. Sie nutzt ihre Tätigkeit, um Seife, sauberes Wasser und Medikamente zu entwenden, um Mithäftlingen dadurch Erleichterungen zukommen zu lassen. All dies geschieht unter permanenter Lebensgefahr!
An ihrem Geburtstag 1942 wird Sr. Angela mit etwa tausend Mitgefangenen auf einen Transport, zum Aufbau eines Frauenlagers, nach Auschwitz-Birkenau befohlen. Dort kommen die Häftlinge am 16. August des gleichen Jahres an. Nachdem die Ordensfrau dort die neue Häftlingsnummer 512 bekommt, wird sie, auf Grund ihrer pflegerischen Erfahrung, der Krankenstation zugeteilt. Schließlich leitet sie eine Zeit lang die Wäschekammer, wird als Wirtschafterin eingesetzt und wirkt als leitende Köchin.
Oft verzichtet sie auf ihre eigene Essensration, um den Hunger anderer zu mildern. Auf die Frage einer Leidensgenossin, wie sie trotz ihrer verschenkten Mahlzeiten immer noch so fröhlich sein und das zunehmende Leid tragen könne, antwortete die Braut Christi knapp: „Beten, dann vergeß ich!“
Ab 15. Mai 1944 wird Sr. Angela im SS-Lazarett eingesetzt, was bedeutet, dass sie ihre eigenen Peiniger, die teilweise wahre Folterknechte sind, pflegen muss. Sie tut dies mit vorbildlicher Hingabe. Nie hat sie einen Gedanken der Rache.
Bereits nach ihrer Gefangennahme verzieh sie allen, die an ihrer Inhaftierung beteiligt waren – ohne jeden Groll! Sie fühlt sich zu einem nachahmenden Leben und Leiden unseres Heilands berufen. Ihr ein und alles ist der Herrgott selber.
Hatte sie doch schon vor dem „Anschluß Österreichs“ begonnen ein „Netz des Widerstands zu organisieren, das der Feind nicht zerstören kann“, so Papst Franziskus in seiner diesjährigen Eröffnungsansprache zum Internationalen Eucharistischen Kongress in Quinto/Ecuador.
Sr. Angela rief in ihrem Umfeld nämlich dazu auf, eine tiefe Verehrung des eucharistischen Heilands zu pflegen und IHN möglichst häufig zu empfangen. Die daraus resultierende göttliche Widerstandskraft, lässt sie die mannigfaltigen Demütigungen und Misshandlungen ertragen. Bis heute sind Kopien ihrer vielen Briefe erhalten, die sowohl in Umschreibungen ihren Lageralltag schildern, als auch von ihrem unerschütterlichen Glauben Zeugnis ablegen.
Kurz vor der Befreiung des Lagers Auschwitz stirbt unsere Märtyrerin der Nächsten- und Feindesliebe, mit 44 Jahren, am 23. Dezember 1944 bei einem Bombenangriff der Alliierten an einem Herzversagen. Noch am selben Tag wird ihr Leichnam im Krematorium des Lagers verbrannt. Die Mitgefangenen verleihen ihr den Ehrentitel „Engel von Auschwitz“.
Der Wiener Erzbischof, Hans Hermann Kardinal Groer, eröffnet am 8.3.1990 den Seligsprechungsprozess. Dieses diözesane Verfahren wird 1992 erfolgreich abgeschlossen und die Unterlagen nach Rom gegeben. Papst Franziskus erkennt am 19. 5. 2018 Schwester Angela Maria den heroischen Tugendgrad zu. Seit dem wird sie offiziell als „Dienerin Gottes“ verehrt. Ihre Seligsprechung durch Rom dürfte in absehbarer Zeit erfolgen.
Foto: Schwester Angela M. Autsch aufgenommen bei ihrer Ankunft im KZ-Auschwitz 1942 (c) gemeinfrei
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