28. Jänner 2025 in Deutschland
Predigt von Bischof Voderholzer zum Weihejubiläum: „Selbst wenn wir unter den letzten sein sollten, die das im Grundgesetz verbriefte Lebensrecht von der Zeugung bis zum natürlichen Tod hochhalten und verteidigen, wir werden es auch weiter tun“.
Regensburg (kath.net/Bistum Regensburg) kath.net dokumentiert die Predigt von Bischof Rudolf Voderholzer zu seinem 12. Weihejubiläum mit dem Titel „Relevanz ist eine Nebenwirkung“ in voller Länge. Er hatte die Predigt bei der Pontifikalvesper am Sonntagnachmittag im Regensburger Dom St. Peter gehalten.
Im Herbst des vorvergangenen Jahres wurden die ersten Ergebnisse der so genannten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, abgekürzt KMU, veröffentlicht. Es war die sechste bereits, an der sich erstmals auch die katholische Kirche beteiligt hatte. Dieser Tage nun erschien ein voluminöser Auswertungsband dazu, zusammen mit einem Kirchenatlas, der die Situation der großen Kirchen in unserem Land auf der Basis eines repräsentativen Datenmaterials beschreibt.
Eines der für viele Beobachter besorgniserregenden Ergebnisse ist der zunehmende so genannte „Relevanzverlust“ von Kirche und Religion im gesellschaftlichen Leben: Relevanzverlust, Bedeutungsverlust von kirchlichen Verlautbarungen, von kirchlichem Tun, von amtlichen Vertretern der Kirche im öffentlichen Diskurs.
Wie darauf reagieren? Ich setze voraus und diskutiere jetzt nicht, ob Relevanz überhaupt ein Gut ist. Ja, ich denke schon, dass es gewiss nicht schadet, als Kirche auch gesellschaftlich relevant zu sein, die Sache ist der Rede wert.
Mich beschäftigt aber die Frage, wie und auf welche Weise Relevanz zurückgewonnen werden kann, wenn sie denn tatsächlich im Schwinden begriffen ist und zu wünschen übriglässt. In der Tat hört man in der Kirche von Seiten der Verantwortlichen und Interessierten nicht selten die Zielvorgabe: Wir müssen wieder relevant werden in der Gesellschaft, Relevanz gewinnen. Aber wie soll das gehen?
Ich meine, man müsse hier folgendes bedenken: Relevanz ist nicht etwas, was man direkt anzielen kann. Relevanz, gesellschaftliche Relevanz ist eine Nebenwirkung, eine gewiss erwünschte Nebenwirkung, aber eben eine Nebenwirkung von etwas anderem.
Ich sehe hier eine formale Parallele zwischen glücklich werden wollen und relevant sein wollen.
Glücklich werden wollen, wenn ich das kurz in Erinnerung rufen darf, glücklich werden, das geht auch nicht so, dass ich es direkt anziele. Die gesamte philosophische Tradition ist sich einig: Glück ist eine Nebenwirkung. Ich muss etwas Sinnvolles tun, ich muss mich selbstvergessen an eine Aufgabe verschwenden, an eine Person verschenken, um dann überrascht und beglückt festzustellen, dass das und gerade das glücklich und zufrieden macht. Wer dagegen nach dem Glück jagt, der verjagt es. Wessen Gedanken nur darum kreisen, wie ich glücklich werden kann, ist drauf und dran, sich selbst und dem erstrebten Gut gerade im Wege zu stehen.
Auch Bert Brecht weiß das, wenn er in der Dreigroschenoper singen lässt:
„Ja, renn nur nach dem Glück / Doch renne nicht zu sehr / Denn alle rennen nach dem Glück / Das Glück rennt hinterher.“
Genauso ist es mit der gesellschaftlichen Relevanz. Wer unbedingt relevant sein will und alles tut, nur um relevant zu sein, der wird nicht nur nicht relevant, sondern macht sich lächerlich. Der wird vermutlich genau das nicht erreichen, was erreichen will.
Relevant wird, wer „etwas zu sagen“ hat, wer einen guten und wichtigen Dienst tut, wer ein Alleinstellungsmerkmal hat. Relevant ist der oder die, ohne die etwas Wesentliches fehlen würde.
Das meint wohl auch Jesu Rede vom Salz, Jesu Bildwort aus der Bergpredigt, vom Salz, das wir als Christen sind. „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit soll man salzen?“ So wird man wohl übersetzen müssen. Salz ist relevant, weil es unersetzlich ist.
Auf die Kirche angewandt: Wir müssen – befreit von der krampfhaften Sorge, unbedingt relevant zu sein – eben Kirche sein, und das gut sein und treu zum Evangelium. Das sagen und das tun, was uns als Kirche von ihrem Herrn her aufgetragen ist; als Kirche in den drei Grundvollzügen: Liturgie, Martyria und Diakonie.
In der Diakonie, also im sozial-caritativen Bereich, gelingt das wohl am besten, auch mit dem Ergebnis, dass uns hier noch am meisten Relevanz zugebilligt wird, wobei allerdings das caritative Tun seltsamerweise oftmals gar nicht mit Kirche in Verbindung gebracht wird. Dies hin und wieder in Erinnerung zu rufen, ist wichtig.
Aber auch die beiden anderen Vollzüge Liturgie und Verkündigung verdienen Beachtung, wir dürfen sie pflegen und darauf vertrauen, dass sie aus sich heraus leuchten. Denn auch da haben wir Alleinstellungsmerkmale.
Ich wüsste keine schönere Liturgie, die geradezu ein Gesamtkunstwerk ist, als die überlieferte römische Liturgie mit ihrer Kirchenmusik, wie wir sie im Dom zu Regensburg etwa mit den Domspatzen an den Hochfesten und darüber hinaus so oft feiern dürfen. Nützen wir das Heilige Jahr, um der Sehnsucht vieler Menschen nach Spiritualität, nach Transzendenz, nach Tiefgang, entgegenzukommen. Die Liturgie der Kirche mit ihren Riten und Mysterien hält den Himmel offen.
Und in der Verkündigung haben wir Wichtiges auszurichten, „ob gelegen oder ungelegen“. Jetzt im Heiligen Jahr hat uns der Papst aufgerufen, „Pilger der Hoffnung“ zu sein und einer Welt, die oft in Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit, in Orientierungslosigkeit und Lähmung zu erstarren droht, eine Perspektive zu geben, die mehr ist als bloßer Optimismus, sondern eine mit Glaube und Liebe tief verbunden Haltung, die ihren Anker in der Wirklichkeit Gottes gesetzt hat.
Und wir werden als Kirche das sagen, was wir immer gesagt im Hinblick auf den Lebensschutz. Selbst wenn wir unter den letzten sein sollten, die das im Grundgesetz verbriefte Lebensrecht von der Zeugung bis zum natürlichen Tod hochhalten und verteidigen, wir werden es auch weiter tun, weil es notwendig ist und der Wahrheit des Menschen entspricht, genauso wie die Schöpfungswirklichkeit des Menschen, der von Gott geschaffen ist als Mann oder Frau. Der Verzicht auf unsere klassischen Themen im Schielen auf dadurch vielleicht wiederzugewinnende Relevanz wird das Gegenteil zur Folge haben und uns vollends überflüssig machen.
Ich kann nur raten, nicht an vermeintlichen gesellschaftlichen Erwartungen Maß zu nehmen, sondern an Gottes Wort und einer vernehmenden Vernunft, die vom Glauben geweitet die Wahrheit über den Menschen erkennt. Relevanz: eine Nebenwirkung von Sinn, eine Nebenwirkung von Wahrheit und von Wahrhaftigkeit – darauf dürfen wir vertrauen!
Foto: Bischof Voderholzer während dieser Predigt (c) Bistum Regensburg
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