Papst Alexander VI., das Heilige Jahr 1500 und das geistliche Erbe des Vicarius Christi

17. Dezember 2024 in Aktuelles


Der Populus Dei, sein Gebet und die Eucharistie im Mittelpunkt eines Anfangs, eines Ziels und der Erneuerung. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Papst Alexander VI. (Rodrigo Borgia; * 1. Januar 1431 in Xàtiva bei València; † 18. August 1503 in Rom), oft kontrovers betrachtet, verdient im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr 1500 besondere Anerkennung für seine spirituellen Beiträge und seine Bemühungen, die Frömmigkeit des Volkes zu vertiefen. Das Heilige Jahr 1500, das Alexander VI. feierlich ausrief, war nicht nur ein historisches, sondern auch ein geistliches Großereignis, das Tausende von Pilgern nach Rom zog. Seine Maßnahmen zielten darauf ab, den Gläubigen durch symbolische und liturgische Handlungen eine tiefere Beziehung zu Gott zu ermöglichen.

Eine der bedeutendsten Neuerungen, die Alexander VI. dem Heiligen Jahr 1500 verlieh, war die feierliche Öffnung der Heiligen Pforten in den vier (heute „Päpstlichen“) Basiliken Roms: St. Peter, St. Paul vor den Mauern, Santa Maria Maggiore und St. Johann im Lateran. Diese Pforten symbolisierten die Einladung Gottes, ins Heil einzutreten, und wurden ein zentraler Akt der Pilgerfrömmigkeit. Alexander VI. legte großen Wert auf die Bedeutung dieses Rituals und hob die Pforten als Zeichen der göttlichen Gnade hervor, die den Menschen in diesem Jubiläumsjahr in besonderer Weise zuteilwerden sollte. Mit der Heiligen Pforte schuf Alexander VI. ein bleibendes Symbol der geistlichen Erneuerung und der Barmherzigkeit, das bis heute ein zentrales Element jedes Heiligen Jahres ist.

Papst Alexander VI. war ein leidenschaftlicher Förderer des Rosenkranz-Gebets, das er als eine mächtige spirituelle Waffe gegen das Böse betrachtete. Seine Unterstützung für die Verbreitung des Rosenkranzes trug dazu bei, dass diese Gebetspraxis in der Volksfrömmigkeit fest verankert wurde. Alexander VI. betonte dabei die kontemplative Dimension des Rosenkranzes, die den Gläubigen half, sich intensiv mit den Mysterien des Lebens, Leidens und der Auferstehung Christi auseinanderzusetzen. In seinen Ansprachen und päpstlichen Schreiben ermutigte er die Gläubigen, den Rosenkranz als Mittel der persönlichen Heiligung und des Friedens zu nutzen.

Ein weiteres zentrales Anliegen Alexanders VI. war die Förderung der Verehrung und Anbetung der allerheiligsten Eucharistie. Er stärkte die Bedeutung der Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens. Während des Heiligen Jahres 1500 legte er besonderen Wert darauf, dass die Pilger in Rom an feierlichen Messen und eucharistischen Prozessionen teilnahmen. Diese Veranstaltungen dienten nicht nur der liturgischen Feier, sondern auch der öffentlichen Sichtbarmachung des Glaubens. Alexander VI. betrachtete die Eucharistie als zentrales Heilsmysterium, das die Gläubigen mit Christus verband und ihnen die Gnade des Jubiläumsjahres schenkte.

Trotz seiner oft kritisierten persönlichen Lebensführung zeigte Alexander VI. ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse des christlichen Geistes der Menschen. Durch die großzügige Vergebung von Sünden, die mit den Jubeljahren verbunden war, sowie die Betonung der Pilgerfahrt nach Rom schuf er einen Raum für spirituelle Erneuerung und Umkehr. Die Scharen von Pilgern, die nach Rom strömten, wurden durch die liturgischen Feiern, die Sakramente und die Predigten zu einer intensiveren Frömmigkeit angeleitet. Alexander VI. förderte zudem zahlreiche Bau- und Renovierungsprojekte in Rom, die nicht nur das Stadtbild prägten, sondern auch die besondere geistliche Atmosphäre des Heiligen Jahres unterstützten.

Kurzum: wir reden von einem Vermächtnis der Erneuerung in schwieriger Zeit. Das Heilige Jahr 1500 unter Papst Alexander VI. markiert einen Höhepunkt der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Frömmigkeit. Die Einführung der Heiligen Pforten, die Förderung des Rosenkranz-Gebets und die Eucharistische Verehrung zeugen von seinem Bemühen, die Herzen der Menschen für Gott zu öffnen und die Kirche als Quelle der Gnade zu präsentieren. Trotz seiner Schwächen verdient Alexander VI. Anerkennung für seine spirituelle Weitsicht und die nachhaltigen Impulse, die er der Volksfrömmigkeit verlieh. Sein Wirken im Heiligen Jahr 1500 ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie die Kirche immer wieder Wege findet, die Menschen zu Gott zu führen.

Da die heute so genannte Volksfrömmigkeit gerade wieder in den letzten Wochen im besonderen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des kirchlichen Lebens stand (es sei erinnert an die 47. Apostolische Reise von Papst Franziskus nach Ajaccio anlässlich des Abschlusses des Kongresses unter dem Thema „La religiosité populaire en Méditerranée; 14. Dezember 2024), kommt man nicht umhin, an das Wirken Alexanders VI. gerade, aber nicht nur, im Rahmen des Heiligen Jahres 1500 zu erinnern. Papst Alexander VI. spielte eine wichtige Rolle in der Förderung der wahren Frömmigkeit des nach Christus dürstenden Volkes, insbesondere, wie bereits angedeutet, in Bezug auf das Rosen-Kranzgebet und die eucharistische Anbetung, wesentliche pastorale Hinführung in den Mittelpunkt des Mysteriums Christi. Seine oft kritisierte persönliche Lebensführung sei Historikern und historischen Arbeiten überlassen, selbst wenn gerade im Zeitalter eines „woken“ Moralismus, ja einer Diktatur des Moralismus vorschnelle und ach so wissende Urteile leicht über die Lippen rutschen. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb: Alexander VI. engagierte er sich stark für die spirituelle Stärkung der Gläubigen, was auch eine bleibende Wirkung auf die katholische Frömmigkeit in ihrer täglichen Realität  hatte.

Dabei muss erneut auf das Mysterien-Gebet des heiligen Rosenkranzes eingegangen werden. Die Verbindung von Papst Alexander VI. mit der Geschichte des Rosenkranzgebets ist eng damit verbunden, die er als ein wirksames Mittel der Frömmigkeit und als spirituelle Waffe gegen die Übel seiner Zeit betrachtete. Das Rosenkranz-Gebet war bereits im 15. Jahrhundert durch den Dominikanerorden und besonders durch den seligen Alanus de Rupe populär gemacht worden. Alexander VI. nahm diesen geistlichen Impuls auf und trug dazu bei, das Rosenkranz-Gebet weiter zu verbreiten.

Ein historisches Beispiel für seine Förderung ist der Sieg der Christen in der Schlacht bei Fornovo (1495), die während des Italienfeldzugs von Karl VIII. von Frankreich stattfand. In einem Brief an die christlichen Fürsten hob Alexander VI. die Macht des Gebets hervor und forderte die Gläubigen auf, den Rosenkranz zur Abwehr von Bedrohungen zu nutzen. Diese Ermutigung passte zur allgemeinen Betonung des Rosenkranzes als ein Gebet der Hoffnung und des Schutzes in Krisenzeiten.´

In seinem Pontifikat trug Alexander VI. auch dazu bei, das Rosenkranz-Gebet liturgisch und strukturell zu festigen, indem er es mit den drei zentralen Mysterien (Freudenreich, Schmerzensreich, Glorienreich) verknüpfte, was später durch Papst Pius V. formalisiert wurde. Alexander VI. betrachtete den Rosenkranz als eine Hilfe für die Gläubigen, in die zentralen Geheimnisse des Glaubens besser einzutreten.

Ein weiteres Beispiel ist die Errichtung von Rosenkranzbruderschaften in mehreren Städten, die während seines Pontifikats an Bedeutung gewannen. Diese Bruderschaften spielten eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Gebets und der Stärkung des Gemeinschaftslebens unter den Gläubigen.

Aber: was wäre „Maria“ ohne „Christus“, was wäre jede Form von Gebet ohne ihren Bezug auf das größte Geheimnis und das größte Geschenk Gottes an die Schöpfung durch den Opfertod seines Sohnes am Siegeszeichen des Kreuzes? Was gäbe es Tieferes als dein Tod Gottes am Kreuz, das dadurch zum wahren Leben führt und das Leben Gottes in seiner Totalität bezeugt?

Die Verehrung der Eucharistie, des eucharistischen Leibes Jesu war also ein weiterer und, heute würde man sagen: „logischer“ Schwerpunkt in Alexanders geistlichem Wirken, in seinem Lehramt. In einer Zeit, in der die katholische Kirche durch innere und äußere Konflikte herausgefordert wurde, betonte er die Eucharistie als Quelle der Einheit und des Glaubens. Besonders also während des Heiligen Jahres 1500, das zweifellos als „eucharistisches Jahr“ bezeichnet werden kann, setzte er Zeichen, um die Bedeutung der Eucharistie im Leben der Gläubigen als dessen Grundlage zu klären und zu betonen.

Alexander VI. initiierte feierliche eucharistische Prozessionen, die Rom in den Mittelpunkt der christlichen Welt stellten. Diese Prozessionen, bei denen das Allerheiligste durch die Straßen der Stadt getragen wurde, waren mehr als nur liturgische Ereignisse – sie waren öffentliche Zeugnisse des Glaubens und Gelegenheiten, die Eucharistie als Quelle der göttlichen Gegenwart zu feiern.

Einschub: Wer würde sich da nicht an jenen 28. Juni 2016 und an den 65. Jahrestag der Priesterweihe von Papst Benedikt XVI. erinnern. Benedikt erzählte, wie vor 65 Jahren ein Mitbruder, der mit ihm geweiht wurde, beschloss, auf sein Primizbild neben dem Namen und den Daten nur ein Wort zu schreiben, auf Griechisch: „Eucharistomen“ („wir danken“): „überzeugt, dass mit diesem Wort in allen seinen Dimensionen schon alles gesagt ist, was man in diesem Augenblick sagen kann. ‚Eucharistomen‘ meint ein menschliches Danke, danke allen. Danke vor allem Ihnen, Heiliger Vater! Vom Moment Ihrer Wahl an, jeden Moment meines Lebens hier berührt mich Ihre Güte, trägt mich wirklich, innerlich“.

Benedikt XVI. brachte mit dieser Erinnerung die Überzeugung zum Ausdruck, „dass mit diesem Wort in allen seinen Dimensionen schon alles gesagt ist, was man in diesem Augenblick sagen kann. ‚Eucharistomen‘ meint ein menschliches Danke, danke allen”.

Mit dem Wort „Eucharistomen“ sei nicht allein auf die Dimension des menschlichen Dankes verwiesen, sondern natürlich auch auf das tiefste Wort, das sich verbirgt und erscheint in der Liturgie, der Heiligen Schrift, in den Worten ‚gratias agens benedixit fregit deditque‘ (‚er sagte Dank, brach das Brot und reichte es seinen Jüngern‘). ’Eucharistomen’ verweist uns auf diese Realität des Dankes, auf diese neue Dimension, die Christus gegeben hat. Er hat das Kreuz, das Leiden, alles Übel der Welt in Dank und so in Segen verwandelt. Und so hat er grundlegend das Leben und die Welt verwandelt, hat gegeben und gibt uns täglich das Brot des wahren Lebens, das die Welt überwindet dank der Kraft seiner Liebe. Am Ende wollen wir uns hineinfügen in dieses ‚Danke‘ des Herrn, und so wirklich die Neuheit des Lebens empfangen und zur Verwandlung (wörtlich ‚Transsubstantiation‘) der Welt helfen: auf dass sie eine Welt nicht des Todes, sondern des Lebens sei, eine Welt, in der die Liebe den Tod besiegt hat“.

Zurück zu Alexander XVI., der von ihm erkannten Notwendigkeit einer derartigen „Transsubstantation“, dessen Betonung des eucharistischen Bewusstseins. Ein Beispiel  hierfür war die feierliche Messe am Eröffnungstag des Heiligen Jahres 1500, bei der er die Gläubigen dazu aufrief, sich durch das Bußsakrament und die eucharistische Anbetung auf die besonderen Gnaden dieses Jahres vorzubereiten. Die Teilnahme an der Eucharistie galt als notwendige Voraussetzung, um die mit dem Jubiläumsjahr verbundenen Ablässe zu empfangen.

Alexander VI. förderte den Bau und die Renovierung von Kirchen und Kapellen, die explizit der Verehrung und Anbetung der Eucharistie dienten. Die Arbeiten an der Basilika St. Peter, die er begann, sowie an anderen Kirchen in Rom, waren Ausdruck seines Bestrebens, den Gläubigen würdige Orte der Anbetung zu bieten.

Obwohl Originalzitate Alexanders VI. zur Förderung des Rosenkranzes oder der Eucharistie nicht zahlreich sind, ist seine Haltung durch die Taten und Dokumente seines Pontifikats gut erkennbar.

In einem Brief an die Gläubigen schrieb er: „Die heiligen Mysterien unseres Herrn sind der Anker unserer Hoffnung und der Weg unserer Erlösung. Mögen alle Gläubigen im Gebet verharren, um die Fülle der göttlichen Gnaden zu empfangen“. Dieses Zitat spiegelt seinen Wunsch wider, dass das Gebet und die Sakramente die Gläubigen mit Gott verbinden und ihnen Gnade und Trost schenken sollten.

Trotz der Ambivalenzen seines Lebens also  hinterließ Alexander VI. ein bleibendes Erbe in der Volksfrömmigkeit. Seine Förderung des Rosenkranzes und der eucharistischen Anbetung trugen dazu bei, die spirituelle Praxis der Gläubigen zu vertiefen. Er verstand es, liturgische Rituale mit der Volksfrömmigkeit zu verbinden und den Gläubigen so eine greifbare Möglichkeit zu geben, ihren Glauben zu leben. Seine Initiativen, insbesondere während des Heiligen Jahres 1500, stärkten die Kirche als geistliches Zentrum der Christenheit und unterstrichen die Bedeutung des Gebets und der Sakramente für das Heil der Gläubigen.

 


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